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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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sie bleiben nur auf gewisse art die regel unserer lehr/ die wir vortragen sol-
len/ und solches gleichsam aus einem vergleich und pacto unsrer vornehm-
sten kirchenglieder unter sich/ wie ihre decisiones conventionales genennet
werden. Daß ich also dieses oder jenes glaube/ vor wahr oder nicht wahr
halte/ da resolvirt sich mein glaube nicht auf die libros symbolicos, die zu dem
grunde nicht gnug wär[en]/ sondern auf die heilige schrifft/ weil was ich glaube
darinnen gelehret wird. Daß ich aber dieses zu lehren befugt bin/ habe ich
nechst der heiligen schrifft das absonderliche recht auch aus den libris symbo-
licis
in denen puncten/ darüber sie dieselbe erklähret haben.

§. XXXVIII. Wir schreiben auch 3. den libris symbolicis, wie sie da li-
gen/ keine unfehlbarkeit zu/ noch glauben/ daß sie in allen stücken eine göttli-
che vollkommenheit haben: es mögen einige allegationes seyn/ daran man
etwas desideriren könte: es werden zuweilen dicta darinnen geführet/ da
noch ob eben solche meinung/ da zu sie angezogen worden/ dem sinn des hei-
ligen Geistes solches orts gemäß seye/ zweiffel bleiben kan/ und biß daher un-
sern Theologis immer frey geblieben/ den verstand in dem text fleißiger zu un-
tersuchen: es mögen einige reden sich darinnen finden (wo von einer sache e-
ben nicht so ex professo gehandelt wird) die wohl eigentlicher und accurater
zufassen wären. Daß deswegen zuweilen uns die widersacher solche stellen
vorlegen/ wo uns zu antworten nicht allemal so gar leicht ist/ und wo man es
noch zu thun hätte/ vielleicht zuweilen etwas behutsamer reden wolte. Jns-
gesamt da wir aus der heiligen schrifft nicht nur anzunehmen verbunden sind/
was dieselbe deutlich saget/ sondern was auch durch weitere auff die emphasin
jeglichen worts sich gründende/ aber richtige/ consequentien aus derselben
fliesset/ weil nemlich der heilige Gelst als ein allwissender GOTT alle auch
noch künfftig vorstehende fragen/ streite und irrthume vorgesehen/ daher sei-
ne wort in göttlicher weißheit allemahl also eingerichtet/ daß die gründe/
woraus auff alles zu antworten/ darinnen stecken müssen/ in dem alle solche
mügliche consequentien ihm in seinem göttlichen liecht vorgestanden/ so kom-
met aber eine gleiche vollkommenheit den symbolischen büchern gleichwohl
nicht zu/ als deren verfasser das künfftige/ und was etwa aus diesem oder je-
nem wort dermahleins möchte und könte weiter folgen/ nicht vorsehen kön-
nen: dahero wir ihre wort als menschliche reden annehmen/ in dem ver-
stande/ wie sie damahl von ihnen gemeinet/ und sonderlich nach dem/
was damahl in streit gezogen/ und worauff austrücklich damahl
gesehen worden/ wir sind aber nicht verbunden/ alle die etwa aus
diesem und jenem wort mügliche weitlosere consequenzen, sonderlich in

con-

Anhang
ſie bleiben nur auf gewiſſe art die regel unſerer lehr/ die wir vortragen ſol-
len/ und ſolches gleichſam aus einem vergleich und pacto unſrer vornehm-
ſten kirchenglieder unter ſich/ wie ihre deciſiones conventionales genennet
werden. Daß ich alſo dieſes oder jenes glaube/ vor wahr oder nicht wahr
halte/ da reſolvirt ſich mein glaube nicht auf die libros ſymbolicos, die zu dem
grunde nicht gnug waͤr[en]/ ſondern auf die heilige ſchrifft/ weil was ich glaube
darinnen gelehret wird. Daß ich aber dieſes zu lehren befugt bin/ habe ich
nechſt der heiligen ſchrifft das abſonderliche recht auch aus den libris ſymbo-
licis
in denen puncten/ daruͤber ſie dieſelbe erklaͤhret haben.

§. XXXVIII. Wir ſchreiben auch 3. den libris ſymbolicis, wie ſie da li-
gen/ keine unfehlbarkeit zu/ noch glauben/ daß ſie in allen ſtuͤcken eine goͤttli-
che vollkommenheit haben: es moͤgen einige allegationes ſeyn/ daran man
etwas deſideriren koͤnte: es werden zuweilen dicta darinnen gefuͤhret/ da
noch ob eben ſolche meinung/ da zu ſie angezogen worden/ dem ſinn des hei-
ligen Geiſtes ſolches orts gemaͤß ſeye/ zweiffel bleiben kan/ und biß daher un-
ſern Theologis immer frey geblieben/ den verſtand in dem text fleißiger zu un-
terſuchen: es moͤgen einige reden ſich darinnen finden (wo von einer ſache e-
ben nicht ſo ex profeſſo gehandelt wird) die wohl eigentlicher und accurater
zufaſſen waͤren. Daß deswegen zuweilen uns die widerſacher ſolche ſtellen
vorlegen/ wo uns zu antworten nicht allemal ſo gar leicht iſt/ und wo man es
noch zu thun haͤtte/ vielleicht zuweilen etwas behutſamer reden wolte. Jns-
geſamt da wir aus der heiligen ſchrifft nicht nur anzunehmen verbunden ſind/
was dieſelbe deutlich ſaget/ ſondern was auch durch weitere auff die ἔμφασιν
jeglichen worts ſich gruͤndende/ aber richtige/ conſequentien aus derſelben
flieſſet/ weil nemlich der heilige Gelſt als ein allwiſſender GOTT alle auch
noch kuͤnfftig vorſtehende fragen/ ſtreite und irrthume vorgeſehen/ daher ſei-
ne wort in goͤttlicher weißheit allemahl alſo eingerichtet/ daß die gruͤnde/
woraus auff alles zu antworten/ darinnen ſtecken muͤſſen/ in dem alle ſolche
muͤgliche conſequentien ihm in ſeinem goͤttlichen liecht vorgeſtanden/ ſo kom-
met aber eine gleiche vollkommenheit den ſymboliſchen buͤchern gleichwohl
nicht zu/ als deren verfaſſer das kuͤnfftige/ und was etwa aus dieſem oder je-
nem wort dermahleins moͤchte und koͤnte weiter folgen/ nicht vorſehen koͤn-
nen: dahero wir ihre wort als menſchliche reden annehmen/ in dem ver-
ſtande/ wie ſie damahl von ihnen gemeinet/ und ſonderlich nach dem/
was damahl in ſtreit gezogen/ und worauff austruͤcklich damahl
geſehen worden/ wir ſind aber nicht verbunden/ alle die etwa aus
dieſem und jenem wort muͤgliche weitloſere conſequenzen, ſonderlich in

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[370/0386] Anhang ſie bleiben nur auf gewiſſe art die regel unſerer lehr/ die wir vortragen ſol- len/ und ſolches gleichſam aus einem vergleich und pacto unſrer vornehm- ſten kirchenglieder unter ſich/ wie ihre deciſiones conventionales genennet werden. Daß ich alſo dieſes oder jenes glaube/ vor wahr oder nicht wahr halte/ da reſolvirt ſich mein glaube nicht auf die libros ſymbolicos, die zu dem grunde nicht gnug waͤren/ ſondern auf die heilige ſchrifft/ weil was ich glaube darinnen gelehret wird. Daß ich aber dieſes zu lehren befugt bin/ habe ich nechſt der heiligen ſchrifft das abſonderliche recht auch aus den libris ſymbo- licis in denen puncten/ daruͤber ſie dieſelbe erklaͤhret haben. §. XXXVIII. Wir ſchreiben auch 3. den libris ſymbolicis, wie ſie da li- gen/ keine unfehlbarkeit zu/ noch glauben/ daß ſie in allen ſtuͤcken eine goͤttli- che vollkommenheit haben: es moͤgen einige allegationes ſeyn/ daran man etwas deſideriren koͤnte: es werden zuweilen dicta darinnen gefuͤhret/ da noch ob eben ſolche meinung/ da zu ſie angezogen worden/ dem ſinn des hei- ligen Geiſtes ſolches orts gemaͤß ſeye/ zweiffel bleiben kan/ und biß daher un- ſern Theologis immer frey geblieben/ den verſtand in dem text fleißiger zu un- terſuchen: es moͤgen einige reden ſich darinnen finden (wo von einer ſache e- ben nicht ſo ex profeſſo gehandelt wird) die wohl eigentlicher und accurater zufaſſen waͤren. Daß deswegen zuweilen uns die widerſacher ſolche ſtellen vorlegen/ wo uns zu antworten nicht allemal ſo gar leicht iſt/ und wo man es noch zu thun haͤtte/ vielleicht zuweilen etwas behutſamer reden wolte. Jns- geſamt da wir aus der heiligen ſchrifft nicht nur anzunehmen verbunden ſind/ was dieſelbe deutlich ſaget/ ſondern was auch durch weitere auff die ἔμφασιν jeglichen worts ſich gruͤndende/ aber richtige/ conſequentien aus derſelben flieſſet/ weil nemlich der heilige Gelſt als ein allwiſſender GOTT alle auch noch kuͤnfftig vorſtehende fragen/ ſtreite und irrthume vorgeſehen/ daher ſei- ne wort in goͤttlicher weißheit allemahl alſo eingerichtet/ daß die gruͤnde/ woraus auff alles zu antworten/ darinnen ſtecken muͤſſen/ in dem alle ſolche muͤgliche conſequentien ihm in ſeinem goͤttlichen liecht vorgeſtanden/ ſo kom- met aber eine gleiche vollkommenheit den ſymboliſchen buͤchern gleichwohl nicht zu/ als deren verfaſſer das kuͤnfftige/ und was etwa aus dieſem oder je- nem wort dermahleins moͤchte und koͤnte weiter folgen/ nicht vorſehen koͤn- nen: dahero wir ihre wort als menſchliche reden annehmen/ in dem ver- ſtande/ wie ſie damahl von ihnen gemeinet/ und ſonderlich nach dem/ was damahl in ſtreit gezogen/ und worauff austruͤcklich damahl geſehen worden/ wir ſind aber nicht verbunden/ alle die etwa aus dieſem und jenem wort muͤgliche weitloſere conſequenzen, ſonderlich in con-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/386>, abgerufen am 22.11.2024.