Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

Bild:
<< vorherige Seite

Das andere Capitel.
qvalis fuit contritio Judae: & cor contritum, carneum, aereum in obseqvium
flecti, in cujus medio habitat Dei spiritus; Illud prius est cor legale, hoc
Evangelicum; Et haec demum commixtio contritionis cum fide est opus
Dei gratiosum, dum alias ac seorsim ex lege nulla gratia.
Wo er auch solche
seine lehr schön erweiset aus unserm Luthero, der unter andern also spricht:
Wenn wir die sünde bekennen/ und dieselbige bereuen/ so ist die
busse schon angefangen/ darnach wird sie vollkommen/ wenn in sol-
cher reue der glaube an die barmhertzigkeit GOTTES darzu
kommet/ und die hertzen/ wie der Prophet lehret/ zu GOTT be-
kehret werden/ und vergebung der sünden begehren.
Also was das
gesetz an sich selbs thut/ wo es dabey bleibet/ ist noch die wahre bekehrung nicht.
Kan auch nicht ein Mittel der seligkeit eigentlich genennet werden. Hr. D. Hül-
semann hat zwar zu erst in seinem breviario gesetzt von der reue/ daß sie seye pri-
mum medium acqvirendi salutem,
es bezeuget aber Hr. D. Schertzer/ da er
solches breviarum ediret und vermehret/ daß als 1652. dem autori solche wort
in der disputation vorgehalten worden/ er geantwortet/ daß er viel geld darum
geben wolte/ daß solche wort nicht gedruckt worden wären/ daher er in den fol-
genden editionen allemal dazu setzen lassen: palulos & ratione ordinis non
causalitatis.
Wie ers auch darnach also erklähret: medium dicitur non po-
sitivum sed privativum, qvale est puris remotio ad sanandum vulnus
u. f. w.
Damit also nichts was aus dem gesetz an sich selbs kommet/ ein eigentlich mittel
unsrer seligkeit erkannt werden solle/ sondern dem Evangelio die ehre allein
bleibe.

Da nun dieser satz recht erklähret/ so bleibet er fest/ und streitet weder ge-
gen göttliches wort/ noch gegen die Symbolische bücher. Aus der Schrifft
erweise ich ihn also: Was weder die reue heilsam macht/ noch den glauben gie-
bet/ noch den H. Geist schencket/ noch dem menschen die gnade Gottes und ge-
rechtigkeit zu wege bringet/ das kan an sich selbs/ wie lang es auch wiederhohlet
wird/ keinen einigen menschen bekehren. Nun ist alles solches von dem gesetz
wahr. E. Welches eben das jenige ist/ was ich gepredigt habe. Gleiches lässet sich
aus den Symbolischen büchern ebenfalls erweisen/ als die vom gesetz und Evan-
gelio nicht anders als die H. Schrifft lehren. Wo man auch nur zum schein
etwas daraus wider diese lehr anführen wolte/ müßte es seyn aus der Form. con-
cord.
da artic. V. f. 239. diese gegenlehr verworffen wird: wann gelehret wird/
daß das Evangelium eigentlich eine buß- oder eine straffpredigt/ und
nicht allein eine gnadenpredigt seye/ dadurch das Evangelium wieder zu
einer gesetzlehre gemacht/ das verdienst Christi/ und H. Schrifft ver-
dunckelt/ die Christen des rechten trosts beraubet/ und dem Papsthum

