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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das andere Capitel.
den gemeinden keine gefahr zusorgen/ mißrathe ich nicht/ weil zuweilen
ein und anderer etwas hiervon zufassen tüchtig ist/ auch in predigten so
viel darvon um dieser willen vorzubringen/ als die andern nicht verwir-
ren mag: nachdem aber ihres orts die Römische obrigkeit darvon eine ge-
legenheit nehmen möchte/ die gantze gemeinde um ihre religions-übung
zubringen/ wo daselbs öffentlich das ihnen nahe vorstehende gericht
gepredigt würde/ so hat man davon/ nachdem es ohne das zur selig-
keit nicht bloß dahin nöthig ist/ stille zuseyn. Jedoch achtete dienlich/
wo man in der gemeinde ein und andere seele wüßte/ die dergleichen
zutragen/ und dardurch in dem glauben gestärcket zuwerden/ bequem
wäre/ besonders etwas von solchen geheimern wahrheiten einer solchen
anzuvertrauen. Der HERR gebe uns aber insgesamt die jenige
weißheit/ zuverstehen/ was einem jeglichen in unsern gemeinden nö-
thig und dienlich sey. Wie nun hiermit das letzte liebe schreiben nach
seinem innhalt durchgegangen/ wiederhole aus dem vorigen mit weni-
gem/ was noch einigerley massen eine antwort erfordern möchte. Da
nun was die frage anlangt von der unwissenheit deren/ die zu dem tisch
des HERREN gehen wollen/ nicht anders sagen kan/ als daß man
eine erkäntnüß der nöthigsten stücke der ordnung unsers heils mit allem
recht fordern könne/ ja müsse: es bestehen aber dieselbige bey einfältigen
leuten in nicht gar vielem/ und muß man mit den jenigen die auch in din-
gen dieser welt wenig scharffsinnigleit haben/ gedult tragen/ ob sie auch
nicht vieles begreiffen können. Was aber die jenige anlangt/ denen es
zu mehrer erkäntnüß zukommen nicht so wohl an vermögen als am wil-
len manglet/ welche sich auch zu den catechetischen examinibus nicht
einfinden wollen/ hätte man die obrigkeit deßwegen anzusuchen/ daß sie
den rossen und mäulern gebiß ins maul legen/ um sie herbey und zum
gehorsam zubringen. Wo es aber zu einer offenbahren halsstarrigkeit
käme/ so könten sie alsdann nach gehöriger communication mit der
herrschafft von dem gebrauch des heil. abendmahls so lang/ biß sie sich

ihrer

Das andere Capitel.
den gemeinden keine gefahr zuſorgen/ mißrathe ich nicht/ weil zuweilen
ein und anderer etwas hiervon zufaſſen tuͤchtig iſt/ auch in predigten ſo
viel darvon um dieſer willen vorzubringen/ als die andern nicht verwir-
ren mag: nachdem aber ihres orts die Roͤmiſche obrigkeit darvon eine ge-
legenheit nehmen moͤchte/ die gantze gemeinde um ihre religions-uͤbung
zubringen/ wo daſelbs oͤffentlich das ihnen nahe vorſtehende gericht
gepredigt wuͤrde/ ſo hat man davon/ nachdem es ohne das zur ſelig-
keit nicht bloß dahin noͤthig iſt/ ſtille zuſeyn. Jedoch achtete dienlich/
wo man in der gemeinde ein und andere ſeele wuͤßte/ die dergleichen
zutragen/ und dardurch in dem glauben geſtaͤrcket zuwerden/ bequem
waͤre/ beſonders etwas von ſolchen geheimern wahrheiten einer ſolchen
anzuvertrauen. Der HERR gebe uns aber insgeſamt die jenige
weißheit/ zuverſtehen/ was einem jeglichen in unſern gemeinden noͤ-
thig und dienlich ſey. Wie nun hiermit das letzte liebe ſchreiben nach
ſeinem innhalt durchgegangen/ wiederhole aus dem vorigen mit weni-
gem/ was noch einigerley maſſen eine antwort erfordern moͤchte. Da
nun was die frage anlangt von der unwiſſenheit deren/ die zu dem tiſch
des HERREN gehen wollen/ nicht anders ſagen kan/ als daß man
eine erkaͤntnuͤß der noͤthigſten ſtuͤcke der ordnung unſers heils mit allem
recht fordern koͤnne/ ja muͤſſe: es beſtehen aber dieſelbige bey einfaͤltigen
leuten in nicht gar vielem/ und muß man mit den jenigen die auch in din-
gen dieſer welt wenig ſcharffſinnigleit haben/ gedult tragen/ ob ſie auch
nicht vieles begreiffen koͤnnen. Was aber die jenige anlangt/ denen es
zu mehrer erkaͤntnuͤß zukommen nicht ſo wohl an vermoͤgen als am wil-
len manglet/ welche ſich auch zu den catechetiſchen examinibus nicht
einfinden wollen/ haͤtte man die obrigkeit deßwegen anzuſuchen/ daß ſie
den roſſen und maͤulern gebiß ins maul legen/ um ſie herbey und zum
gehorſam zubringen. Wo es aber zu einer offenbahren halsſtarrigkeit
kaͤme/ ſo koͤnten ſie alsdann nach gehoͤriger communication mit der
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[628/0644] Das andere Capitel. den gemeinden keine gefahr zuſorgen/ mißrathe ich nicht/ weil zuweilen ein und anderer etwas hiervon zufaſſen tuͤchtig iſt/ auch in predigten ſo viel darvon um dieſer willen vorzubringen/ als die andern nicht verwir- ren mag: nachdem aber ihres orts die Roͤmiſche obrigkeit darvon eine ge- legenheit nehmen moͤchte/ die gantze gemeinde um ihre religions-uͤbung zubringen/ wo daſelbs oͤffentlich das ihnen nahe vorſtehende gericht gepredigt wuͤrde/ ſo hat man davon/ nachdem es ohne das zur ſelig- keit nicht bloß dahin noͤthig iſt/ ſtille zuſeyn. Jedoch achtete dienlich/ wo man in der gemeinde ein und andere ſeele wuͤßte/ die dergleichen zutragen/ und dardurch in dem glauben geſtaͤrcket zuwerden/ bequem waͤre/ beſonders etwas von ſolchen geheimern wahrheiten einer ſolchen anzuvertrauen. Der HERR gebe uns aber insgeſamt die jenige weißheit/ zuverſtehen/ was einem jeglichen in unſern gemeinden noͤ- thig und dienlich ſey. Wie nun hiermit das letzte liebe ſchreiben nach ſeinem innhalt durchgegangen/ wiederhole aus dem vorigen mit weni- gem/ was noch einigerley maſſen eine antwort erfordern moͤchte. Da nun was die frage anlangt von der unwiſſenheit deren/ die zu dem tiſch des HERREN gehen wollen/ nicht anders ſagen kan/ als daß man eine erkaͤntnuͤß der noͤthigſten ſtuͤcke der ordnung unſers heils mit allem recht fordern koͤnne/ ja muͤſſe: es beſtehen aber dieſelbige bey einfaͤltigen leuten in nicht gar vielem/ und muß man mit den jenigen die auch in din- gen dieſer welt wenig ſcharffſinnigleit haben/ gedult tragen/ ob ſie auch nicht vieles begreiffen koͤnnen. Was aber die jenige anlangt/ denen es zu mehrer erkaͤntnuͤß zukommen nicht ſo wohl an vermoͤgen als am wil- len manglet/ welche ſich auch zu den catechetiſchen examinibus nicht einfinden wollen/ haͤtte man die obrigkeit deßwegen anzuſuchen/ daß ſie den roſſen und maͤulern gebiß ins maul legen/ um ſie herbey und zum gehorſam zubringen. Wo es aber zu einer offenbahren halsſtarrigkeit kaͤme/ ſo koͤnten ſie alsdann nach gehoͤriger communication mit der herrſchafft von dem gebrauch des heil. abendmahls ſo lang/ biß ſie ſich ihrer

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 628. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/644>, abgerufen am 25.11.2024.