Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.Das erste Capitel. sten eltern gegeben/ die sie auch auff ihre nachkömmlinge treulich fortgepflan-tzet haben werden. Dahin hatten die absicht die opfer/ die wir nicht nur in der kirchen der glaubigen zu allen zeiten finden/ sondern sie auch unter die Heiden gekommen sind/ und weil keine vernunfft dieses lehret/ daß GOtt durch den todt eines viehes versöhnet werden könte/ die Heiden aber den opfern gleichwol solche krafft zuschrieben/ ihrer Götter gnade dadurch zu we- ge zu bringen/ ist solches ein zeugnüß/ daß sie es von den vätern/ und nach der sündfluth am weitsten von Noah/ hergehabt haben müssen: Ob sie dann wol das erkäntnüß/ wie diese opfer ein vorbild des künfftigen Meßiä seyen/ welches geheimnüß in der kirchen allein geblieben/ verlohren haben/ so bliebe doch in der fuß-spuhr der sache selbs der göttliche rath/ aus dem erst die opfer eingeführet worden/ und ausser dem dieselbe etwas gantz ungereimtes ange- sehen werden würden. Bey den Juden aber ist kein zweifel/ daß auch neben der schrifft durch die tradition solche bedeutung der opfer/ die Paulus in der epist. an die Hebr. erkläret/ erhalten worden seye/ und werden die priester diejenige/ so sie brachten/ davon unterrichtet haben. Ob wol nicht zu leugnen stehet/ daß zu der zeit Christi/ wie die Jüdische Kirche insgemein in grosse verderbnüß gerathen/ auch dieser verstand der opfer sehr unbekannt mag wor- den seyn. Doch bliebe bey allen glaubigen der glaube des versöhnten Gottes und des versöhners/ ob wol derselbe nach solcher zeit art etwas dunckel ge- wesen/ das mittel der seeligkeit. 2. Nachdem der HErr JEsus in seine herrlichkeit eingegangen/ auch 3. Niemand kan GOtt recht fürchten (nemlich daß die furcht der er- sicher
Das erſte Capitel. ſten eltern gegeben/ die ſie auch auff ihre nachkoͤmmlinge treulich fortgepflan-tzet haben werden. Dahin hatten die abſicht die opfer/ die wir nicht nur in der kirchen der glaubigen zu allen zeiten finden/ ſondern ſie auch unter die Heiden gekommen ſind/ und weil keine vernunfft dieſes lehret/ daß GOtt durch den todt eines viehes verſoͤhnet werden koͤnte/ die Heiden aber den opfern gleichwol ſolche krafft zuſchrieben/ ihrer Goͤtter gnade dadurch zu we- ge zu bringen/ iſt ſolches ein zeugnuͤß/ daß ſie es von den vaͤtern/ und nach der ſuͤndfluth am weitſten von Noah/ hergehabt haben muͤſſen: Ob ſie dann wol das erkaͤntnuͤß/ wie dieſe opfer ein vorbild des kuͤnfftigen Meßiaͤ ſeyen/ welches geheimnuͤß in der kirchen allein geblieben/ verlohren haben/ ſo bliebe doch in der fuß-ſpuhr der ſache ſelbs der goͤttliche rath/ aus dem erſt die opfer eingefuͤhret worden/ und auſſer dem dieſelbe etwas gantz ungereimtes ange- ſehen werden wuͤrden. Bey den Juden aber iſt kein zweifel/ daß auch neben der ſchrifft durch die tradition ſolche bedeutung der opfer/ die Paulus in der epiſt. an die Hebr. erklaͤret/ erhalten worden ſeye/ und werden die prieſter diejenige/ ſo ſie brachten/ davon unterrichtet haben. Ob wol nicht zu leugnen ſtehet/ daß zu der zeit Chriſti/ wie die Juͤdiſche Kirche insgemein in groſſe verderbnuͤß gerathen/ auch dieſer verſtand der opfer ſehr unbekañt mag wor- den ſeyn. Doch bliebe bey allen glaubigen der glaube des verſoͤhnten Gottes und des verſoͤhners/ ob wol derſelbe nach ſolcher zeit art etwas dunckel ge- weſen/ das mittel der ſeeligkeit. 2. Nachdem der HErr JEſus in ſeine herrlichkeit eingegangen/ auch 3. Niemand kan GOtt recht fuͤrchten (nemlich daß die furcht der er- ſicher