die

Das andere Capitel.
qvalis fuit contritio Judæ: & cor contritum, carneum, æreum in obſeqvium
flecti, in cujus medio habitat Dei ſpiritus; Illud prius eſt cor legale, hoc
Evangelicum; Et hæc demum commixtio contritionis cum fide eſt opus
Dei gratioſum, dum alias ac ſeorſim ex lege nulla gratia.
Wo er auch ſolche
ſeine lehr ſchoͤn erweiſet aus unſerm Luthero, der unter andern alſo ſpricht:
Wenn wir die ſuͤnde bekennen/ und dieſelbige bereuen/ ſo iſt die
buſſe ſchon angefangen/ darnach wird ſie vollkommen/ wenn in ſol-
cher reue der glaube an die barmhertzigkeit GOTTES darzu
kommet/ und die hertzen/ wie der Prophet lehret/ zu GOTT be-
kehret werden/ und vergebung der ſuͤnden begehren.
Alſo was das
geſetz an ſich ſelbs thut/ wo es dabey bleibet/ iſt noch die wahre bekehrung nicht.
Kan auch nicht ein Mittel der ſeligkeit eigentlich genennet werden. Hr. D. Huͤl-
ſemann hat zwar zu erſt in ſeinem breviario geſetzt von der reue/ daß ſie ſeye pri-
mum medium acqvirendi ſalutem,
es bezeuget aber Hr. D. Schertzer/ da er
ſolches breviarum ediret und vermehret/ daß als 1652. dem autori ſolche wort
in der diſputation vorgehalten worden/ er geantwortet/ daß er viel geld darum
geben wolte/ daß ſolche wort nicht gedruckt worden waͤren/ daher er in den fol-
genden editionen allemal dazu ſetzen laſſen: παλυλῶς & ratione ordinis non
cauſalitatis.
Wie ers auch darnach alſo erklaͤhret: medium dicitur non po-
ſitivum ſed privativum, qvale eſt puris remotio ad ſanandum vulnus
u. f. w.
Damit alſo nichts was aus dem geſetz an ſich ſelbs kommet/ ein eigentlich mittel
unſrer ſeligkeit erkannt werden ſolle/ ſondern dem Evangelio die ehre allein
bleibe.

Da nun dieſer ſatz recht erklaͤhret/ ſo bleibet er feſt/ und ſtreitet weder ge-
gen goͤttliches wort/ noch gegen die Symboliſche buͤcher. Aus der Schrifft
erweiſe ich ihn alſo: Was weder die reue heilſam macht/ noch den glauben gie-
bet/ noch den H. Geiſt ſchencket/ noch dem menſchen die gnade Gottes und ge-
rechtigkeit zu wege bringet/ das kan an ſich ſelbs/ wie lang es auch wiederhohlet
wird/ keinen einigen menſchen bekehren. Nun iſt alles ſolches von dem geſetz
wahr. E. Welches eben das jenige iſt/ was ich gepredigt habe. Gleiches laͤſſet ſich
aus den Symboliſchen buͤchern ebenfalls erweiſen/ als die vom geſetz und Evan-
gelio nicht anders als die H. Schrifft lehren. Wo man auch nur zum ſchein
etwas daraus wider dieſe lehr anfuͤhren wolte/ muͤßte es ſeyn aus der Form. con-
cord.
da artic. V. f. 239. dieſe gegenlehr verworffen wird: wann gelehret wird/
daß das Evangelium eigentlich eine buß- oder eine ſtraffpredigt/ und
nicht allein eine gnadenpredigt ſeye/ dadurch das Evangelium wieder zu
einer geſetzlehre gemacht/ das verdienſt Chriſti/ und H. Schrifft ver-
dunckelt/ die Chriſten des rechten troſts beraubet/ und dem Papſthum

