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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das erste Capitel.
auch von den säemännern gemeldet wird/ daß offt dero schuld dabey seye/ daß
die saat wenig gerathet/ gestehe und beklage ebenfalls: obwohl hinwieder
aus göttlichem wort erweißlich seyn wird/ daß gleichwol an ihnen nicht alle-
mal die schuld seye/ sondern auch diejenige/ so alle treue anzuwenden sich be-
fleissen/ mit betrübnüß die wenigkeit der frucht zuweilen bejammern müssen.
Daß an statt des alten Welgelianer-tituls nunmehr der Quacker-titul
auffgekommen/ und fast das gemeine praedicat derjenigen werden wolle/ so
sich der gottseligkeit mit ernst befleissen/ und dieselbe nicht in dem eusserlichen
allein/ sondern in dem innerlichen suchen wollen/ auch von den göttlichen wir-
ckungen in der seelen etwas wissen/ ist schon eine gute weil/ aber unsrer religi-
on eine schlechte ehre/ als hielte man dieselbe selbs vor so gar entfrembdet von
aller göttlichen innerlichen wirckung/ daß so bald sich etwas dessen zeige/ oder
davon gehöret werde/ solches nicht mehr vor gut Lutherisch gehalten werden
dörffe. Hingegen wo sich die Quacker etwas zu rühmen zimlichen schein ha-
ben/ so möchten sie dieses argument gegen uns gebrauchen. Jhre religion
aber selbs anlangende/ bin ich nicht in abrede/ daß ich Barclaji Confession und
Apologie, darinnen wohl die gründlichste nachricht davon zu finden/ nicht
gantz oder nur meistentheils gelesen habe: was ich aber gesehen/ so dann auch
von andern nicht eben paßionirten gemüthern ihrentwegen gehöret/ ist so be-
wandt/ daß ich nicht sagen kan/ daß keine göttliche wahrheiten in ihrer lehr
seyen/ wie aber auch vielleicht von keiner sect dergleichen gesagt werden kan/
aber hingegen sind der dinge auch viel/ so ich mit der göttlichen wahrheit der
schrifft nicht vergleichen kan. So weiß ich auch durch verschiedene/ so nach
affecten zu urtheilen nicht gewohnt gewesen/ daß die leute selbs fast noch sich
nicht recht in ihrer kirche formiret haben/ oder in gewisser festigkeit stehen/
daher auch nicht geringer unterscheid unter ihnen sich finde. Wie ich auch
weiß/ daß der berühmte Helmont/ so sich doch zu ihnen verfüget/ über un-
terschiedliches geklagt/ und andere austalten vor nöthig geachtet: sonderlich
ihnen gezeiget haben solle/ wie sie/ da sie die jugend auff menschliche art nicht
lehren/ sondern allein des geistes wirckung zur lehr überlassen wollen/ aus
derselben an statt von GOtt gelehrter Christen bloß unwissende und rohe
leute auffgezogen hätten. Ob aber alles/ was ihnen von andern/ so wider
sie geschrieben/ beygeleget und zugemessen wird/ wahr seye/ traue ich nicht zu
übernehmen oder zu behaupten: und wie ich insgesamt nicht gern an das
richten komme/ so kan auch so viel weniger über dero gesamte lehr/ da sie mir
in ihrem völligen systemate nicht bekant/ urtheilen/ sondern überlasse sie ih-
rem richter. Daß mein tractat oder predigten von der wiedergebuhrt
(die in den 2. theil der buß-predigten eingerücket) nicht unangenehm gewe-
sen/ ist mir lieb/ und dancke GOtt vor seine gnade/ die auch einige andere dar-

in-

Das erſte Capitel.
auch von den ſaͤemaͤnnern gemeldet wird/ daß offt dero ſchuld dabey ſeye/ daß
die ſaat wenig gerathet/ geſtehe und beklage ebenfalls: obwohl hinwieder
aus goͤttlichem wort erweißlich ſeyn wird/ daß gleichwol an ihnen nicht alle-
mal die ſchuld ſeye/ ſondern auch diejenige/ ſo alle treue anzuwenden ſich be-
fleiſſen/ mit betruͤbnuͤß die wenigkeit der frucht zuweilen bejammern muͤſſen.
