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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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SECTIO XII.
licher beyfall und fleischliches vertrauen (aber alles ohne lebendige krafft) im
gemüth übrig blieben/ die der arme mensch noch vor den glauben hält/ und sich
daher ihn verlohren zu haben nicht einbildet. Wo nun der mensch ohne den
wahren göttlichen glauben/ ob wol in einer solchen einbildung/ sein leben vol-
lends zubringet/ ist er nicht weniger verdammt/ als er in vorigem atheismo
war/ indem ihn das todte bild des glaubens nicht selig machen kan. Es kan
aber auch leicht aus göttlichem gerechten gericht dahin kommen/ daß sich auch
dasjenige todte wesen/ so er noch vor den glauben geachtet/ endlich verliehre/
als welches ohne das ohne krafft ist/ und daher wann der satan selbs und
durch seine instrumenten wieder an den menschen mit den vorigen atheisti-
schen versuchungen ansetzet/ nicht bestehet/ und also ein solcher wiederum
in seinen vorigen Atheistischen groben unglauben verfalle/ daß er was GOtt
zeit seiner bekehrung gutes in seiner seelen gewircket/ nachmals wieder vor
träume und phantasien hält/ damit er sich eine weile hätte betriegen lassen.
Wo es nun zu solchem rückfall kommt/ sorge ich/ daß gemeiniglich so bald auch
ein göttliches gericht der verstockung hiezu schlage/ und ein solcher armer
mensch alsdann nicht mehr leicht bekehret werde/ weil der erste teuffel sieben
ärgere geister mit sich gebracht hat/ und daher seine festung/ die er wieder ein-
genommen/ viel sorgfältiger als vorhin verwahret. Zu dem es göttlicher
gerechtigkeit allerdings gemäß ist/ eine solche person/ an dero erst durch ihre
bekehrung von der gottlosigkeit ein ungemeines exempel der göttlichen barm-
hertzigkeit erwiesen worden/ um welcher willen auch eine so viel ernstlichere
und beständigere danckbarkeit folgen sollen/ wo an statt dieser dieselbe wieder
muthwillig abweicht/ hinwieder zu einem schrecklichen beyspiel des gerechten
gerichts GOttes zu machen/ und seinen zorn über sie auszugiessen. Wel-
ches zwahr nicht allein von denjenigen/ die wircklich wieder in die atheisterey
gerathen/ zu verstehen ist/ sondern auch diejenige betrifft/ die nach der bekeh-
rung/ ob sie wol bey der bekäntnüß der wahrheit und ihrem buchstäblichen
wissen bleiben/ gleichwol wiederum in ein ruchloses leben verfallen/ und in
den unflath der welt/ dem sie entflohen waren/ sich wiederum einflechten und
überwinden lassen. 2. Petr. 2/ 20. daß nemlich auch dieselbe meistens in ei-
ne solche verstockung und macht des teuffels gerathen/ aus dero sie nimmer
frey werden. Welche grosse gefahr sich alle dergleichen leute stets vor au-
gen schweben lassen sollen/ damit sie noch vor andern mit furcht und zittern
schaffen/ daß sie selig werden. Phil. 2/ 12. indem je grösser das maaß der gna-
den gewesen/ das ihnen wiederfahren ist/ so vielweniger mehr vor sie übrig seyn
mag/ wenn sie solche wieder verstossen: wie auch in der welt/ wo einem ein
gar schwehres verbrechen wider einen könig begangen von demselben verge-
ben worden/ solches insgemein die letzte gnade zu seyn pfleget/ nach welcher
verstossung keine andre mehr zugewarten ist.

§. XXIX.
