Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.SECTIO XXXVI. WAs die macht sünde zu vergeben anlangt/ bemercke dieses davon. in
SECTIO XXXVI. WAs die macht ſuͤnde zu vergeben anlangt/ bemercke dieſes davon. in
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SECTIO XXXVI.
WAs die macht ſuͤnde zu vergeben anlangt/ bemercke dieſes davon.
1. GOtt iſt allein der jenige/ der in ſcharffen und eigentlichem ver-
ſtand die ſuͤnde vergibet/ das iſt/ deroſelben ſchuld und ſtraffe erlaͤſ-
ſet/ und ſeinen zorn und ungenad gegen den ſuͤnder ableget/ als worinn die
vergebung eigentlich beſtehet. 2. Ein menſch und Chriſt vergibt auch eigent-
lich dem andern die jenige ſuͤnde/ darmit derſelbe ihn beleidiget hat/ alſo daß
er ihm das begangene erlaͤſſet/ ſeinen unwillen daruͤber ableget/ und ſich des
rechts gegen ihn/ ihn daruͤber zu verklagen oder zu ſtraffen/ begibet: indeſſen
iſts keine voͤllige vergebung/ dann weil die ſuͤnde/ dardurch ihm unrecht geſche-
hen iſt/ nicht nur ihn betrifft/ ſondern neben ihm zuforderſt GOTT den
HErrn/ wider deſſen geſetz alle beleidigung des naͤchſten gehet/ nachmahl
auch andere neben-menſchen/ die auch theil an dem dem andern geſchehenen
unrecht nehmen/ ja auch offt die obrigkeit/ und dero richterliches amt/ ſo kan
der beleidigte nicht weiter vergeben! als ſo fern das unrecht gegen ihn began-
gen iſt/ was aber GOtt/ die obrigkeit/ und andere mit eingeflochtene men-
ſchen anlangt/ hebet meine vergebung deſſelben recht wider den beleidiger
noch nicht auff. 3. Was anlangt der Prediger vergebung in der abſolution/
kan ich ſagen/ daß ſie vergeben/ ich kan auch ſagen/ daß ſie nicht vergeben: Je
nach dem ich das wort vergeben nehme. Nehme ich das wort im ſchaͤrffſten
und eigentlichſten verſtand/ wie es von GOtt geſagt wuͤrde/ der in der verge-
bung ſeinen zorn und ungnade fallen laͤſt und ſich ſeiner gerechten ſtraffe be-
gibet/ iſt unmoͤglich/ daß es von dem prediger geſagt werden koͤnte/ ſondern
dieſe vergebung bleibet Gott ſo eigen/ als ſein richter-amt niemand eigentlich
mit getheilet wird. Weil aber gleichwol die ſchrifft von den predigern ſaget/
daß ſie vergeben. Joh. 20/ 22. 2. Cor. 2/ 10. koͤñen wir uns auch ſolches worts
welches der H. Geiſt ſelbſt gebrauchet/ nicht wohl entbrechen/ oder es verwerf-
fen/ wol aber recht und der gantzen glaubens-regul gemaͤß erklaͤhren. Dafragt
ſichs aber ferner/ ob dañ ſolche vergebung der prediger nur eine verkuͤndigung
ſeye/ oder nicht. Es wird aber wiederum mit ja und nein geantwortet/ je nach
dem unterſchiedlichen verſtand des worts 1. heiſſet das verkuͤndigen der verge-
bung nur allein eine bloſſe verkuͤndigung ohne zueignung auff die perſon/ und
ohne daß dadurch die vergebung wuͤrcklich uberreichet wuͤrde/ ſo ſage ich/ ſie/
die prediger verkuͤndigen in der abſolution nicht allein vergebung/ ſondern ſie
vergeben auch: denn jene verkuͤndigung geſchihet auch in der allgemeinen pre-
digt des Evangelii/ ja auch wo einem jeglichen die vermahnung zur buß oder
unterricht von der goͤttl. gnaden-ordnung gegeben wird/ wie GOtt den buß-
fertigen und glaubigen um Chriſti willen ihre ſuͤnde vergeben wolle/ welches
doch von der abſolution unterſchieden iſt. Jn dieſem verſtand alſo muß dem
prediger mehr als die bloſſe verkuͤndigung beygeleget werden. 2. Es kan aber
auch die vergebung verkuͤndigen heiſſen/ einem andeuten daß ihm hiermit
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