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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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SECTIO XI.
latae in scriptura sacra, non oritur ex illis motivis consideratis, sed suam habet
originem immediate a vi atque potestate scripturae sacrae seu Sp. Sancti in sa-
cris literis dominantis. 2. illa tamen motiva infidelibus docilibus proposi-
ta eousque perducere possunt eosdem, ut magna quadam animi persuasione
bene de libris s. scripturarum ominari debeant, adeoque ad earum perceptio-
nem haud gravatim progredi, & sanctissimos illos sensus meditari penitius,
unde sese efficacia divinarum literarum prodet apud non malitiose repu-
gnantes, & fidem divinam de divinitate etiam sacrarum literarum gignet.
3. Illa motiva non pariunt tantum certitudinem aliquam conjecturalem, sed
altioris ordinis, moralem nimirum, eamque perfectissimi ordinis.
Wel-
che wort ich also bewandt halte/ daß sie die gantze sache stattlich erklähren. Al-
so 3. achte ich/ es komme auff diese ordnung. Der mensch mag erstlich aus
der vernunfft überzeuget werden/ daß nothwendig ein höchstes wesen seyn
müsse/ welches alles erschaffen habe und noch regiere/ und zwahr/ daß es je-
des wesen so regiere/ wie es seiner natur/ die es ihm gegeben hat/ am gemässe-
sten seye/ da denn einer vernünfftigen creatur/ und also einer seele/ die un-
sterblich ist/ allerdings gemäß ist/ daß sie ihren schöpffer und das höchste we-
sen erkenne/ und in desselben genuß ihr wohlseyn finde; daher es der güte und
weißheit desselben auch ferner allerdings zukommet/ die mittel zu verschaf-
fen/ daß solche vernünfftige creatur zu diesem ihrem zweck gelangen könne/
und welches darzu nöthig ist/ sich ihr nothdürfftig offenbahre. Diese offen-
bahrung findet sich nun nicht in der natur/ wie ein jeder bey sich selbs gewahr
wird/ daß er mit allem nachsinnen aus seiner vernunfft zu einiger gemein-
schafft und genuß GOttes nicht zu kommen vermag: also muß eine andere
art der offenbahrung seyn/ da GOtt entweder allen menschen sich unmittel-
bahr kund gebe/ oder doch etlichen sich und seinen willen/ wie man zu ihm
kommen könte/ offenbahre/ durch die es nachmahlen auch andern kund wer-
den möchte. Daß das erste nicht geschehe/ zeiget die erfahrung zur gnüge/
also bleibet noch das andere allein nothwendig; wird auch durch den fast allge-
meinen consens der gantzen welt bekräfftiget/ indem bey allen völckern sich die
religionen auff gewisse offenbahrungen bezogen haben. Da kommts denn
auff die frage an/ welche unter allen religionen/ die Heidnische/ Türckische/
Jüdische oder Christliche
(unter welchen zwahr der dritten wahre gründe
auch der vierdten zu statten kommen) die rechte/ und die revelation, worauff
sich jede bezeugt/ die vor andern gewisseste seye/ da ich nicht zweifele/ wer nur
unpartheyisch davon urtheilen will/ der werde bey der letzten vor den an-
dern/ und bey der Bibel auch einen grossen vorzug vor andern vorgegebenen
offenbahrungen/ zuseyn bekennen müssen. Dieses führe ich abermahl nicht
an/ als wenn dadurch bereits der glaube zuwege gebracht werden könte/ son-

dern
F

SECTIO XI.
latæ in ſcriptura ſacra, non oritur ex illis motivis conſideratis, ſed ſuam habet
originem immediatè à vi atque poteſtate ſcripturæ ſacræ ſeu Sp. Sancti in ſa-
cris literis dominantis. 2. illa tamen motiva infidelibus docilibus propoſi-
ta eousque perducere poſſunt eosdem, ut magna quadam animi perſuaſione
bene de libris ſ. ſcripturarum ominari debeant, adeoque ad earum perceptio-
nem haud gravatim progredi, & ſanctiſſimos illos ſenſus meditari penitius,
unde ſeſe efficacia divinarum literarum prodet apud non malitiosè repu-
gnantes, & fidem divinam de divinitate etiam ſacrarum literarum gignet.
3. Illa motiva non pariunt tantum certitudinem aliquam conjecturalem, ſed
altioris ordinis, moralem nimirum, eamque perfectiſſimi ordinis.
Wel-
che wort ich alſo bewandt halte/ daß ſie die gantze ſache ſtattlich erklaͤhren. Al-
ſo 3. achte ich/ es komme auff dieſe ordnung. Der menſch mag erſtlich aus
der vernunfft uͤberzeuget werden/ daß nothwendig ein hoͤchſtes weſen ſeyn
muͤſſe/ welches alles erſchaffen habe und noch regiere/ und zwahr/ daß es je-
des weſen ſo regiere/ wie es ſeiner natur/ die es ihm gegeben hat/ am gemaͤſſe-
ſten ſeye/ da denn einer vernuͤnfftigen creatur/ und alſo einer ſeele/ die un-
ſterblich iſt/ allerdings gemaͤß iſt/ daß ſie ihren ſchoͤpffer und das hoͤchſte we-
ſen erkenne/ und in deſſelben genuß ihr wohlſeyn finde; daher es der guͤte und
weißheit deſſelben auch ferner allerdings zukommet/ die mittel zu verſchaf-
fen/ daß ſolche vernuͤnfftige creatur zu dieſem ihrem zweck gelangen koͤnne/
und welches darzu noͤthig iſt/ ſich ihr nothduͤrfftig offenbahre. Dieſe offen-
bahrung findet ſich nun nicht in der natur/ wie ein jeder bey ſich ſelbs gewahr
wird/ daß er mit allem nachſinnen aus ſeiner vernunfft zu einiger gemein-
ſchafft und genuß GOttes nicht zu kommen vermag: alſo muß eine andere
art der offenbahrung ſeyn/ da GOtt entweder allen menſchen ſich unmittel-
bahr kund gebe/ oder doch etlichen ſich und ſeinen willen/ wie man zu ihm
kommen koͤnte/ offenbahre/ durch die es nachmahlen auch andern kund wer-
den moͤchte. Daß das erſte nicht geſchehe/ zeiget die erfahrung zur gnuͤge/
alſo bleibet noch das andeꝛe allein nothwendig; wiꝛd auch duꝛch den faſt allge-
meinen conſens der gantzen welt bekraͤfftiget/ indem bey allen voͤlckern ſich die
religionen auff gewiſſe offenbahrungen bezogen haben. Da kommts denn
auff die frage an/ welche unter allen religionen/ die Heidniſche/ Tuͤrckiſche/
Juͤdiſche oder Chriſtliche
(unter welchen zwahr der dritten wahre gruͤnde
auch der vierdten zu ſtatten kommen) die rechte/ und die revelation, worauff
ſich jede bezeugt/ die vor andern gewiſſeſte ſeye/ da ich nicht zweifele/ wer nur
unpartheyiſch davon urtheilen will/ der werde bey der letzten vor den an-
dern/ und bey der Bibel auch einen groſſen vorzug vor andern vorgegebenen
offenbahrungen/ zuſeyn bekennen muͤſſen. Dieſes fuͤhre ich abermahl nicht
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[41/0057] SECTIO XI. latæ in ſcriptura ſacra, non oritur ex illis motivis conſideratis, ſed ſuam habet originem immediatè à vi atque poteſtate ſcripturæ ſacræ ſeu Sp. Sancti in ſa- cris literis dominantis. 2. illa tamen motiva infidelibus docilibus propoſi- ta eousque perducere poſſunt eosdem, ut magna quadam animi perſuaſione bene de libris ſ. ſcripturarum ominari debeant, adeoque ad earum perceptio- nem haud gravatim progredi, & ſanctiſſimos illos ſenſus meditari penitius, unde ſeſe efficacia divinarum literarum prodet apud non malitiosè repu- gnantes, & fidem divinam de divinitate etiam ſacrarum literarum gignet. 3. Illa motiva non pariunt tantum certitudinem aliquam conjecturalem, ſed altioris ordinis, moralem nimirum, eamque perfectiſſimi ordinis. Wel- che wort ich alſo bewandt halte/ daß ſie die gantze ſache ſtattlich erklaͤhren. Al- ſo 3. achte ich/ es komme auff dieſe ordnung. Der menſch mag erſtlich aus der vernunfft uͤberzeuget werden/ daß nothwendig ein hoͤchſtes weſen ſeyn muͤſſe/ welches alles erſchaffen habe und noch regiere/ und zwahr/ daß es je- des weſen ſo regiere/ wie es ſeiner natur/ die es ihm gegeben hat/ am gemaͤſſe- ſten ſeye/ da denn einer vernuͤnfftigen creatur/ und alſo einer ſeele/ die un- ſterblich iſt/ allerdings gemaͤß iſt/ daß ſie ihren ſchoͤpffer und das hoͤchſte we- ſen erkenne/ und in deſſelben genuß ihr wohlſeyn finde; daher es der guͤte und weißheit deſſelben auch ferner allerdings zukommet/ die mittel zu verſchaf- fen/ daß ſolche vernuͤnfftige creatur zu dieſem ihrem zweck gelangen koͤnne/ und welches darzu noͤthig iſt/ ſich ihr nothduͤrfftig offenbahre. Dieſe offen- bahrung findet ſich nun nicht in der natur/ wie ein jeder bey ſich ſelbs gewahr wird/ daß er mit allem nachſinnen aus ſeiner vernunfft zu einiger gemein- ſchafft und genuß GOttes nicht zu kommen vermag: alſo muß eine andere art der offenbahrung ſeyn/ da GOtt entweder allen menſchen ſich unmittel- bahr kund gebe/ oder doch etlichen ſich und ſeinen willen/ wie man zu ihm kommen koͤnte/ offenbahre/ durch die es nachmahlen auch andern kund wer- den moͤchte. Daß das erſte nicht geſchehe/ zeiget die erfahrung zur gnuͤge/ alſo bleibet noch das andeꝛe allein nothwendig; wiꝛd auch duꝛch den faſt allge- meinen conſens der gantzen welt bekraͤfftiget/ indem bey allen voͤlckern ſich die religionen auff gewiſſe offenbahrungen bezogen haben. Da kommts denn auff die frage an/ welche unter allen religionen/ die Heidniſche/ Tuͤrckiſche/ Juͤdiſche oder Chriſtliche (unter welchen zwahr der dritten wahre gruͤnde auch der vierdten zu ſtatten kommen) die rechte/ und die revelation, worauff ſich jede bezeugt/ die vor andern gewiſſeſte ſeye/ da ich nicht zweifele/ wer nur unpartheyiſch davon urtheilen will/ der werde bey der letzten vor den an- dern/ und bey der Bibel auch einen groſſen vorzug vor andern vorgegebenen offenbahrungen/ zuſeyn bekennen muͤſſen. Dieſes fuͤhre ich abermahl nicht an/ als wenn dadurch bereits der glaube zuwege gebracht werden koͤnte/ ſon- dern F

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/57>, abgerufen am 24.11.2024.