Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.Das andere Capitel. dinge als gewiß/ so in der relation stehen. 1. Daß das factum ohne zweiffelseye/ und daher von der gemeinde attestiret werden könne. Dann sonsten nach Pauli regel 1. Tim. 5/ 9. gegen einem altesten keine klage ohne 2 oder 3 zeugen annehmen wolte. 2. daß man auch sonsten bekanter massen dem trunck ergeben seye. Jn dem es eine andere bewandnüß haben möchte mit einer person/ so sonsten allezeit eines nüchtern lebens gewest/ in neulicher hitz aber/ da er nach durst getruncken/ und sich nichts ungleiches davon besor- get hätte/ durch den trunck unwissend (als dort Nosa) übernommen worden wäre. Wozu noch in consideration kämee/ da die person (die ich nicht weiß) von zimlichem alter wäre/ in dem solchen leuten ein trunck eher schaden kan. Jn solcher bewandnüß sage ich/ würde etwa auch gelinder zu urtheilen seyn/ als in dem fall/ da der mann vorher bereits dem trunck ergeben gewesen. Vor- aus gesetzt also dieser beyder stücke/ und daß dieselbige gewiß sind/ so achte ich diese sache vor ein höchst sträffliches ärgernüß. 1. Jst die trunckenheit an und vor sich selbsten ein grosses fleisches werck und verdammliches laster/ so unter denjenigen lastern stehet/ welche auch so gar in der welt vor infam und ab- scheulich gehalten werden: Gal. 5/ 21. 1. Cor. 6/ 9. 10. Ob sie nun wohl in dieser welt einen vortheil gewonnen/ daß man sie nicht so schändlich mehr ach- tet/ als sie an sich selbst ist/ weil die gewohnheit über hand genommen/ so mag dannoch solche böse gewohnheit der welt dem göttl. recht nicht praejudiciren, sondern bleibet das laster dasjenige/ was es in sich und in seiner natur vor Gott ist. 2. Jst das laster so viel abscheulicher/ weil es auch in einer person sich findet/ welche andern und ihrer gemeinde billich mit gutem exempel vorgehen solte/ als zu dero amt dasselbige gehöret. 1. Petr. 5. 1. Cor. 10/ 11. Daher ob wol mit unser/ der prediger/ menschlicher schwachheit/ nach dem wir un- sern schatz in irrdischen gefäßen tragen; andere gleichfalls/ gedult und mitlei- den haben/ und nicht eine englische reinigkeit von uns fordern sollen/ so gehet solches dennoch dergl. laster nicht an/ welche gar fälschlich sich unter dem deck- mantel der menschlichen schwachheit wollen verbergen/ aber auch von heyden und unwidergebohrnen gar wohl gemieden werden können/ ja vielfältig ge- mieden worden sind/ daher sie zuvermeiden auch den Christen und predigern nicht unmüglich geachtet werden solle. Solcherley sünden aber achte ich alle- mahl bey einem prediger gegen andere zu rechnen vor doppelt/ und daher auch doppelter straffe schuldig. Dann es werden dergleichen trunckene prediger schandflecken ihres H. amts/ und verführer ihrer gemeinde. 3. Ergrössert die schwehre der sünden/ daß mit solcher vollen seele und leib der H. dienst Gottes hat müssen verrichtet werden/ das aber vielmehr eine eintheiligung desselben zu achten istl Es möchte ihm mit recht zugeruffen werden/ was Ps. 50/ 15. u. f.
