Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.ARTIC. II. SECTIO XX. eine von Gott sonderl. geschickte bequeme gelegenheit ansehe/ daß er jene gemein-de eine zeitlang innerlicher kennen lerne/ und wahrnehme/ wie sie sich in den wil- len Gottes schicken wollen oder nicht/ aus welchem den der entschluß mit so viel unzweifl. versicherung des gewissens kan gefasset werden. Die gegenstehende rationes sind mir nicht wichtig gnug/ denn so viel ich abnehme/ stehet allein im weg/ daß viel treue und fleiß durch mehrere bemühung seiner itzigen ge- meinde würde entzogen/ und aufs wenigste zuweilen eine verzögerung und ab- brechung der verrichtungen bey derselben verursachet werden. Aber was das erste anlangt/ bekenne/ daß es nicht gnugsam begreiffe/ in dem ich davor halte/ bey solchem auch neu dazu geschlagenen amt würde wol so viel zeit ü- brig bleiben/ alles das jenige mit gnugsamer treue und fleiß an seiner gemein- de noch zu thun/ so viel unsre itzige zeit und art des amts mit sich bringet: als welches doch leider nunmehr dahin gekommen/ daß welcher auch bey einer kleinen gemeinde wohnet/ nicht vielmehr mit zuhörern um zugehen gelegen- heit hat/ als was die öffentliche amts verrichtungen und bey gewissen fällen veranlasste geistliche bedienungen anlanget: da hingegen der mehrere privat- umgang und gesuchte erbauung bey seinen zuhörern/ so zwahr so nützlich als nöthig wäre/ fast gantz in abgang gekommen/ ja gar bey leuten auf dem lande wegen dero aneinander hangenden arbeit fast unmöglich scheinen will/ ohne was etwa noch an sonn- und feyertagen dazu vor gelegenheit gefunden wer- den möchte. Was also die verrichtungen anlangt/ dabey wir fast itzo noch bleiben müssen/ halte gedachter massen davor/ daß zu denselbigen bey beyden gemeinden noch zeit gnug sich finden solte/ auffs wenigste höre ich von predi- gern/ die gar viel mehrere seelen und auch ort unter ihrer sorge haben/ als die- se beyde gemeinden zusammen ausmachen könten/ die dannoch glauben/ daß sie ihrem amt ein gnüge thun/ wiewol ich auch nicht leugne/ daß ich derglei- chen mehr mit seuffzen anzusehen pflege/ als damit wol zu frieden bin/ und glaube/ daß wir alle an unsern gemeinden mehr thun und thun können solten/ als leider jetzo geschihet. Ja ich wolte dafür halten/ daß was geliebter bruder auch noch mit privat zusprüchen an jungen und alten seinem gewissen nach bey gegenwärtiger bewandtnüß zu thun hat/ dazu des sontags nach beyderseits öffentlichem verrichtetem gottesdienst noch einige stunden übrig seyn würden. Was denn anlanget die verzögerung und jeweilige abbrechung des gottes- dienstes bey den seinigen/ sehe ichs vor keine hindernüß von solcher wichtigkeit an/ in dem es den leuten eine geringe beschwerde und unbequemlichkeit ist/ dadurch ihnen aber an ihrer geistlichen wahren nothdurfft nichts eigentlich abgehet/ und hingegen die liebe sie verbindet/ solche gern zu übernehmen/ da ihre mitbrüder in der andern gemeinde davon so viel nutzen hoffen mögen. Was nun 4. die künfftige succession auf jenes amt anlangt/ hielte da- vor A a a a 3
