Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.Das andere Capitel. mit der allgemeinen menschlichen schwachheit nicht entschuldigen/ und ist zuseinem amt nicht geschickt. Nun dieses unsträffliche leben/ hoffe ich/ werde der Diaconus sich schwehrlich selbsten zu messen/ auffs wenigste wo wahr ist/ daß er gesaget haben solle/ es wäre kein mensch ohne fehl (so von blossen schwachheiten wahr ist) also auch er (er wurde aber nicht blosser schwachheiten/ 1sondern mehrmahl continuirender ärgernüssen beschuldiget) und müsse man einem geistlichen (verstehe wie der sensus mit sich bringen muß) mehr als andern etwas hingehen lassen (fol. 87.) welches principium aber in sol- chem verstand pur falsch ist/ und man einem geistlichen weniger als andern hin- gehen lassen darff/ weilen das unsträfflich seyn mit zu seinem amte gehö- ret. 2. Wird von einem diener GOttes erfordert/ daß er seye nüchtern 3. Ein bischoff soll auch seyen mäßig oder sophron, der sich in allem 4. Solle er auch seyn sittig/ kosmios, der in allem eusserlichen wisse 5. Gehöret auch zu den tugenden eines predigers (nach damahliger zeit/ stelle
Das andere Capitel. mit der allgemeinen menſchlichen ſchwachheit nicht entſchuldigen/ und iſt zuſeinem amt nicht geſchickt. Nun dieſes unſtraͤffliche leben/ hoffe ich/ werde der Diaconus ſich ſchwehrlich ſelbſten zu meſſen/ auffs wenigſte wo wahr iſt/ daß er geſaget haben ſolle/ es waͤre kein menſch ohne fehl (ſo von bloſſen ſchwachheiten wahr iſt) alſo auch er (er wurde aber nicht bloſſeꝛ ſchwachheiten/ 1ſondern mehrmahl continuirender aͤrgernuͤſſen beſchuldiget) und muͤſſe man einem geiſtlichen (verſtehe wie der ſenſus mit ſich bringen muß) mehr als andern etwas hingehen laſſen (fol. 87.) welches principium aber in ſol- chem verſtand pur falſch iſt/ uñ man einem geiſtlichen weniger als andern hin- gehen laſſen darff/ weilen das unſtraͤfflich ſeyn mit zu ſeinem amte gehoͤ- ret. 2. Wird von einem diener GOttes erfordert/ daß er ſeye nuͤchtern 3. Ein biſchoff ſoll auch ſeyen maͤßig oder σώφϱων, der ſich in allem 4. Solle er auch ſeyn ſittig/ κόσμιος, der in allem euſſerlichen wiſſe 5. Gehoͤret auch zu den tugenden eines predigers (nach damahliger zeit/ ſtelle
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Das andere Capitel.
mit der allgemeinen menſchlichen ſchwachheit nicht entſchuldigen/ und iſt zu
ſeinem amt nicht geſchickt. Nun dieſes unſtraͤffliche leben/ hoffe ich/ werde
der Diaconus ſich ſchwehrlich ſelbſten zu meſſen/ auffs wenigſte wo wahr iſt/
daß er geſaget haben ſolle/ es waͤre kein menſch ohne fehl (ſo von bloſſen
ſchwachheiten wahr iſt) alſo auch er (er wurde aber nicht bloſſeꝛ ſchwachheiten/
ſondern mehrmahl continuirender aͤrgernuͤſſen beſchuldiget) und muͤſſe man
einem geiſtlichen (verſtehe wie der ſenſus mit ſich bringen muß) mehr als
andern etwas hingehen laſſen (fol. 87.) welches principium aber in ſol-
chem verſtand pur falſch iſt/ uñ man einem geiſtlichen weniger als andern hin-
gehen laſſen darff/ weilen das unſtraͤfflich ſeyn mit zu ſeinem amte gehoͤ-
ret.
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2. Wird von einem diener GOttes erfordert/ daß er ſeye nuͤchtern
und kein weinſaͤuffer: nun wird der Diaconus auch beklaget/ daß er bey
hochzeiten und kind-tauffen ſich zuweilen berauſche/ daraus nachmahlen an-
dere unanſtaͤndige dinge und unzuͤchtige geſpraͤche folgen/ p. 50. darauf ich kei-
ne verantwortung ſehe.
3. Ein biſchoff ſoll auch ſeyen maͤßig oder σώφϱων, der ſich in allem
wiſſe zu moderiren/ und in denen affecten maße zu halten/ ſo dann alles ſein
thun vernuͤnfftig fuͤhre. Was man aber faſt in denen actis anſihet/ zeiget lau-
ter ungehaltene affecten, und einen mann/ der in ſeinem thun ſich faſt in
nichts prudenter zu bezeugen wiſſe.
4. Solle er auch ſeyn ſittig/ κόσμιος, der in allem euſſerlichen wiſſe
ohne hochmuth und hingegen mit gebuͤhrender demuth/ dannoch ſeinem amt
ſich geziehmlich zuverhalten/ und eine ernſthaffte gravitaͤt von ſich ſehen zu
laſſen. Nun iſt nicht nur in denen erſtern Actis geklagt worden/ wie er ſeines
reſpects nicht in acht nehme/ auf den gaſſen manchmahl ohne hut herum lauf-
fen/ zu nachts an dẽ fenſtern lauſtere/ u. mit lumpẽ geſindlein vor einẽ loch der
bekaͤntnuͤß eines torti zu gehoͤret/ auch daruͤber von einem henckers-knecht
ziemlich beſchimpfet worden ſeye/ (p. 1. f. 21. 22.) ſondern auch dieſe Acta faſſen
dinge in ſich/ die wider dieſe ſittigkeit ſtreiten/ mit dem eyer ſuchen auf des
nachbahrs boden f. 20. ſo er zwahr entſchuldiget fol. 58. aber f. 96. gewieſen
wird/ daß auch was er geſtehet/ unanſtaͤndig gnug ſeye: ſo wird die klage des
horchens vor denen thuͤren nochmahlen wiederholet/ und fol. 97. wider ſein
leugnen auf zeugen ſich beruffen.
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5. Gehoͤret auch zu den tugenden eines predigers (nach damahliger zeit/
da die Chriſten in der fremde nirgend ſonſten ſichere herberge/ als bey denen
glaubens-bruͤdern finden koͤnnen/ bewandnuͤß) die gaſt-freyheit/ an dero
ſtelle
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