J

SECTIO XII.
licher beyfall und fleiſchliches vertrauen (aber alles ohne lebendige krafft) im
gemuͤth uͤbrig blieben/ die der arme menſch noch vor den glauben haͤlt/ und ſich
daher ihn verlohren zu haben nicht einbildet. Wo nun der menſch ohne den
wahren goͤttlichen glauben/ ob wol in einer ſolchen einbildung/ ſein leben vol-
lends zubringet/ iſt er nicht weniger verdammt/ als er in vorigem atheiſmo
war/ indem ihn das todte bild des glaubens nicht ſelig machen kan. Es kan
aber auch leicht aus goͤttlichem gerechten gericht dahin kommen/ daß ſich auch
dasjenige todte weſen/ ſo er noch vor den glauben geachtet/ endlich verliehre/
als welches ohne das ohne krafft iſt/ und daher wann der ſatan ſelbs und
durch ſeine inſtrumenten wieder an den menſchen mit den vorigen atheiſti-
ſchen verſuchungen anſetzet/ nicht beſtehet/ und alſo ein ſolcher wiederum
in ſeinen vorigen Atheiſtiſchen groben unglauben verfalle/ daß er was GOtt
zeit ſeiner bekehrung gutes in ſeiner ſeelen gewircket/ nachmals wieder vor
traͤume und phantaſien haͤlt/ damit er ſich eine weile haͤtte betriegen laſſen.
Wo es nun zu ſolchem ruͤckfall kommt/ ſorge ich/ daß gemeiniglich ſo bald auch
ein goͤttliches gericht der verſtockung hiezu ſchlage/ und ein ſolcher armer
menſch alsdann nicht mehr leicht bekehret werde/ weil der erſte teuffel ſieben
aͤrgere geiſter mit ſich gebracht hat/ und daher ſeine feſtung/ die er wieder ein-
genommen/ viel ſorgfaͤltiger als vorhin verwahret. Zu dem es goͤttlicher
gerechtigkeit allerdings gemaͤß iſt/ eine ſolche perſon/ an dero erſt durch ihre
bekehrung von der gottloſigkeit ein ungemeines exempel der goͤttlichen barm-
hertzigkeit erwieſen worden/ um welcher willen auch eine ſo viel ernſtlichere
und beſtaͤndigere danckbarkeit folgen ſollen/ wo an ſtatt dieſer dieſelbe wieder
muthwillig abweicht/ hinwieder zu einem ſchrecklichen beyſpiel des gerechten
gerichts GOttes zu machen/ und ſeinen zorn uͤber ſie auszugieſſen. Wel-
ches zwahr nicht allein von denjenigen/ die wircklich wieder in die atheiſterey
gerathen/ zu verſtehen iſt/ ſondern auch diejenige betrifft/ die nach der bekeh-
rung/ ob ſie wol bey der bekaͤntnuͤß der wahrheit und ihrem buchſtaͤblichen
wiſſen bleiben/ gleichwol wiederum in ein ruchloſes leben verfallen/ und in
den unflath der welt/ dem ſie entflohen waren/ ſich wiederum einflechten und
uͤberwinden laſſen. 2. Petr. 2/ 20. daß nemlich auch dieſelbe meiſtens in ei-
ne ſolche verſtockung und macht des teuffels gerathen/ aus dero ſie nimmer
frey werden. Welche groſſe gefahr ſich alle dergleichen leute ſtets vor au-
gen ſchweben laſſen ſollen/ damit ſie noch vor andern mit furcht und zittern
ſchaffen/ daß ſie ſelig werden. Phil. 2/ 12. indem je groͤſſer das maaß der gna-
den geweſen/ das ihnen wiederfahrẽ iſt/ ſo vielwenigeꝛ mehr vor ſie uͤbrig ſeyn
mag/ wenn ſie ſolche wieder verſtoſſen: wie auch in der welt/ wo einem ein
gar ſchwehres verbrechen wider einen koͤnig begangen von demſelben verge-
ben worden/ ſolches insgemein die letzte gnade zu ſeyn pfleget/ nach welcher
verſtoſſung keine andre mehr zugewarten iſt.

§. XXIX.
J
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[65/0081] SECTIO XII. licher beyfall und fleiſchliches vertrauen (aber alles ohne lebendige krafft) im gemuͤth uͤbrig blieben/ die der arme menſch noch vor den glauben haͤlt/ und ſich daher ihn verlohren zu haben nicht einbildet. Wo nun der menſch ohne den wahren goͤttlichen glauben/ ob wol in einer ſolchen einbildung/ ſein leben vol- lends zubringet/ iſt er nicht weniger verdammt/ als er in vorigem atheiſmo war/ indem ihn das todte bild des glaubens nicht ſelig machen kan. Es kan aber auch leicht aus goͤttlichem gerechten gericht dahin kommen/ daß ſich auch dasjenige todte weſen/ ſo er noch vor den glauben geachtet/ endlich verliehre/ als welches ohne das ohne krafft iſt/ und daher wann der ſatan ſelbs und durch ſeine inſtrumenten wieder an den menſchen mit den vorigen atheiſti- ſchen verſuchungen anſetzet/ nicht beſtehet/ und alſo ein ſolcher wiederum in ſeinen vorigen Atheiſtiſchen groben unglauben verfalle/ daß er was GOtt zeit ſeiner bekehrung gutes in ſeiner ſeelen gewircket/ nachmals wieder vor traͤume und phantaſien haͤlt/ damit er ſich eine weile haͤtte betriegen laſſen. Wo es nun zu ſolchem ruͤckfall kommt/ ſorge ich/ daß gemeiniglich ſo bald auch ein goͤttliches gericht der verſtockung hiezu ſchlage/ und ein ſolcher armer menſch alsdann nicht mehr leicht bekehret werde/ weil der erſte teuffel ſieben aͤrgere geiſter mit ſich gebracht hat/ und daher ſeine feſtung/ die er wieder ein- genommen/ viel ſorgfaͤltiger als vorhin verwahret. Zu dem es goͤttlicher gerechtigkeit allerdings gemaͤß iſt/ eine ſolche perſon/ an dero erſt durch ihre bekehrung von der gottloſigkeit ein ungemeines exempel der goͤttlichen barm- hertzigkeit erwieſen worden/ um welcher willen auch eine ſo viel ernſtlichere und beſtaͤndigere danckbarkeit folgen ſollen/ wo an ſtatt dieſer dieſelbe wieder muthwillig abweicht/ hinwieder zu einem ſchrecklichen beyſpiel des gerechten gerichts GOttes zu machen/ und ſeinen zorn uͤber ſie auszugieſſen. Wel- ches zwahr nicht allein von denjenigen/ die wircklich wieder in die atheiſterey gerathen/ zu verſtehen iſt/ ſondern auch diejenige betrifft/ die nach der bekeh- rung/ ob ſie wol bey der bekaͤntnuͤß der wahrheit und ihrem buchſtaͤblichen wiſſen bleiben/ gleichwol wiederum in ein ruchloſes leben verfallen/ und in den unflath der welt/ dem ſie entflohen waren/ ſich wiederum einflechten und uͤberwinden laſſen. 2. Petr. 2/ 20. daß nemlich auch dieſelbe meiſtens in ei- ne ſolche verſtockung und macht des teuffels gerathen/ aus dero ſie nimmer frey werden. Welche groſſe gefahr ſich alle dergleichen leute ſtets vor au- gen ſchweben laſſen ſollen/ damit ſie noch vor andern mit furcht und zittern ſchaffen/ daß ſie ſelig werden. Phil. 2/ 12. indem je groͤſſer das maaß der gna- den geweſen/ das ihnen wiederfahrẽ iſt/ ſo vielwenigeꝛ mehr vor ſie uͤbrig ſeyn mag/ wenn ſie ſolche wieder verſtoſſen: wie auch in der welt/ wo einem ein gar ſchwehres verbrechen wider einen koͤnig begangen von demſelben verge- ben worden/ ſolches insgemein die letzte gnade zu ſeyn pfleget/ nach welcher verſtoſſung keine andre mehr zugewarten iſt. §. XXIX. J

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/81>, abgerufen am 25.11.2024.