Das andere Capitel. dinge als gewiß/ ſo in der relation ſtehen. 1. Daß das factum ohne zweiffelſeye/ und daher von der gemeinde atteſtiret werden koͤnne. Dann ſonſten nach Pauli regel 1. Tim. 5/ 9. gegen einem alteſten keine klage ohne 2 oder 3 zeugen annehmen wolte. 2. daß man auch ſonſten bekanter maſſen dem trunck ergeben ſeye. Jn dem es eine andere bewandnuͤß haben moͤchte mit einer perſon/ ſo ſonſten allezeit eines nuͤchtern lebens geweſt/ in neulicher hitz aber/ da er nach durſt getruncken/ und ſich nichts ungleiches davon beſor- get haͤtte/ durch den trunck unwiſſend (als dort Noſa) uͤbernommen worden waͤre. Wozu noch in conſideration kaͤmee/ da die perſon (die ich nicht weiß) von zimlichem alter waͤre/ in dem ſolchen leuten ein trunck eher ſchaden kan. Jn ſolcher bewandnuͤß ſage ich/ wuͤrde etwa auch gelinder zu urtheilen ſeyn/ als in dem fall/ da der mañ vorher bereits dem trunck ergeben geweſen. Vor- aus geſetzt alſo dieſer beyder ſtuͤcke/ und daß dieſelbige gewiß ſind/ ſo achte ich dieſe ſache vor ein hoͤchſt ſtraͤffliches aͤrgernuͤß. 1. Jſt die trunckenheit an und vor ſich ſelbſten ein groſſes fleiſches werck und verdammliches laſter/ ſo unter denjenigen laſtern ſtehet/ welche auch ſo gar in der welt vor infam und ab- ſcheulich gehalten werden: Gal. 5/ 21. 1. Cor. 6/ 9. 10. Ob ſie nun wohl in dieſer welt einen vortheil gewonnen/ daß man ſie nicht ſo ſchaͤndlich mehr ach- tet/ als ſie an ſich ſelbſt iſt/ weil die gewohnheit uͤber hand genommen/ ſo mag dannoch ſolche boͤſe gewohnheit der welt dem goͤttl. recht nicht præjudiciren, ſondern bleibet das laſter dasjenige/ was es in ſich und in ſeiner natur vor Gott iſt. 2. Jſt das laſter ſo viel abſcheulicher/ weil es auch in einer perſon ſich findet/ welche andern und ihrer gemeinde billich mit gutem exempel vorgehen ſolte/ als zu dero amt daſſelbige gehoͤret. 1. Petr. 5. 1. Cor. 10/ 11. Daher ob wol mit unſer/ der prediger/ menſchlicher ſchwachheit/ nach dem wir un- ſern ſchatz in irrdiſchen gefaͤßen tragen; andere gleichfalls/ gedult und mitlei- den haben/ und nicht eine engliſche reinigkeit von uns fordern ſollen/ ſo gehet ſolches dennoch dergl. laſter nicht an/ welche gar faͤlſchlich ſich unter dem deck- mantel der menſchlichen ſchwachheit wollen verbergen/ aber auch von heyden und unwidergebohrnen gar wohl gemieden werden koͤnnen/ ja vielfaͤltig ge- mieden worden ſind/ daher ſie zuvermeiden auch den Chriſten und predigern nicht unmuͤglich geachtet werden ſolle. Solcherley ſuͤnden aber achte ich alle- mahl bey einem prediger gegen andere zu rechnen vor doppelt/ und daher auch doppelter ſtraffe ſchuldig. Dann es werden dergleichen trunckene prediger ſchandflecken ihres H. amts/ und verfuͤhrer ihrer gemeinde. 3. Ergroͤſſert die ſchwehre der ſuͤnden/ daß mit ſolcher vollen ſeele und leib der H. dienſt Gottes hat muͤſſen verrichtet werden/ das aber vielmehr eine eintheiligung deſſelben zu achten iſtl Es moͤchte ihm mit recht zugeruffen werden/ was Pſ. 50/ 15. u. f.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0796" n="708[780]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das andere Capitel.</hi></fw><lb/> dinge als gewiß/ ſo in der <hi rendition="#aq">relation</hi> ſtehen. 1. Daß das <hi rendition="#aq">factum</hi> ohne zweiffel<lb/> ſeye/ und daher von der gemeinde <hi rendition="#aq">atteſti</hi>ret werden koͤnne. Dann ſonſten<lb/> nach Pauli regel 1. <hi rendition="#fr">Tim. 5/ 9. gegen einem alteſten keine klage ohne 2<lb/> oder 3 zeugen annehmen wolte.</hi> 2. daß man auch ſonſten bekanter maſſen<lb/> dem trunck ergeben ſeye. Jn dem es eine andere bewandnuͤß haben moͤchte<lb/> mit einer perſon/ ſo ſonſten allezeit eines nuͤchtern lebens geweſt/ in neulicher<lb/> hitz aber/ da er nach durſt getruncken/ und ſich nichts ungleiches davon beſor-<lb/> get haͤtte/ durch den trunck unwiſſend (als dort <hi rendition="#aq">Noſa</hi>) uͤbernommen worden<lb/> waͤre. Wozu noch in <hi rendition="#aq">conſideration</hi> kaͤmee/ da die perſon (die ich nicht weiß)<lb/> von zimlichem alter waͤre/ in dem ſolchen leuten ein trunck eher ſchaden kan. Jn<lb/> ſolcher bewandnuͤß ſage ich/ wuͤrde etwa auch gelinder zu urtheilen ſeyn/ als<lb/> in dem fall/ da der mañ vorher bereits dem trunck ergeben geweſen. Vor-<lb/> aus geſetzt alſo dieſer beyder ſtuͤcke/ und daß dieſelbige gewiß ſind/ ſo achte ich<lb/> dieſe ſache vor ein hoͤchſt ſtraͤffliches aͤrgernuͤß. 1. Jſt die trunckenheit an und<lb/> vor ſich ſelbſten ein groſſes fleiſches werck und verdammliches laſter/ ſo unter<lb/> denjenigen laſtern ſtehet/ welche auch ſo gar in der welt vor <hi rendition="#aq">infam</hi> und ab-<lb/> ſcheulich gehalten werden: <hi rendition="#fr">Gal. 5/ 21. 1. Cor.</hi> 6/ 9. 10. Ob ſie nun wohl in<lb/> dieſer welt einen vortheil gewonnen/ daß man ſie nicht ſo ſchaͤndlich mehr ach-<lb/> tet/ als ſie an ſich ſelbſt iſt/ weil die gewohnheit uͤber hand genommen/ ſo mag<lb/> dannoch ſolche boͤſe gewohnheit der welt dem goͤttl. recht nicht <hi rendition="#aq">præjudiciren,</hi><lb/> ſondern bleibet das laſter dasjenige/ was es in ſich und in ſeiner natur vor<lb/> Gott iſt. 2. Jſt das laſter ſo viel abſcheulicher/ weil es auch in einer perſon ſich<lb/> findet/ welche andern und ihrer gemeinde billich mit gutem exempel vorgehen<lb/> ſolte/ als zu dero amt daſſelbige gehoͤret. 1. <hi rendition="#fr">Petr. 5. 1. Cor.</hi> 10/ 11. Daher<lb/> ob wol mit unſer/ der prediger/ menſchlicher ſchwachheit/ nach dem wir un-<lb/> ſern ſchatz in irrdiſchen gefaͤßen tragen; andere gleichfalls/ gedult und mitlei-<lb/> den haben/ und nicht eine engliſche reinigkeit von uns fordern ſollen/ ſo gehet<lb/> ſolches dennoch dergl. laſter nicht an/ welche gar faͤlſchlich ſich unter dem deck-<lb/> mantel der menſchlichen ſchwachheit wollen verbergen/ aber auch von heyden<lb/> und unwidergebohrnen gar wohl gemieden werden koͤnnen/ ja vielfaͤltig ge-<lb/> mieden worden ſind/ daher ſie zuvermeiden auch den Chriſten und predigern<lb/> nicht unmuͤglich geachtet werden ſolle. Solcherley ſuͤnden aber achte ich alle-<lb/> mahl bey einem prediger gegen andere zu rechnen vor doppelt/ und daher auch<lb/> doppelter ſtraffe ſchuldig. Dann es werden dergleichen trunckene prediger<lb/> ſchandflecken ihres H. amts/ und verfuͤhrer ihrer gemeinde. 3. Ergroͤſſert die<lb/> ſchwehre der ſuͤnden/ daß mit ſolcher vollen ſeele und leib der H. dienſt Gottes<lb/> hat muͤſſen verrichtet werden/ das aber vielmehr eine eintheiligung deſſelben<lb/> zu achten iſtl Es moͤchte ihm mit recht zugeruffen werden/ was <hi rendition="#fr">Pſ.</hi> 50/ 15.<lb/> <fw place="bottom" type="catch">u. f.</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [708[780]/0796]
Das andere Capitel.