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0022" n="6"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das erſte Capitel.</hi></fw><lb/> ſten eltern gegeben/ die ſie auch auff ihre nachkoͤmmlinge treulich fortgepflan-<lb/> tzet haben werden. Dahin hatten die abſicht die opfer/ die wir nicht nur in<lb/> der kirchen der glaubigen zu allen zeiten finden/ ſondern ſie auch unter die<lb/> Heiden gekommen ſind/ und weil keine vernunfft dieſes lehret/ daß GOtt<lb/> durch den todt eines viehes verſoͤhnet werden koͤnte/ die Heiden aber den<lb/> opfern gleichwol ſolche krafft zuſchrieben/ ihrer Goͤtter gnade dadurch zu we-<lb/> ge zu bringen/ iſt ſolches ein zeugnuͤß/ daß ſie es von den vaͤtern/ und nach der<lb/> ſuͤndfluth am weitſten von Noah/ hergehabt haben muͤſſen: Ob ſie dann<lb/> wol das erkaͤntnuͤß/ wie dieſe opfer ein vorbild des kuͤnfftigen Meßiaͤ ſeyen/<lb/> welches geheimnuͤß in der kirchen allein geblieben/ verlohren haben/ ſo bliebe<lb/> doch in der fuß-ſpuhr der ſache ſelbs der goͤttliche rath/ aus dem erſt die opfer<lb/> eingefuͤhret worden/ und auſſer dem dieſelbe etwas gantz ungereimtes ange-<lb/> ſehen werden wuͤrden. Bey den Juden aber iſt kein zweifel/ daß auch neben<lb/> der ſchrifft durch die <hi rendition="#aq">tradition</hi> ſolche bedeutung der opfer/ die Paulus in der<lb/> epiſt. an die <hi rendition="#fr">Hebr.</hi> erklaͤret/ erhalten worden ſeye/ und werden die prieſter<lb/> diejenige/ ſo ſie brachten/ davon unterrichtet haben. Ob wol nicht zu leugnen<lb/> ſtehet/ daß zu der zeit Chriſti/ wie die Juͤdiſche Kirche insgemein in groſſe<lb/> verderbnuͤß gerathen/ auch dieſer verſtand der opfer ſehr unbekañt mag wor-<lb/> den ſeyn. Doch bliebe bey allen glaubigen der glaube des verſoͤhnten Gottes<lb/> und des verſoͤhners/ ob wol derſelbe nach ſolcher zeit art etwas dunckel ge-<lb/> weſen/ das mittel der ſeeligkeit.</p><lb/> <p>2. Nachdem der HErr JEſus in ſeine herrlichkeit eingegangen/ auch<lb/> nicht allein durch die ausgieſſung des Heil. Geiſtes dem gantzen hauß Jſrael<lb/> kund gemacht/ daß ihn Gott zu einem Herrn und Chriſt gemacht <hi rendition="#fr">Ap. Geſch.</hi><lb/> 2/ 36. ſondern auch ſolches Evangelium in der gantzen welt verkuͤndiget wor-<lb/> den iſt/ hat angefangen/ nicht mehr wie biß dahin gnug ſeyn/ an Chriſtum zu<lb/> glauben/ ſondern wurde auch noͤtig/ an JEſum/ daß er der Chriſt in dem<lb/> fleiſch zu unſrer erloͤſung gekommen ſeye/ zu glauben. Wie dann dieſes das<lb/> Evangelium iſt/ aus deſſen glauben alle ſeelig werden ſolten/ deſſen unglau-<lb/> be aber andere verdammen wuͤrde. <hi rendition="#fr">Marc.</hi> 16/ 15. 16. daher iſt kein anderer na-<lb/> me nunmehr zur ſeligkeit gegeben <hi rendition="#fr">Ap. Geſ.</hi> 4/ 12. die ihn alſo annehmen/<lb/> werden allein Gottes kinder <hi rendition="#fr">Joh.</hi> 1/ 12. Und daran kennet man den geiſt aus<lb/> GOtt/ der alſo lehret 1. <hi rendition="#fr">Joh.</hi> 4/ 2. 3.</p><lb/> <p>3. Niemand kan GOtt recht fuͤrchten (nemlich daß die furcht der er-<lb/> forderten liebe nicht entgegen ſtehe) noch recht thun oder die gerechtigkeit<lb/> wircken (darzu nicht allein das aͤußerliche werck/ ſondern daß es auch von her-<lb/> tzen gehe/ und dieſes anders geſinnet ſeye/ erfordert wird) er glaube denn an<lb/> denverſoͤhner/ und alſo nunmehr an JEſum. Dann wer an ihn nicht glau-<lb/> bet/ erkennet entweder Gottes gerechtigkeit nicht/ wo er ſeiner ſuͤnden wegen<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſicher</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [6/0022]
Das erſte Capitel.
