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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das andere Capitel.

2. Wird gefragt: Ob eine solche sublevation ohne eigentlich in bekan-
ter form gegebene vocation auff anmuthung der Superiorum und der ge-
meinde anzunehmen oder vorzuschlagen seye. Hierauff zu antworten blei-
be bey dem ersten/ dann ichs vor ein liebes-werck halte/ dessen gelegenheit/ da
nicht anderwertlich/ wie ich aus dem überschriebenen sehe/ mehr versäumnüß
zu sorgen/ nicht zu versäumen wäre. So wäre auch eine eigentliche solenne
vocation
in solchem casu nicht nöthig/ sondern ist alles nur ein interims-
werck/ wobey der obern gutbefinden einem einigen die macht eines steten sub-
levanten
geben kan/ wie sie sonsten solche last ihrer mehrern bey der vacanz
und kranckheit eines predigers ohne viele solennitäten auffträget. Hieran
hat also das gewissen gnug. Jndem es an dem beruff nicht selbs/ sondern al-
lein gleichsam an einigen formalitäten mangelte/ hingegen der Consens des
Superintendenten, des Emeriti, des Collatoris und der gemeinde/ und also
der gesamten stände vorhanden wäre. Was aber den vergleich anlangt/ wenn
wegen des zeitlichen etwas verordnet ist/ bedarff wohl derselbe die bekräffti-
gung aus dem ober-Consistorio, damit dessen valor von den jenigen/ die nicht
daran gehalten seyn wolten/ nicht umgestossen werden könte. Wo aber die-
ses nicht zu sorgen/ oder der sicherheit anders prospiciret werden kan/ meine
nicht/ daß eine Confirmation nöthig.

3. Die dritte frage hält fast nicht so wol eine neue frage/ als nur neue
rationes dubitandi auff beyde seiten in sich. Da ich aber die jenige rationes
vor kräfftiger halte/ welche die sublevation einrathen. Denn 1. sehe ich an
den Consensum aller derer/ welche in solchem interims-werck zu rath zu zie-
hen/ oder dero willen anzusehen wäre. Und zwahr 2. kan ich nicht anders
sehen/ als daß derselben aller (worunter vielleicht allein an den Emerito einiger
zweiffel und sorge seyn könte/ daß seine absicht etwas fleischliches in sich habe)
absicht auf geliebten bruder Christl. seye/ als die bloß auf die in ihn von Gott
gelegte treue und gaben/ und daher verhoffte erbauung gerichtet sind/ daher
göttlicher leitung am sichersten zugeschrieben werden mögen. 3. Jst auch die
gelegenheit nicht zu verachten/ da derselbe ohne versäumnüß einer gemeinde
jetzo bey der andern frucht schaffen könte/ und also in dem fall derselbe künff-
tig nicht solte zur änderung sich resolviren/ auffs wenigste ein besser funda-
ment
bey derselben legen/ auff welches der andere/ so darnach käme/ mit mehr
nutzen bauete. 4. Bestärcket sich auch solche hoffnung dadurch/ weil jene ge-
meine ein verlangen nach ihm hat/ bey welcherley gemüthern/ wegen des ver-
trauens/ immer mehr ausgerichtet werden kan. Sonderlich aber 5. beweget
mich die oben bereits berührte ursach: nemlich weil derselbe wohl vorsihet/
daß in dem fall der folgenden vacanz auff ihn die gedancken wegen der nach-
folge werden gerichtet werden/ da alsdenn in der forcht des HErrn eine reso-
lution
auff ein oder andre seite wird müssen gefasset werden/ daß ich dieses vor

eine
Das andere Capitel.

2. Wird gefragt: Ob eine ſolche ſublevation ohne eigentlich in bekan-
ter form gegebene vocation auff anmuthung der Superiorum und der ge-
meinde anzunehmen oder vorzuſchlagen ſeye. Hierauff zu antworten blei-
be bey dem erſten/ dann ichs vor ein liebes-werck halte/ deſſen gelegenheit/ da
nicht anderwertlich/ wie ich aus dem uͤberſchriebenen ſehe/ mehr verſaͤumnuͤß
zu ſorgen/ nicht zu verſaͤumen waͤre. So waͤre auch eine eigentliche ſolenne
vocation
in ſolchem caſu nicht noͤthig/ ſondern iſt alles nur ein interims-
werck/ wobey der obern gutbefinden einem einigen die macht eines ſteten ſub-
levanten
geben kan/ wie ſie ſonſten ſolche laſt ihrer mehrern bey der vacanz
und kranckheit eines predigers ohne viele ſolennitaͤten aufftraͤget. Hieran
hat alſo das gewiſſen gnug. Jndem es an dem beruff nicht ſelbs/ ſondern al-
lein gleichſam an einigen formalitaͤten mangelte/ hingegen der Conſens des
Superintendenten, des Emeriti, des Collatoris und der gemeinde/ und alſo
der geſamten ſtaͤnde vorhanden waͤre. Was aber den vergleich anlangt/ wenn
wegen des zeitlichen etwas verordnet iſt/ bedarff wohl derſelbe die bekraͤffti-
gung aus dem ober-Conſiſtorio, damit deſſen valor von den jenigen/ die nicht
daran gehalten ſeyn wolten/ nicht umgeſtoſſen werden koͤnte. Wo aber die-
ſes nicht zu ſorgen/ oder der ſicherheit anders proſpiciret werden kan/ meine
nicht/ daß eine Confirmation noͤthig.

3. Die dritte frage haͤlt faſt nicht ſo wol eine neue frage/ als nur neue
rationes dubitandi auff beyde ſeiten in ſich. Da ich aber die jenige rationes
vor kraͤfftiger halte/ welche die ſublevation einrathen. Denn 1. ſehe ich an
den Conſenſum aller derer/ welche in ſolchem interims-werck zu rath zu zie-
hen/ oder dero willen anzuſehen waͤre. Und zwahr 2. kan ich nicht anders
ſehen/ als daß derſelben aller (worunter vielleicht allein an dẽ Emerito einiger
zweiffel und ſorge ſeyn koͤnte/ daß ſeine abſicht etwas fleiſchliches in ſich habe)
abſicht auf geliebten bruder Chriſtl. ſeye/ als die bloß auf die in ihn von Gott
gelegte treue und gaben/ und daher verhoffte erbauung gerichtet ſind/ daher
goͤttlicher leitung am ſicherſten zugeſchrieben werden moͤgen. 3. Jſt auch die
gelegenheit nicht zu verachten/ da derſelbe ohne verſaͤumnuͤß einer gemeinde
jetzo bey der andern frucht ſchaffen koͤnte/ und alſo in dem fall derſelbe kuͤnff-
tig nicht ſolte zur aͤnderung ſich reſolviren/ auffs wenigſte ein beſſer funda-
ment
bey derſelben legen/ auff welches der andere/ ſo darnach kaͤme/ mit mehr
nutzen bauete. 4. Beſtaͤrcket ſich auch ſolche hoffnung dadurch/ weil jene ge-
meine ein verlangen nach ihm hat/ bey welcherley gemuͤthern/ wegen des ver-
trauens/ immer mehr ausgerichtet werden kan. Sonderlich aber 5. beweget
mich die oben bereits beruͤhrte urſach: nemlich weil derſelbe wohl vorſihet/
daß in dem fall der folgenden vacanz auff ihn die gedancken wegen der nach-
folge werden gerichtet werden/ da alsdenn in der forcht des HErrn eine reſo-
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[556/0572] Das andere Capitel. 2. Wird gefragt: Ob eine ſolche ſublevation ohne eigentlich in bekan- ter form gegebene vocation auff anmuthung der Superiorum und der ge- meinde anzunehmen oder vorzuſchlagen ſeye. Hierauff zu antworten blei- be bey dem erſten/ dann ichs vor ein liebes-werck halte/ deſſen gelegenheit/ da nicht anderwertlich/ wie ich aus dem uͤberſchriebenen ſehe/ mehr verſaͤumnuͤß zu ſorgen/ nicht zu verſaͤumen waͤre. So waͤre auch eine eigentliche ſolenne vocation in ſolchem caſu nicht noͤthig/ ſondern iſt alles nur ein interims- werck/ wobey der obern gutbefinden einem einigen die macht eines ſteten ſub- levanten geben kan/ wie ſie ſonſten ſolche laſt ihrer mehrern bey der vacanz und kranckheit eines predigers ohne viele ſolennitaͤten aufftraͤget. Hieran hat alſo das gewiſſen gnug. Jndem es an dem beruff nicht ſelbs/ ſondern al- lein gleichſam an einigen formalitaͤten mangelte/ hingegen der Conſens des Superintendenten, des Emeriti, des Collatoris und der gemeinde/ und alſo der geſamten ſtaͤnde vorhanden waͤre. Was aber den vergleich anlangt/ wenn wegen des zeitlichen etwas verordnet iſt/ bedarff wohl derſelbe die bekraͤffti- gung aus dem ober-Conſiſtorio, damit deſſen valor von den jenigen/ die nicht daran gehalten ſeyn wolten/ nicht umgeſtoſſen werden koͤnte. Wo aber die- ſes nicht zu ſorgen/ oder der ſicherheit anders proſpiciret werden kan/ meine nicht/ daß eine Confirmation noͤthig. 3. Die dritte frage haͤlt faſt nicht ſo wol eine neue frage/ als nur neue rationes dubitandi auff beyde ſeiten in ſich. Da ich aber die jenige rationes vor kraͤfftiger halte/ welche die ſublevation einrathen. Denn 1. ſehe ich an den Conſenſum aller derer/ welche in ſolchem interims-werck zu rath zu zie- hen/ oder dero willen anzuſehen waͤre. Und zwahr 2. kan ich nicht anders ſehen/ als daß derſelben aller (worunter vielleicht allein an dẽ Emerito einiger zweiffel und ſorge ſeyn koͤnte/ daß ſeine abſicht etwas fleiſchliches in ſich habe) abſicht auf geliebten bruder Chriſtl. ſeye/ als die bloß auf die in ihn von Gott gelegte treue und gaben/ und daher verhoffte erbauung gerichtet ſind/ daher goͤttlicher leitung am ſicherſten zugeſchrieben werden moͤgen. 3. Jſt auch die gelegenheit nicht zu verachten/ da derſelbe ohne verſaͤumnuͤß einer gemeinde jetzo bey der andern frucht ſchaffen koͤnte/ und alſo in dem fall derſelbe kuͤnff- tig nicht ſolte zur aͤnderung ſich reſolviren/ auffs wenigſte ein beſſer funda- ment bey derſelben legen/ auff welches der andere/ ſo darnach kaͤme/ mit mehr nutzen bauete. 4. Beſtaͤrcket ſich auch ſolche hoffnung dadurch/ weil jene ge- meine ein verlangen nach ihm hat/ bey welcherley gemuͤthern/ wegen des ver- trauens/ immer mehr ausgerichtet werden kan. Sonderlich aber 5. beweget mich die oben bereits beruͤhrte urſach: nemlich weil derſelbe wohl vorſihet/ daß in dem fall der folgenden vacanz auff ihn die gedancken wegen der nach- folge werden gerichtet werden/ da alsdenn in der forcht des HErrn eine reſo- lution auff ein oder andre ſeite wird muͤſſen gefaſſet werden/ daß ich dieſes vor eine

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 556. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/572>, abgerufen am 22.11.2024.