dinge als gewiß/ ſo in der relation ſtehen. 1. Daß das factum ohne zweiffel
ſeye/ und daher von der gemeinde atteſtiret werden koͤnne. Dann ſonſten
nach Pauli regel 1. Tim. 5/ 9. gegen einem alteſten keine klage ohne 2
oder 3 zeugen annehmen wolte. 2. daß man auch ſonſten bekanter maſſen
dem trunck ergeben ſeye. Jn dem es eine andere bewandnuͤß haben moͤchte
mit einer perſon/ ſo ſonſten allezeit eines nuͤchtern lebens geweſt/ in neulicher
hitz aber/ da er nach durſt getruncken/ und ſich nichts ungleiches davon beſor-
get haͤtte/ durch den trunck unwiſſend (als dort Noſa) uͤbernommen worden
waͤre. Wozu noch in conſideration kaͤmee/ da die perſon (die ich nicht weiß)
von zimlichem alter waͤre/ in dem ſolchen leuten ein trunck eher ſchaden kan. Jn
ſolcher bewandnuͤß ſage ich/ wuͤrde etwa auch gelinder zu urtheilen ſeyn/ als
in dem fall/ da der mañ vorher bereits dem trunck ergeben geweſen. Vor-
aus geſetzt alſo dieſer beyder ſtuͤcke/ und daß dieſelbige gewiß ſind/ ſo achte ich
dieſe ſache vor ein hoͤchſt ſtraͤffliches aͤrgernuͤß. 1. Jſt die trunckenheit an und
vor ſich ſelbſten ein groſſes fleiſches werck und verdammliches laſter/ ſo unter
denjenigen laſtern ſtehet/ welche auch ſo gar in der welt vor infam und ab-
ſcheulich gehalten werden: Gal. 5/ 21. 1. Cor. 6/ 9. 10. Ob ſie nun wohl in
dieſer welt einen vortheil gewonnen/ daß man ſie nicht ſo ſchaͤndlich mehr ach-
tet/ als ſie an ſich ſelbſt iſt/ weil die gewohnheit uͤber hand genommen/ ſo mag
dannoch ſolche boͤſe gewohnheit der welt dem goͤttl. recht nicht præjudiciren,
ſondern bleibet das laſter dasjenige/ was es in ſich und in ſeiner natur vor
Gott iſt. 2. Jſt das laſter ſo viel abſcheulicher/ weil es auch in einer perſon ſich
findet/ welche andern und ihrer gemeinde billich mit gutem exempel vorgehen
ſolte/ als zu dero amt daſſelbige gehoͤret. 1. Petr. 5. 1. Cor. 10/ 11. Daher
ob wol mit unſer/ der prediger/ menſchlicher ſchwachheit/ nach dem wir un-
ſern ſchatz in irrdiſchen gefaͤßen tragen; andere gleichfalls/ gedult und mitlei-
den haben/ und nicht eine engliſche reinigkeit von uns fordern ſollen/ ſo gehet
ſolches dennoch dergl. laſter nicht an/ welche gar faͤlſchlich ſich unter dem deck-
mantel der menſchlichen ſchwachheit wollen verbergen/ aber auch von heyden
und unwidergebohrnen gar wohl gemieden werden koͤnnen/ ja vielfaͤltig ge-
mieden worden ſind/ daher ſie zuvermeiden auch den Chriſten und predigern
nicht unmuͤglich geachtet werden ſolle. Solcherley ſuͤnden aber achte ich alle-
mahl bey einem prediger gegen andere zu rechnen vor doppelt/ und daher auch
doppelter ſtraffe ſchuldig. Dann es werden dergleichen trunckene prediger
ſchandflecken ihres H. amts/ und verfuͤhrer ihrer gemeinde. 3. Ergroͤſſert die
ſchwehre der ſuͤnden/ daß mit ſolcher vollen ſeele und leib der H. dienſt Gottes
hat muͤſſen verrichtet werden/ das aber vielmehr eine eintheiligung deſſelben
zu achten iſtl Es moͤchte ihm mit recht zugeruffen werden/ was Pſ. 50/ 15.
u. f.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |