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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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ARTIC. I. SECTIO. XI.
mit der lieben jugend zu treiben/ gefällt mir allerdings wohl; als der ich
nicht gerne sehe/ daß man sie mit vieler auswendig-lernung weitläufftiger
Catechismus-fragen quälet/ und verdrossen macht (wie ich auch deswe-
gen was ich vor jahren heraus gegeben/ austrücklich bedungen/ daß es nicht
zum auswendig-lernen gebraucht werden solle) sondern vielmehr verlange/
daß man bey dem Catechismo Lutheri allein bleibe/ und dessen worte/ sinn
und meinung recht erklähre/ so denn mit den Biblischen sprüchen bekräfftige/
welche endlich/ wo man je etwas weiters auswendig zu lernen gedencket/
würdig sind/ in die zarte hertzen und gedächtnüß eingetruckt zu werden/ als
sonsten keine menschliche worte dagegen nicht sind. Das vornehmste aber so
dabey/ daß man ihnen auch den rechten gebrauch alles dessen/ was sie lernen/
in ihrem leben weise/ und ihnen immer zeige/ daß ohne die übung und that/
ihnen alles wissen vergebens seyn würde. Nun nach allem diesen weiß itzt
nichts weiters hinzuzusetzen/ als daß denselben versichere/ daß die gaben Got-
tes in ihm und auch seine person lieben/ auch wo ich einige freundschafft zu er-
zeigen vermöge/ dazu mich willig finden lassen/ so dann seiner vor dem ange-
sicht des HErrn treulich gedencken wolle. Wie ich denn den himmlischen Va-
ter hiemit auch demüthigst anflehe/ welcher ihn mehr und mehr mit der gna-
de seines Heiligen Geistes erleuchten/ den innern menschen in ihm zu weiterm
wachsthum befördern/ seine gaben vermehren/ zu deroselben nützl. gebrauch
immer mehr gelegenheit an hand geben/ zu der arbeit segen verleyhen/ durch
den erfolg reicher frucht ihn kräfftig trösten/ und insgesamt das gute in ihm
angefangene werck biß auff den tag JESU CHRJSTJ vollführen wolle.
1686.

SECTIO XII.
Ob ein junger mensch/ so eine zimliche zeitlang sich
der kauffmannschafft beflissen/ seinen stand ändern und
das Studium Theologicum ergreiffen möge.

AUff diese frage zu antworten/ ist zum allerfordristen zu mercken/ daß
die sache an sich selbst/ nemlich die ergreiffung des Studii Theologici
seye etwas in sich erlaubtes und löbliches/ daher simpliciter niemand
davon ausgeschlossen/ es seyen dann gewisse und besondere ursachen/
welche in einem und andern fall im weg stehen möchten/ daher nicht füglicher
zu antworten sehe/ als wo alle die ursachen removire, die einigerley massen
solten scheinen solches propositum zu hintertreiben/ wo nun solche kräfftig ab-
geleinet/ so bleibet die bejahung vor sich selbs stehen. 1. Möchte der sache

ins-
H h h 2

ARTIC. I. SECTIO. XI.
mit der lieben jugend zu treiben/ gefaͤllt mir allerdings wohl; als der ich
nicht gerne ſehe/ daß man ſie mit vieler auswendig-lernung weitlaͤufftiger
Catechiſmus-fragen quaͤlet/ und verdroſſen macht (wie ich auch deswe-
gen was ich vor jahren heraus gegeben/ austruͤcklich bedungen/ daß es nicht
zum auswendig-lernen gebraucht werden ſolle) ſondern vielmehr verlange/
daß man bey dem Catechiſmo Lutheri allein bleibe/ und deſſen worte/ ſinn
und meinung recht erklaͤhre/ ſo denn mit den Bibliſchen ſpruͤchen bekraͤfftige/
welche endlich/ wo man je etwas weiters auswendig zu lernen gedencket/
wuͤrdig ſind/ in die zarte hertzen und gedaͤchtnuͤß eingetruckt zu werden/ als
ſonſten keine menſchliche worte dagegen nicht ſind. Das vornehmſte aber ſo
dabey/ daß man ihnen auch den rechten gebrauch alles deſſen/ was ſie lernen/
in ihrem leben weiſe/ und ihnen immer zeige/ daß ohne die uͤbung und that/
ihnen alles wiſſen vergebens ſeyn wuͤrde. Nun nach allem dieſen weiß itzt
nichts weiters hinzuzuſetzen/ als daß denſelben verſichere/ daß die gaben Got-
tes in ihm und auch ſeine perſon lieben/ auch wo ich einige freundſchafft zu er-
zeigen vermoͤge/ dazu mich willig finden laſſen/ ſo dann ſeiner vor dem ange-
ſicht des HErrn treulich gedencken wolle. Wie ich denn den himmliſchen Va-
ter hiemit auch demuͤthigſt anflehe/ welcher ihn mehr und mehr mit der gna-
de ſeines Heiligen Geiſtes erleuchten/ den innern menſchen in ihm zu weiterm
wachsthum befoͤrdern/ ſeine gaben vermehren/ zu deroſelben nuͤtzl. gebrauch
immer mehr gelegenheit an hand geben/ zu der arbeit ſegen verleyhen/ durch
den erfolg reicher frucht ihn kraͤfftig troͤſten/ und insgeſamt das gute in ihm
angefangene werck biß auff den tag JESU CHRJSTJ vollfuͤhren wolle.
1686.

