Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.Das andere Capitel. Christlichen einfalt und Theologischen gravität. Daher wie unsre lehr beyhohen personen nicht anders seyn darff/ oder wir ihnen einander gesetz un Eo- angelium zu predigen haben/ als den bauren/ also geziehmet sich auch unsrem nöthigen umgang mit denselben zwahr keine bäurische grobheit/ aber auch nichts/ das nach schmeicheley oder welt manier schmecket; zu welcher art ein Christlicher Theologus gar bald kommet: und versichre ich/ daß grosse HEr- ren von dergleichen Theologis selbst mehr halten/ als von denen/ die völlige höffling abgeben/ sich aber eben dardurch destomehr verächtlich machen. 4. Daher ob ich wohl bekenne/ daß so eigentlich nicht wisse/ wie weit die gelegen- heit der erbauung sich an jetziger stellen erstrecke/ vermuthe doch/ daß in angetragener stelle leicht mehr vermittels an hand habender gnädiger herr- schafft durch GOttes segen auszurichten seyn möchte. An welchem punct gleichwol meines erachtens in aller frage des beruffs am allermeisten gelegen und von demselben am gewissesten auff ja oder nein zu schliessen ist. Jndem ich es göttlicher weißheit und güte allerdings gemäß halte/ daß dieselbe bey jeden/ welchen sie einige gaben gegeben hat/ deroselben reichlichsten gebrauch intendire. Aus allem diesem bekenne/ daß ich nicht wohl anders als auff die folge bey mir incliniren kan. Dem mögen nun nicht mit nachdruck entgegen gehalten werden/ die andre vorgekommene scrupel/ dann 1. was anlangt die verpflichtung an jetzige herrschafft und vormahlen genossenes stipendium, so solle bald folgen/ wozu dasselbe allein obligire. 2. Die der jetzigen geme in- de tragende liebe/ ist auch noch nicht gnugsam anderwertlichen ruff zu hinter- ziehen; sonst hätte GOtt keine macht einen beliebten prediger iemalen zu ver- setzen. So wird sich mein werther HErr auch an solche ursach nicht zu starck binden wollen/ nachdem derselbe gestehet/ zu anderwärtiger vocation, aber in dem lande/ geneigt gewesen zu seyn. 3. Betreffend die änderung von lufft/ speiß/ tranck und dergleichen/ finde dieselbe fast gering/ indem es nicht viel meilen anträgt/ da das clima wenig differiret/ und also natürlicher weise we- nig gefahr zu besorgen ist: nebens dem/ daß wir ohne das/ wir seyn wo wir wollen/ in GOttes hand leben/ weben und sind/ der aller orten unsern odem bewahret. 4. Das anligen wegen der angehörigen (wie ohne das solche ratio- nes familiares in der sache GOttes eingeringes momentum bey mir haben) movirt mich auch nicht vieles: denn ich selbs erfahren (wie dergleichen auch göttlicher güte und wahrheit gemäß ist) daß wo man auff göttlichen geheiß von vielen guten freunden gar in weit entlegene fremde lande in glaubigem vertrauen zeucht/ der HERR HERR solcher leute/ zu denen man kommt/ hertzen also zu regieren weiß/ daß von vorhin gantz umbekannten leuten alsobald an der vorigen stelle nicht weniger freunde treten müssen/ daß man sage/ GOtt sorge für uns: wolle aber eben deswegen haben/ daß wir in dem
Das andere Capitel. Chriſtlichen einfalt und Theologiſchen gravitaͤt. Daher wie unſre lehr beyhohen perſonen nicht anders ſeyn darff/ oder wir ihnen einander geſetz un Eo- angelium zu predigen haben/ als den bauren/ alſo geziehmet ſich auch unſrem noͤthigen umgang mit denſelben zwahr keine baͤuriſche grobheit/ aber auch nichts/ das nach ſchmeicheley oder welt manier ſchmecket; zu welcher art ein Chriſtlicher Theologus gar bald kommet: und verſichre ich/ daß groſſe HEr- ren von dergleichen Theologis ſelbſt mehr halten/ als von denen/ die voͤllige hoͤffling abgeben/ ſich aber eben dardurch deſtomehr veraͤchtlich machen. 4. Daher ob ich wohl bekenne/ daß ſo eigentlich nicht wiſſe/ wie weit die gelegen- heit der erbauung ſich an jetziger ſtellen erſtrecke/ vermuthe doch/ daß in angetragener ſtelle leicht mehr vermittels an hand habender gnaͤdiger herr- ſchafft durch GOttes ſegen auszurichten ſeyn moͤchte. An welchem punct gleichwol meines erachtens in aller frage des beruffs am allermeiſten gelegen und von demſelben am gewiſſeſten auff ja oder nein zu ſchlieſſen iſt. Jndem ich es goͤttlicher weißheit und guͤte allerdings gemaͤß halte/ daß dieſelbe bey jeden/ welchen ſie einige gaben gegeben hat/ deroſelben reichlichſten gebrauch intendire. Aus allem dieſem bekenne/ daß ich nicht wohl anders als auff die folge bey mir incliniren kan. Dem moͤgen nun nicht mit nachdruck entgegen gehalten werden/ die andre vorgekommene ſcrupel/ dann 1. was anlangt die verpflichtung an jetzige herrſchafft und vormahlen genoſſenes ſtipendium, ſo ſolle bald folgen/ wozu daſſelbe allein obligire. 