Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.ARTIC. IV. SECT. I. und ohne die krafft des H. Geistes bekehret werde/ so kan er also von dem gro-ben Pelagianismo nicht frey gesprochen werden: Der andere satz wird dadurch erwiesen/ weil das gesetz weder den Heil. Geist noch neue kräffte giebet/ sondern diese erst aus dem Evangelio kommen müssen/ da es hingegen allein fordert: Wann es dann uns mit seinem fordern bekehret/ und uns keine kräffte gegeben hat/ so muß es solche kräffte noch bey uns gefunden haben. Jedoch will ich dem censori sothaner proposition diese Ketzerey nicht auffbürden/ indem er vielleicht die folge nicht vorgesehen/ wolte er aber dabey verharren/ so könte er sich solcher auflage nicht entbrechen. Die V. Frage. Ob einer person/ so im öffentlichen schulamt ste- het/ vergönnet seye/ in seinen predigten einige vorschläge zu thun/ dadurch das gefallene Christenthum könte erbauet werden? HJerauff kan nicht anders als mit ja geantwortet/ und solcher person 2. Was nun insgesamt allen Christen durch die pflicht der liebe erlaubt ge- mer b 3
ARTIC. IV. SECT. I. und ohne die krafft des H. Geiſtes bekehret werde/ ſo kan er alſo von dem gro-ben Pelagianiſmo nicht frey geſprochen werden: Der andere ſatz wird dadurch erwieſen/ weil das geſetz weder den Heil. Geiſt noch neue kraͤffte giebet/ ſondern dieſe erſt aus dem Evangelio kommen muͤſſen/ da es hingegen allein fordert: Wann es dann uns mit ſeinem fordern bekehret/ und uns keine kraͤffte gegeben hat/ ſo muß es ſolche kraͤffte noch bey uns gefunden haben. Jedoch will ich dem cenſori ſothaner propoſition dieſe Ketzerey nicht auffbuͤrden/ indem er vielleicht die folge nicht vorgeſehen/ wolte er aber dabey verharren/ ſo koͤnte er ſich ſolcher auflage nicht entbrechen. Die V. Frage. Ob einer perſon/ ſo im oͤffentlichen ſchulamt ſte- het/ vergoͤnnet ſeye/ in ſeinen predigten einige vorſchlaͤge zu thun/ dadurch das gefallene Chriſtenthum koͤnte erbauet werden? HJerauff kan nicht anders als mit ja geantwortet/ und ſolcher perſon 2. Was nun insgeſamt allen Chriſten durch die pflicht der liebe erlaubt ge- mer b 3
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ARTIC. IV. SECT. I.
und ohne die krafft des H. Geiſtes bekehret werde/ ſo kan er alſo von dem gro-
ben Pelagianiſmo nicht frey geſprochen werden: Der andere ſatz wird dadurch
erwieſen/ weil das geſetz weder den Heil. Geiſt noch neue kraͤffte giebet/ ſondern
dieſe erſt aus dem Evangelio kommen muͤſſen/ da es hingegen allein fordert:
Wann es dann uns mit ſeinem fordern bekehret/ und uns keine kraͤffte gegeben
hat/ ſo muß es ſolche kraͤffte noch bey uns gefunden haben. Jedoch will ich dem
cenſori ſothaner propoſition dieſe Ketzerey nicht auffbuͤrden/ indem er vielleicht
die folge nicht vorgeſehen/ wolte er aber dabey verharren/ ſo koͤnte er ſich ſolcher
auflage nicht entbrechen.
Die V. Frage.
Ob einer perſon/ ſo im oͤffentlichen ſchulamt ſte-
het/ vergoͤnnet ſeye/ in ſeinen predigten einige vorſchlaͤge
zu thun/ dadurch das gefallene Chriſtenthum
koͤnte erbauet werden?
HJerauff kan nicht anders als mit ja geantwortet/ und ſolcher perſon
beginnen/ da nur ſonſten der vortrag derſelbigen beſcheidentlich und
ohne perſonal anzuͤglichkeiten geſchehen iſt/ gebilliget werden. Denn
1. an die verbeſſerung des gefallenen Chriſtenthums/ da es mit demſelben lei-
der ſo tieff herab gekommen/ zugedencken/ und um den ſchaden Joſephs ſich zu
bekuͤmmern/ ſtehet allen Chriſten/ welche Gottes ehr und des naͤchſten heil lie-
ben/ zu/ und alſo iſt ihnen nicht nur befohlen davor zu beten/ ſondern auch er-
laubt/ dafern ihnen GOtt einige erkaͤntniß der mittel gegeben haben ſolte/ die-
ſelbe aus der allgemeinen pflicht der liebe nicht zwahr andern auffzudringen/ aber
doch zu ferner uͤberlegung und pruͤfung vorzulegen. Sind nun ſolche vorſchlaͤge
wichtig und zulaͤnglich/ ſo ſind andere auch verbunden/ ſolche anzunehmen/ und
was von GOtt kommet (von dem aber kommt alles/ was wahrhafftig gut iſt)
um der perſon willen/ ſolte ſie auch gar ſonſten die einfaͤltigſte und verachteſte
ſeyn/ (maſſen ſich GOtt an nichts bindet/ worauff die menſchen ſehen/ wo Er
ſeine gaben austheilet/) nicht in wind zu ſchlagen. Sind aber die vorſchlaͤge
nicht nuͤtzlich/ ſo ſind ſolche leute mit ſanfftmuth zu bedeuten/ daß man zwahr
ihren guten willen lobe/ aber ihre anſchlaͤge nicht thunlich oder vortraͤglich finde:
da alsdann dieſe auch billig ſich zur ruhe zu begeben/ und andere zu ihren gedan-
nicht eben zu noͤthigen haben.
2. Was nun insgeſamt allen Chriſten durch die pflicht der liebe erlaubt ge-
macht wird/ kan ſo vielmehr demjenigen zukommen/ welchen GOtt in ein oͤffent-
lich ſchulamt geſetzet/ und ihm alſo einen theil ſeiner heerde/ nemlich die zarte laͤm-
mer
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