ſten eltern gegeben/ die ſie auch auff ihre nachkoͤmmlinge treulich fortgepflan-
tzet haben werden. Dahin hatten die abſicht die opfer/ die wir nicht nur in
der kirchen der glaubigen zu allen zeiten finden/ ſondern ſie auch unter die
Heiden gekommen ſind/ und weil keine vernunfft dieſes lehret/ daß GOtt
durch den todt eines viehes verſoͤhnet werden koͤnte/ die Heiden aber den
opfern gleichwol ſolche krafft zuſchrieben/ ihrer Goͤtter gnade dadurch zu we-
ge zu bringen/ iſt ſolches ein zeugnuͤß/ daß ſie es von den vaͤtern/ und nach der
ſuͤndfluth am weitſten von Noah/ hergehabt haben muͤſſen: Ob ſie dann
wol das erkaͤntnuͤß/ wie dieſe opfer ein vorbild des kuͤnfftigen Meßiaͤ ſeyen/
welches geheimnuͤß in der kirchen allein geblieben/ verlohren haben/ ſo bliebe
doch in der fuß-ſpuhr der ſache ſelbs der goͤttliche rath/ aus dem erſt die opfer
eingefuͤhret worden/ und auſſer dem dieſelbe etwas gantz ungereimtes ange-
ſehen werden wuͤrden. Bey den Juden aber iſt kein zweifel/ daß auch neben
der ſchrifft durch die tradition ſolche bedeutung der opfer/ die Paulus in der
epiſt. an die Hebr. erklaͤret/ erhalten worden ſeye/ und werden die prieſter
diejenige/ ſo ſie brachten/ davon unterrichtet haben. Ob wol nicht zu leugnen
ſtehet/ daß zu der zeit Chriſti/ wie die Juͤdiſche Kirche insgemein in groſſe
verderbnuͤß gerathen/ auch dieſer verſtand der opfer ſehr unbekañt mag wor-
den ſeyn. Doch bliebe bey allen glaubigen der glaube des verſoͤhnten Gottes
und des verſoͤhners/ ob wol derſelbe nach ſolcher zeit art etwas dunckel ge-
weſen/ das mittel der ſeeligkeit.
2. Nachdem der HErr JEſus in ſeine herrlichkeit eingegangen/ auch
nicht allein durch die ausgieſſung des Heil. Geiſtes dem gantzen hauß Jſrael
kund gemacht/ daß ihn Gott zu einem Herrn und Chriſt gemacht Ap. Geſch.
2/ 36. ſondern auch ſolches Evangelium in der gantzen welt verkuͤndiget wor-
den iſt/ hat angefangen/ nicht mehr wie biß dahin gnug ſeyn/ an Chriſtum zu
glauben/ ſondern wurde auch noͤtig/ an JEſum/ daß er der Chriſt in dem
fleiſch zu unſrer erloͤſung gekommen ſeye/ zu glauben. Wie dann dieſes das
Evangelium iſt/ aus deſſen glauben alle ſeelig werden ſolten/ deſſen unglau-
be aber andere verdammen wuͤrde. Marc. 16/ 15. 16. daher iſt kein anderer na-
me nunmehr zur ſeligkeit gegeben Ap. Geſ. 4/ 12. die ihn alſo annehmen/
werden allein Gottes kinder Joh. 1/ 12. Und daran kennet man den geiſt aus
GOtt/ der alſo lehret 1. Joh. 4/ 2. 3.
3. Niemand kan GOtt recht fuͤrchten (nemlich daß die furcht der er-
forderten liebe nicht entgegen ſtehe) noch recht thun oder die gerechtigkeit
wircken (darzu nicht allein das aͤußerliche werck/ ſondern daß es auch von her-
tzen gehe/ und dieſes anders geſinnet ſeye/ erfordert wird) er glaube denn an
denverſoͤhner/ und alſo nunmehr an JEſum. Dann wer an ihn nicht glau-
bet/ erkennet entweder Gottes gerechtigkeit nicht/ wo er ſeiner ſuͤnden wegen
ſicher
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |