Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.Das andere Capitel. schämen müßten. Weil bereits angezeiget/ daß nicht alles müglich gewesenvorher zu sehen/ oder zu einer zeit ins werck zu richten/ deswegen bequeme zeit erwartet werden müssen/ da dieses letztere vielmehr eine rühmliche klug- heit/ sonderlich aber eine göttliche gnade/ wo wir gelegenheit eines guten be- kommen/ die wir vorher nicht gehabt/ zu achten/ auch danckbarlich zu prei- sen ist. Nachdem wir also gesehen/ daß nicht alle neuerungen in kirchen-sachen zwahr
Das andere Capitel. ſchaͤmen muͤßten. Weil bereits angezeiget/ daß nicht alles muͤglich geweſenvorher zu ſehen/ oder zu einer zeit ins werck zu richten/ deswegen bequeme zeit erwartet werden muͤſſen/ da dieſes letztere vielmehr eine ruͤhmliche klug- heit/ ſonderlich aber eine goͤttliche gnade/ wo wir gelegenheit eines guten be- kommen/ die wir vorher nicht gehabt/ zu achten/ auch danckbarlich zu prei- ſen iſt. Nachdem wir alſo geſehen/ daß nicht alle neuerungen in kirchen-ſachen zwahr
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Das andere Capitel.
ſchaͤmen muͤßten. Weil bereits angezeiget/ daß nicht alles muͤglich geweſen
vorher zu ſehen/ oder zu einer zeit ins werck zu richten/ deswegen bequeme
zeit erwartet werden muͤſſen/ da dieſes letztere vielmehr eine ruͤhmliche klug-
heit/ ſonderlich aber eine goͤttliche gnade/ wo wir gelegenheit eines guten be-
kommen/ die wir vorher nicht gehabt/ zu achten/ auch danckbarlich zu prei-
ſen iſt.
Nachdem wir alſo geſehen/ daß nicht alle neuerungen in kirchen-ſachen
bloß dahin unrecht/ noch beſſer ſeye/ hartnaͤckig immer in den alten gleiſſen/
wo etwas fuͤglichers gefunden wird/ zu bleiben/ auch die dagegen gewoͤhnli-
che einwuͤrffe beantwortet/ ſo haben wir 2. hinzu zu ſetzen/ daß gleichwohl
mit allen aͤnderungen und neuerungen behutſam verfahren wer-
den ſolle: als die wir gar nicht der meinung ſind/ daß man nur nichts be-
ſtaͤndiges haben/ ſondern aus einer neugierigkeit oder auff eine unordentliche
weiſe taͤglich nur an aͤnderungen gedencken wolte. Vielmehr wo die neue-
rungen ſollen unſtraffbahr ſeyn/ ſo wird (nechſt dem allgemeinen/ daß ſie in
dingen beſtehen muß/ die Gottes wort/ ſeiner wahrheit/ und offenbarter goͤttl.
ordnung/ nicht entgegen ſeyn/ als welches keine beſſerungen/ ſondern verder-
bungen des guten ſeyn wuͤrden) unterſchiedliches dazu erfordert. 1. Daß
ſie geſchehen von den jenigen/ die ſolches macht haben/ daher keine einige
perſon oder ſtand ihr ſolches recht allein zu nehmen hat. Einem prediger ſte-
het es nicht zu/ nach eigenem belieben hergebrachte dinge zu aͤndern/ ob er ſie
auch ſchon beſſern will/ indem er ſein bloſſes urtheil nicht vor die regel deſſen/
was gut oder beſſer ſeye/ darzuſtellen/ und es anzubeten hat. Ja auch un-
ſer gantzer ſtand hat dieſe macht nicht/ als die wir nicht zu herren uͤber je-
mands glauben/ oder auch den gemeinen dienſt/ ſondern zu dienern der kir-
chen und dero erbauung beforderern/ beruffen ſind. Alſo auch eine obrig-
keitliche perſon oder gantzer ſtand hat eben ſo wenig hierinnen ungebundene
hand/ noch ſeine macht zu einer tyranney und anderer ſtaͤnde untertruckung
zu mißbrauchen; und ob ſich obrigkeiten auff das jus Epiſcopale beruffen/
hebet dieſes der uͤbrigen ſtaͤnde jura nicht auff/ ſondern ſolle dieſelbe vielmehr
ſchuͤtzen und bewahren/ ſo iſt auch in dem Papſtthum (davon der terminus
entlehnet) die biſchofliche gewalt nicht unumſchrenckt/ ſondern hat der Bi-
ſchoff auch ſein Capitul, deſſen einwilligung er in vielem noͤthig hat. Vor-
nemlich aber gehoͤrte auch der dritte ſtand/ ſo das meiſte in der kirchen iſt/ zu
dieſer ſache/ alldieweil alle die rechte an der gantzen kirchen/ und alſo dem ge-
ſamten corpore hafften. Deswegen die allerbeſte und der ordnung Chriſti
gemaͤſſeſte art waͤre/ da bey jeglicher vorhabender neuen anſtalt die geſamte
gemeinde auch daruͤber angehoͤret/ und deroſelben oder doch der Chriſtlich-
ſten oder veꝛſtaͤndigſten unter ihnen bedencken in conſideration gezogen wuͤr-
de. Nachdem aber die anſtalten unſrer kirchen faſt hievon abgegangen/ ſo
zwahr
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