SECTIO XII.
Ob ein junger menſch/ ſo eine zimliche zeitlang ſich
der kauffmannſchafft befliſſen/ ſeinen ſtand aͤndern und
das Studium Theologicum ergreiffen moͤge.

AUff dieſe frage zu antworten/ iſt zum allerfordriſten zu mercken/ daß
die ſache an ſich ſelbſt/ nemlich die ergreiffung des Studii Theologici
ſeye etwas in ſich erlaubtes und loͤbliches/ daher ſimpliciter niemand
davon ausgeſchloſſen/ es ſeyen dann gewiſſe und beſondere urſachen/
welche in einem und andern fall im weg ſtehen moͤchten/ daher nicht fuͤglicher
zu antworten ſehe/ als wo alle die urſachen removire, die einigerley maſſen
ſolten ſcheinen ſolches propoſitum zu hintertreiben/ wo nun ſolche kraͤfftig ab-
geleinet/ ſo bleibet die bejahung vor ſich ſelbs ſtehen. 1. Moͤchte der ſache

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[427/0443] ARTIC. I. SECTIO. XI. mit der lieben jugend zu treiben/ gefaͤllt mir allerdings wohl; als der ich nicht gerne ſehe/ daß man ſie mit vieler auswendig-lernung weitlaͤufftiger Catechiſmus-fragen quaͤlet/ und verdroſſen macht (wie ich auch deswe- gen was ich vor jahren heraus gegeben/ austruͤcklich bedungen/ daß es nicht zum auswendig-lernen gebraucht werden ſolle) ſondern vielmehr verlange/ daß man bey dem Catechiſmo Lutheri allein bleibe/ und deſſen worte/ ſinn und meinung recht erklaͤhre/ ſo denn mit den Bibliſchen ſpruͤchen bekraͤfftige/ welche endlich/ wo man je etwas weiters auswendig zu lernen gedencket/ wuͤrdig ſind/ in die zarte hertzen und gedaͤchtnuͤß eingetruckt zu werden/ als ſonſten keine menſchliche worte dagegen nicht ſind. Das vornehmſte aber ſo dabey/ daß man ihnen auch den rechten gebrauch alles deſſen/ was ſie lernen/ in ihrem leben weiſe/ und ihnen immer zeige/ daß ohne die uͤbung und that/ ihnen alles wiſſen vergebens ſeyn wuͤrde. Nun nach allem dieſen weiß itzt nichts weiters hinzuzuſetzen/ als daß denſelben verſichere/ daß die gaben Got- tes in ihm und auch ſeine perſon lieben/ auch wo ich einige freundſchafft zu er- zeigen vermoͤge/ dazu mich willig finden laſſen/ ſo dann ſeiner vor dem ange- ſicht des HErrn treulich gedencken wolle. Wie ich denn den himmliſchen Va- ter hiemit auch demuͤthigſt anflehe/ welcher ihn mehr und mehr mit der gna- de ſeines Heiligen Geiſtes erleuchten/ den innern menſchen in ihm zu weiterm wachsthum befoͤrdern/ ſeine gaben vermehren/ zu deroſelben nuͤtzl. gebrauch immer mehr gelegenheit an hand geben/ zu der arbeit ſegen verleyhen/ durch den erfolg reicher frucht ihn kraͤfftig troͤſten/ und insgeſamt das gute in ihm angefangene werck biß auff den tag JESU CHRJSTJ vollfuͤhren wolle. 1686. SECTIO XII. Ob ein junger menſch/ ſo eine zimliche zeitlang ſich der kauffmannſchafft befliſſen/ ſeinen ſtand aͤndern und das Studium Theologicum ergreiffen moͤge. AUff dieſe frage zu antworten/ iſt zum allerfordriſten zu mercken/ daß die ſache an ſich ſelbſt/ nemlich die ergreiffung des Studii Theologici ſeye etwas in ſich erlaubtes und loͤbliches/ daher ſimpliciter niemand davon ausgeſchloſſen/ es ſeyen dann gewiſſe und beſondere urſachen/ welche in einem und andern fall im weg ſtehen moͤchten/ daher nicht fuͤglicher zu antworten ſehe/ als wo alle die urſachen removire, die einigerley maſſen ſolten ſcheinen ſolches propoſitum zu hintertreiben/ wo nun ſolche kraͤfftig ab- geleinet/ ſo bleibet die bejahung vor ſich ſelbs ſtehen. 1. Moͤchte der ſache ins- H h h 2

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/443>, abgerufen am 23.11.2024.