ARTIC. II. SECTIO XX. eine von Gott ſonderl. geſchickte bequeme gelegẽheit anſehe/ daß eꝛ jene gemein-de eine zeitlang iñerlicher kennen lerne/ uñ wahrnehme/ wie ſie ſich in den wil- len Gottes ſchicken wollen oder nicht/ aus welchem den der entſchluß mit ſo viel unzweifl. verſicherung des gewiſſens kan gefaſſet werden. Die gegenſtehende rationes ſind mir nicht wichtig gnug/ denn ſo viel ich abnehme/ ſtehet allein im weg/ daß viel treue und fleiß durch mehrere bemuͤhung ſeiner itzigen ge- meinde wuͤrde entzogen/ und aufs wenigſte zuweilen eine veꝛzoͤgeꝛung und ab- brechung der verrichtungen bey derſelben verurſachet werden. Aber was das erſte anlangt/ bekenne/ daß es nicht gnugſam begreiffe/ in dem ich davor halte/ bey ſolchem auch neu dazu geſchlagenen amt wuͤrde wol ſo viel zeit uͤ- brig bleiben/ alles das jenige mit gnugſamer treue und fleiß an ſeiner gemein- de noch zu thun/ ſo viel unſre itzige zeit und art des amts mit ſich bringet: als welches doch leider nunmehr dahin gekommen/ daß welcher auch bey einer kleinen gemeinde wohnet/ nicht vielmehr mit zuhoͤrern um zugehen gelegen- heit hat/ als was die oͤffentliche amts verrichtungen und bey gewiſſen faͤllen veranlaſſte geiſtliche bedienungen anlanget: da hingegen der mehrere privat- umgang und geſuchte erbauung bey ſeinen zuhoͤrern/ ſo zwahr ſo nuͤtzlich als noͤthig waͤre/ faſt gantz in abgang gekommen/ ja gar bey leuten auf dem lande wegen dero aneinander hangenden arbeit faſt unmoͤglich ſcheinen will/ ohne was etwa noch an ſonn- und feyertagen dazu vor gelegenheit gefunden wer- den moͤchte. Was alſo die verrichtungen anlangt/ dabey wir faſt itzo noch bleiben muͤſſen/ halte gedachter maſſen davor/ daß zu denſelbigen bey beyden gemeinden noch zeit gnug ſich finden ſolte/ auffs wenigſte hoͤre ich von predi- gern/ die gar viel mehrere ſeelen und auch ort unter ihrer ſorge haben/ als die- ſe beyde gemeinden zuſammen ausmachen koͤnten/ die dannoch glauben/ daß ſie ihrem amt ein gnuͤge thun/ wiewol ich auch nicht leugne/ daß ich derglei- chen mehr mit ſeuffzen anzuſehen pflege/ als damit wol zu frieden bin/ und glaube/ daß wir alle an unſern gemeinden mehr thun und thun koͤnnen ſolten/ als leider jetzo geſchihet. Ja ich wolte dafuͤr halten/ daß was geliebter bruder auch noch mit privat zuſpruͤchen an jungen und alten ſeinem gewiſſen nach bey gegenwaͤrtiger bewandtnuͤß zu thun hat/ dazu des ſontags nach beyderſeits oͤffentlichem verrichtetem gottesdienſt noch einige ſtunden uͤbrig ſeyn wuͤrden. Was denn anlanget die verzoͤgerung und jeweilige abbrechung des gottes- dienſtes bey den ſeinigen/ ſehe ichs vor keine hindernuͤß von ſolcheꝛ wichtigkeit an/ in dem es den leuten eine geringe beſchwerde und unbequemlichkeit iſt/ dadurch ihnen aber an ihrer geiſtlichen wahren nothdurfft nichts eigentlich abgehet/ und hingegen die liebe ſie verbindet/ ſolche gern zu uͤbernehmen/ da ihre mitbruͤder in der andern gemeinde davon ſo viel nutzen hoffen moͤgen. Was nun 4. die kuͤnfftige ſucceſſion auf jenes amt anlangt/ hielte da- vor A a a a 3
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ARTIC. II. SECTIO XX.
eine von Gott ſonderl. geſchickte bequeme gelegẽheit anſehe/ daß eꝛ jene gemein-
de eine zeitlang iñerlicher kennen lerne/ uñ wahrnehme/ wie ſie ſich in den wil-
len Gottes ſchicken wollen oder nicht/ aus welchem den der entſchluß mit ſo viel
unzweifl. verſicherung des gewiſſens kan gefaſſet werden. Die gegenſtehende
rationes ſind mir nicht wichtig gnug/ denn ſo viel ich abnehme/ ſtehet allein
im weg/ daß viel treue und fleiß durch mehrere bemuͤhung ſeiner itzigen ge-
meinde wuͤrde entzogen/ und aufs wenigſte zuweilen eine veꝛzoͤgeꝛung und ab-
brechung der verrichtungen bey derſelben verurſachet werden. Aber was
das erſte anlangt/ bekenne/ daß es nicht gnugſam begreiffe/ in dem ich davor
halte/ bey ſolchem auch neu dazu geſchlagenen amt wuͤrde wol ſo viel zeit uͤ-
brig bleiben/ alles das jenige mit gnugſamer treue und fleiß an ſeiner gemein-
de noch zu thun/ ſo viel unſre itzige zeit und art des amts mit ſich bringet: als
welches doch leider nunmehr dahin gekommen/ daß welcher auch bey einer
kleinen gemeinde wohnet/ nicht vielmehr mit zuhoͤrern um zugehen gelegen-
heit hat/ als was die oͤffentliche amts verrichtungen und bey gewiſſen faͤllen
veranlaſſte geiſtliche bedienungen anlanget: da hingegen der mehrere privat-
umgang und geſuchte erbauung bey ſeinen zuhoͤrern/ ſo zwahr ſo nuͤtzlich als
noͤthig waͤre/ faſt gantz in abgang gekommen/ ja gar bey leuten auf dem lande
wegen dero aneinander hangenden arbeit faſt unmoͤglich ſcheinen will/ ohne
was etwa noch an ſonn- und feyertagen dazu vor gelegenheit gefunden wer-
den moͤchte. Was alſo die verrichtungen anlangt/ dabey wir faſt itzo noch
bleiben muͤſſen/ halte gedachter maſſen davor/ daß zu denſelbigen bey beyden
gemeinden noch zeit gnug ſich finden ſolte/ auffs wenigſte hoͤre ich von predi-
gern/ die gar viel mehrere ſeelen und auch ort unter ihrer ſorge haben/ als die-
ſe beyde gemeinden zuſammen ausmachen koͤnten/ die dannoch glauben/ daß
ſie ihrem amt ein gnuͤge thun/ wiewol ich auch nicht leugne/ daß ich derglei-
chen mehr mit ſeuffzen anzuſehen pflege/ als damit wol zu frieden bin/ und
glaube/ daß wir alle an unſern gemeinden mehr thun und thun koͤnnen ſolten/
als leider jetzo geſchihet. Ja ich wolte dafuͤr halten/ daß was geliebter bruder
auch noch mit privat zuſpruͤchen an jungen und alten ſeinem gewiſſen nach bey
gegenwaͤrtiger bewandtnuͤß zu thun hat/ dazu des ſontags nach beyderſeits
oͤffentlichem verrichtetem gottesdienſt noch einige ſtunden uͤbrig ſeyn wuͤrden.
Was denn anlanget die verzoͤgerung und jeweilige abbrechung des gottes-
dienſtes bey den ſeinigen/ ſehe ichs vor keine hindernuͤß von ſolcheꝛ wichtigkeit
an/ in dem es den leuten eine geringe beſchwerde und unbequemlichkeit iſt/
dadurch ihnen aber an ihrer geiſtlichen wahren nothdurfft nichts eigentlich
abgehet/ und hingegen die liebe ſie verbindet/ ſolche gern zu uͤbernehmen/ da
ihre mitbruͤder in der andern gemeinde davon ſo viel nutzen hoffen moͤgen.
Was nun 4. die kuͤnfftige ſucceſſion auf jenes amt anlangt/ hielte da-
vor
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