2. Die der jetzigen geme in- de tragende liebe/ iſt auch noch nicht gnugſam anderwertlichen ruff zu hinter- ziehen; ſonſt haͤtte GOtt keine macht einen beliebten prediger iemalen zu ver- ſetzen. So wird ſich mein werther HErr auch an ſolche urſach nicht zu ſtarck binden wollen/ nachdem derſelbe geſtehet/ zu anderwaͤrtiger vocation, aber in dem lande/ geneigt geweſen zu ſeyn. 3. Betreffend die aͤnderung von lufft/ ſpeiß/ tranck und dergleichen/ finde dieſelbe faſt gering/ indem es nicht viel meilen antraͤgt/ da das clima wenig differiret/ und alſo natuͤrlicher weiſe we- nig gefahr zu beſorgen iſt: nebens dem/ daß wir ohne das/ wir ſeyn wo wir wollen/ in GOttes hand leben/ weben und ſind/ der aller orten unſern odem bewahret. 4. Das anligen wegen der angehoͤrigen (wie ohne das ſolche ratio- nes familiares in der ſache GOttes eingeringes momentum bey mir haben) movirt mich auch nicht vieles: denn ich ſelbs erfahren (wie dergleichen auch goͤttlicher guͤte und wahrheit gemaͤß iſt) daß wo man auff goͤttlichen geheiß von vielen guten freunden gar in weit entlegene fremde lande in glaubigem vertrauen zeucht/ der HERR HERR ſolcher leute/ zu denen man kom̃t/ hertzen alſo zu regieren weiß/ daß von vorhin gantz umbekannten leuten alſobald an der vorigen ſtelle nicht weniger freunde treten muͤſſen/ daß man ſage/ GOtt ſorge fuͤr uns: wolle aber eben deswegen haben/ daß wir in dem
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Das andere Capitel.
Chriſtlichen einfalt und Theologiſchen gravitaͤt. Daher wie unſre lehr bey
hohen perſonen nicht anders ſeyn darff/ oder wir ihnen einander geſetz un Eo-
angelium zu predigen haben/ als den bauren/ alſo geziehmet ſich auch unſrem
noͤthigen umgang mit denſelben zwahr keine baͤuriſche grobheit/ aber auch
nichts/ das nach ſchmeicheley oder welt manier ſchmecket; zu welcher art ein
Chriſtlicher Theologus gar bald kommet: und verſichre ich/ daß groſſe HEr-
ren von dergleichen Theologis ſelbſt mehr halten/ als von denen/ die voͤllige
hoͤffling abgeben/ ſich aber eben dardurch deſtomehr veraͤchtlich machen. 4.
Daher ob ich wohl bekenne/ daß ſo eigentlich nicht wiſſe/ wie weit die gelegen-
heit der erbauung ſich an jetziger ſtellen erſtrecke/ vermuthe doch/ daß in
angetragener ſtelle leicht mehr vermittels an hand habender gnaͤdiger herr-
ſchafft durch GOttes ſegen auszurichten ſeyn moͤchte. An welchem punct
gleichwol meines erachtens in aller frage des beruffs am allermeiſten gelegen
und von demſelben am gewiſſeſten auff ja oder nein zu ſchlieſſen iſt. Jndem
ich es goͤttlicher weißheit und guͤte allerdings gemaͤß halte/ daß dieſelbe bey
jeden/ welchen ſie einige gaben gegeben hat/ deroſelben reichlichſten gebrauch
intendire. Aus allem dieſem bekenne/ daß ich nicht wohl anders als auff die
folge bey mir incliniren kan. Dem moͤgen nun nicht mit nachdruck entgegen
gehalten werden/ die andre vorgekommene ſcrupel/ dann 1. was anlangt die
verpflichtung an jetzige herrſchafft und vormahlen genoſſenes ſtipendium,
ſo ſolle bald folgen/ wozu daſſelbe allein obligire. 2. Die der jetzigen geme in-
de tragende liebe/ iſt auch noch nicht gnugſam anderwertlichen ruff zu hinter-
ziehen; ſonſt haͤtte GOtt keine macht einen beliebten prediger iemalen zu ver-
ſetzen. So wird ſich mein werther HErr auch an ſolche urſach nicht zu ſtarck
binden wollen/ nachdem derſelbe geſtehet/ zu anderwaͤrtiger vocation, aber
in dem lande/ geneigt geweſen zu ſeyn. 3. Betreffend die aͤnderung von lufft/
ſpeiß/ tranck und dergleichen/ finde dieſelbe faſt gering/ indem es nicht viel
meilen antraͤgt/ da das clima wenig differiret/ und alſo natuͤrlicher weiſe we-
nig gefahr zu beſorgen iſt: nebens dem/ daß wir ohne das/ wir ſeyn wo wir
wollen/ in GOttes hand leben/ weben und ſind/ der aller orten unſern odem
bewahret. 4. Das anligen wegen der angehoͤrigen (wie ohne das ſolche ratio-
nes familiares in der ſache GOttes eingeringes momentum bey mir haben)
movirt mich auch nicht vieles: denn ich ſelbs erfahren (wie dergleichen auch
goͤttlicher guͤte und wahrheit gemaͤß iſt) daß wo man auff goͤttlichen geheiß
von vielen guten freunden gar in weit entlegene fremde lande in glaubigem
vertrauen zeucht/ der HERR HERR ſolcher leute/ zu denen man
kom̃t/ hertzen alſo zu regieren weiß/ daß von vorhin gantz umbekannten leuten
alſobald an der vorigen ſtelle nicht weniger freunde treten muͤſſen/ daß
man ſage/ GOtt ſorge fuͤr uns: wolle aber eben deswegen haben/ daß wir in
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