die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0810" n="10"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das andere Capitel.</hi></fw><lb/><hi rendition="#aq">qvalis fuit contritio Judæ: &amp; cor contritum, carneum, æreum in ob&#x017F;eqvium<lb/>
flecti, in cujus medio habitat Dei &#x017F;piritus; Illud prius e&#x017F;t cor legale, hoc<lb/>
Evangelicum; Et hæc demum commixtio contritionis cum fide e&#x017F;t opus<lb/>
Dei gratio&#x017F;um, dum alias ac &#x017F;eor&#x017F;im ex lege nulla gratia.</hi> Wo er auch &#x017F;olche<lb/>
&#x017F;eine lehr &#x017F;cho&#x0364;n erwei&#x017F;et aus un&#x017F;erm <hi rendition="#aq">Luthero,</hi> der unter andern al&#x017F;o &#x017F;pricht:<lb/><hi rendition="#fr">Wenn wir die &#x017F;u&#x0364;nde bekennen/ und die&#x017F;elbige bereuen/ &#x017F;o i&#x017F;t die<lb/>
bu&#x017F;&#x017F;e &#x017F;chon angefangen/ darnach wird &#x017F;ie vollkommen/ wenn in &#x017F;ol-<lb/>
cher reue der glaube an die barmhertzigkeit <hi rendition="#g">GOTTES</hi> darzu<lb/>
kommet/ und die hertzen/ wie der Prophet lehret/ zu GOTT be-<lb/>
kehret werden/ und vergebung der &#x017F;u&#x0364;nden begehren.</hi> Al&#x017F;o was das<lb/>
ge&#x017F;etz an &#x017F;ich &#x017F;elbs thut/ wo es dabey bleibet/ i&#x017F;t noch die wahre bekehrung nicht.<lb/>
Kan auch nicht ein Mittel der &#x017F;eligkeit eigentlich genennet werden. Hr. <hi rendition="#aq">D.</hi> Hu&#x0364;l-<lb/>
&#x017F;emann hat zwar zu er&#x017F;t in &#x017F;einem <hi rendition="#aq">breviario</hi> ge&#x017F;etzt von der reue/ daß &#x017F;ie &#x017F;eye <hi rendition="#aq">pri-<lb/>
mum medium acqvirendi &#x017F;alutem,</hi> es bezeuget aber Hr. <hi rendition="#aq">D.</hi> Schertzer/ da er<lb/>
&#x017F;olches <hi rendition="#aq">breviarum edir</hi>et und vermehret/ daß als 1652. dem <hi rendition="#aq">autori</hi> &#x017F;olche wort<lb/>
in der <hi rendition="#aq">di&#x017F;putation</hi> vorgehalten worden/ er geantwortet/ daß er viel geld darum<lb/>
geben wolte/ daß &#x017F;olche wort nicht gedruckt worden wa&#x0364;ren/ daher er in den fol-<lb/>
genden <hi rendition="#aq">edition</hi>en allemal dazu &#x017F;etzen la&#x017F;&#x017F;en: &#x03C0;&#x03B1;&#x03BB;&#x03C5;&#x03BB;&#x1FF6;&#x03C2; <hi rendition="#aq">&amp; ratione ordinis non<lb/>
cau&#x017F;alitatis.</hi> Wie ers auch darnach al&#x017F;o erkla&#x0364;hret: <hi rendition="#aq">medium dicitur non po-<lb/>
&#x017F;itivum &#x017F;ed privativum, qvale e&#x017F;t puris remotio ad &#x017F;anandum vulnus</hi> u. f. w.<lb/>
Damit al&#x017F;o nichts was aus dem ge&#x017F;etz an &#x017F;ich &#x017F;elbs kommet/ ein eigentlich mittel<lb/>
un&#x017F;rer &#x017F;eligkeit erkannt werden &#x017F;olle/ &#x017F;ondern dem Evangelio die ehre allein<lb/>
bleibe.</p><lb/>
              <p>Da nun die&#x017F;er &#x017F;atz recht erkla&#x0364;hret/ &#x017F;o bleibet er fe&#x017F;t/ und &#x017F;treitet weder ge-<lb/>
gen go&#x0364;ttliches wort/ noch gegen die Symboli&#x017F;che bu&#x0364;cher. Aus der Schrifft<lb/>
erwei&#x017F;e ich ihn al&#x017F;o: Was weder die reue heil&#x017F;am macht/ noch den glauben gie-<lb/>
bet/ noch den H. Gei&#x017F;t &#x017F;chencket/ noch dem men&#x017F;chen die gnade Gottes und ge-<lb/>
rechtigkeit zu wege bringet/ das kan an &#x017F;ich &#x017F;elbs/ wie lang es auch wiederhohlet<lb/>
wird/ keinen einigen men&#x017F;chen bekehren. Nun i&#x017F;t alles &#x017F;olches von dem ge&#x017F;etz<lb/>
wahr. <hi rendition="#aq">E.</hi> Welches eben das jenige i&#x017F;t/ was ich gepredigt habe. Gleiches la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et &#x017F;ich<lb/>
aus den Symboli&#x017F;chen bu&#x0364;chern ebenfalls erwei&#x017F;en/ als die vom ge&#x017F;etz und Evan-<lb/>
gelio nicht anders als die H. Schrifft lehren. Wo man auch nur zum &#x017F;chein<lb/>
etwas daraus wider die&#x017F;e lehr anfu&#x0364;hren wolte/ mu&#x0364;ßte es &#x017F;eyn aus der <hi rendition="#aq">Form. con-<lb/>
cord.</hi> da <hi rendition="#aq">artic. V. f.</hi> 239. die&#x017F;e gegenlehr verworffen wird: <hi rendition="#fr">wann gelehret wird/<lb/>
daß das Evangelium eigentlich eine buß- oder eine &#x017F;traffpredigt/ und<lb/>
nicht allein eine gnadenpredigt &#x017F;eye/ dadurch das Evangelium wieder zu<lb/>
einer ge&#x017F;etzlehre gemacht/ das verdien&#x017F;t Chri&#x017F;ti/ und H. Schrifft ver-<lb/>
dunckelt/ die Chri&#x017F;ten des rechten tro&#x017F;ts beraubet/ und dem Pap&#x017F;thum</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">die</hi></fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[10/0810] Das andere Capitel. qvalis fuit contritio Judæ: & cor contritum, carneum, æreum in obſeqvium flecti, in cujus medio habitat Dei ſpiritus; Illud prius eſt cor legale, hoc Evangelicum; Et hæc demum commixtio contritionis cum fide eſt opus Dei gratioſum, dum alias ac ſeorſim ex lege nulla gratia. Wo er auch ſolche ſeine lehr ſchoͤn erweiſet aus unſerm Luthero, der unter andern alſo ſpricht: Wenn wir die ſuͤnde bekennen/ und dieſelbige bereuen/ ſo iſt die buſſe ſchon angefangen/ darnach wird ſie vollkommen/ wenn in ſol- cher reue der glaube an die barmhertzigkeit GOTTES darzu kommet/ und die hertzen/ wie der Prophet lehret/ zu GOTT be- kehret werden/ und vergebung der ſuͤnden begehren. Alſo was das geſetz an ſich ſelbs thut/ wo es dabey bleibet/ iſt noch die wahre bekehrung nicht. Kan auch nicht ein Mittel der ſeligkeit eigentlich genennet werden. Hr. D. Huͤl- ſemann hat zwar zu erſt in ſeinem breviario geſetzt von der reue/ daß ſie ſeye pri- mum medium acqvirendi ſalutem, es bezeuget aber Hr. D. Schertzer/ da er ſolches breviarum ediret und vermehret/ daß als 1652. dem autori ſolche wort in der diſputation vorgehalten worden/ er geantwortet/ daß er viel geld darum geben wolte/ daß ſolche wort nicht gedruckt worden waͤren/ daher er in den fol- genden editionen allemal dazu ſetzen laſſen: παλυλῶς & ratione ordinis non cauſalitatis. Wie ers auch darnach alſo erklaͤhret: medium dicitur non po- ſitivum ſed privativum, qvale eſt puris remotio ad ſanandum vulnus u. f. w. Damit alſo nichts was aus dem geſetz an ſich ſelbs kommet/ ein eigentlich mittel unſrer ſeligkeit erkannt werden ſolle/ ſondern dem Evangelio die ehre allein bleibe. Da nun dieſer ſatz recht erklaͤhret/ ſo bleibet er feſt/ und ſtreitet weder ge- gen goͤttliches wort/ noch gegen die Symboliſche buͤcher. Aus der Schrifft erweiſe ich ihn alſo: Was weder die reue heilſam macht/ noch den glauben gie- bet/ noch den H. Geiſt ſchencket/ noch dem menſchen die gnade Gottes und ge- rechtigkeit zu wege bringet/ das kan an ſich ſelbs/ wie lang es auch wiederhohlet wird/ keinen einigen menſchen bekehren. Nun iſt alles ſolches von dem geſetz wahr. E. Welches eben das jenige iſt/ was ich gepredigt habe. Gleiches laͤſſet ſich aus den Symboliſchen buͤchern ebenfalls erweiſen/ als die vom geſetz und Evan- gelio nicht anders als die H. Schrifft lehren. Wo man auch nur zum ſchein etwas daraus wider dieſe lehr anfuͤhren wolte/ muͤßte es ſeyn aus der Form. con- cord. da artic. V. f. 239. dieſe gegenlehr verworffen wird: wann gelehret wird/ daß das Evangelium eigentlich eine buß- oder eine ſtraffpredigt/ und nicht allein eine gnadenpredigt ſeye/ dadurch das Evangelium wieder zu einer geſetzlehre gemacht/ das verdienſt Chriſti/ und H. Schrifft ver- dunckelt/ die Chriſten des rechten troſts beraubet/ und dem Papſthum die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/810
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/810>, abgerufen am 22.11.2024.