Daß an ſtatt des alten Welgelianer-tituls nunmehr der Quacker-titul
auffgekommen/ und faſt das gemeine prædicat derjenigen werden wolle/ ſo
ſich der gottſeligkeit mit ernſt befleiſſen/ und dieſelbe nicht in dem euſſerlichen
allein/ ſondern in dem innerlichen ſuchen wollen/ auch von den goͤttlichen wir-
ckungen in der ſeelen etwas wiſſen/ iſt ſchon eine gute weil/ aber unſrer religi-
on eine ſchlechte ehre/ als hielte man dieſelbe ſelbs vor ſo gar entfrembdet von
aller goͤttlichen innerlichen wirckung/ daß ſo bald ſich etwas deſſen zeige/ oder
davon gehoͤret werde/ ſolches nicht mehr vor gut Lutheriſch gehalten werden
doͤrffe. Hingegen wo ſich die Quacker etwas zu ruͤhmen zimlichen ſchein ha-
ben/ ſo moͤchten ſie dieſes argument gegen uns gebrauchen. Jhre religion
aber ſelbs anlangende/ bin ich nicht in abrede/ daß ich Barclaji Confeſſion und
Apologie, darinnen wohl die gruͤndlichſte nachricht davon zu finden/ nicht
gantz oder nur meiſtentheils geleſen habe: was ich aber geſehen/ ſo dann auch
von andern nicht eben paßionirten gemuͤthern ihrentwegen gehoͤret/ iſt ſo be-
wandt/ daß ich nicht ſagen kan/ daß keine goͤttliche wahrheiten in ihrer lehr
ſeyen/ wie aber auch vielleicht von keiner ſect dergleichen geſagt werden kan/
aber hingegen ſind der dinge auch viel/ ſo ich mit der goͤttlichen wahrheit der
ſchrifft nicht vergleichen kan. So weiß ich auch durch verſchiedene/ ſo nach
affecten zu urtheilen nicht gewohnt geweſen/ daß die leute ſelbs faſt noch ſich
nicht recht in ihrer kirche formiret haben/ oder in gewiſſer feſtigkeit ſtehen/
daher auch nicht geringer unterſcheid unter ihnen ſich finde. Wie ich auch
weiß/ daß der beruͤhmte Helmont/ ſo ſich doch zu ihnen verfuͤget/ uͤber un-
terſchiedliches geklagt/ und andere auſtalten vor noͤthig geachtet: ſonderlich
ihnen gezeiget haben ſolle/ wie ſie/ da ſie die jugend auff menſchliche art nicht
lehren/ ſondern allein des geiſtes wirckung zur lehr uͤberlaſſen wollen/ aus
derſelben an ſtatt von GOtt gelehrter Chriſten bloß unwiſſende und rohe
leute auffgezogen haͤtten. Ob aber alles/ was ihnen von andern/ ſo wider
ſie geſchrieben/ beygeleget und zugemeſſen wird/ wahr ſeye/ traue ich nicht zu
uͤbernehmen oder zu behaupten: und wie ich insgeſamt nicht gern an das
richten komme/ ſo kan auch ſo viel weniger uͤber dero geſamte lehr/ da ſie mir
in ihrem voͤlligen ſyſtemate nicht bekant/ urtheilen/ ſondern uͤberlaſſe ſie ih-
rem richter. Daß mein tractat oder predigten von der wiedergebuhrt
(die in den 2. theil der buß-predigten eingeruͤcket) nicht unangenehm gewe-
ſen/ iſt mir lieb/ und dancke GOtt vor ſeine gnade/ die auch einige andere dar-

in-
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[304/0320] Das erſte Capitel. auch von den ſaͤemaͤnnern gemeldet wird/ daß offt dero ſchuld dabey ſeye/ daß die ſaat wenig gerathet/ geſtehe und beklage ebenfalls: obwohl hinwieder aus goͤttlichem wort erweißlich ſeyn wird/ daß gleichwol an ihnen nicht alle- mal die ſchuld ſeye/ ſondern auch diejenige/ ſo alle treue anzuwenden ſich be- fleiſſen/ mit betruͤbnuͤß die wenigkeit der frucht zuweilen bejammern muͤſſen. Daß an ſtatt des alten Welgelianer-tituls nunmehr der Quacker-titul auffgekommen/ und faſt das gemeine prædicat derjenigen werden wolle/ ſo ſich der gottſeligkeit mit ernſt befleiſſen/ und dieſelbe nicht in dem euſſerlichen allein/ ſondern in dem innerlichen ſuchen wollen/ auch von den goͤttlichen wir- ckungen in der ſeelen etwas wiſſen/ iſt ſchon eine gute weil/ aber unſrer religi- on eine ſchlechte ehre/ als hielte man dieſelbe ſelbs vor ſo gar entfrembdet von aller goͤttlichen innerlichen wirckung/ daß ſo bald ſich etwas deſſen zeige/ oder davon gehoͤret werde/ ſolches nicht mehr vor gut Lutheriſch gehalten werden doͤrffe. Hingegen wo ſich die Quacker etwas zu ruͤhmen zimlichen ſchein ha- ben/ ſo moͤchten ſie dieſes argument gegen uns gebrauchen. Jhre religion aber ſelbs anlangende/ bin ich nicht in abrede/ daß ich Barclaji Confeſſion und Apologie, darinnen wohl die gruͤndlichſte nachricht davon zu finden/ nicht gantz oder nur meiſtentheils geleſen habe: was ich aber geſehen/ ſo dann auch von andern nicht eben paßionirten gemuͤthern ihrentwegen gehoͤret/ iſt ſo be- wandt/ daß ich nicht ſagen kan/ daß keine goͤttliche wahrheiten in ihrer lehr ſeyen/ wie aber auch vielleicht von keiner ſect dergleichen geſagt werden kan/ aber hingegen ſind der dinge auch viel/ ſo ich mit der goͤttlichen wahrheit der ſchrifft nicht vergleichen kan. So weiß ich auch durch verſchiedene/ ſo nach affecten zu urtheilen nicht gewohnt geweſen/ daß die leute ſelbs faſt noch ſich nicht recht in ihrer kirche formiret haben/ oder in gewiſſer feſtigkeit ſtehen/ daher auch nicht geringer unterſcheid unter ihnen ſich finde. Wie ich auch weiß/ daß der beruͤhmte Helmont/ ſo ſich doch zu ihnen verfuͤget/ uͤber un- terſchiedliches geklagt/ und andere auſtalten vor noͤthig geachtet: ſonderlich ihnen gezeiget haben ſolle/ wie ſie/ da ſie die jugend auff menſchliche art nicht lehren/ ſondern allein des geiſtes wirckung zur lehr uͤberlaſſen wollen/ aus derſelben an ſtatt von GOtt gelehrter Chriſten bloß unwiſſende und rohe leute auffgezogen haͤtten. Ob aber alles/ was ihnen von andern/ ſo wider ſie geſchrieben/ beygeleget und zugemeſſen wird/ wahr ſeye/ traue ich nicht zu uͤbernehmen oder zu behaupten: und wie ich insgeſamt nicht gern an das richten komme/ ſo kan auch ſo viel weniger uͤber dero geſamte lehr/ da ſie mir in ihrem voͤlligen ſyſtemate nicht bekant/ urtheilen/ ſondern uͤberlaſſe ſie ih- rem richter. Daß mein tractat oder predigten von der wiedergebuhrt (die in den 2. theil der buß-predigten eingeruͤcket) nicht unangenehm gewe- ſen/ iſt mir lieb/ und dancke GOtt vor ſeine gnade/ die auch einige andere dar- in-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/320>, abgerufen am 25.11.2024.