Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.ARTIC. IV. SECT. XXII. darmit umzugehen haben/ wehren wolle. Wo auff dergleichen art eine vor-bitte eingerichtet würde/ wäre daran nichts zu straffen/ noch könte iemand daran einen anstoß nehmen. Was aber die in der qvaestion angedeutete vorbitte anlangt/ sind diese bey- Da nun also dieses der inhalt und absicht der formul ist/ so sind viel fehler von l 2
ARTIC. IV. SECT. XXII. darmit umzugehen haben/ wehren wolle. Wo auff dergleichen art eine vor-bitte eingerichtet wuͤrde/ waͤre daran nichts zu ſtraffen/ noch koͤnte iemand daran einen anſtoß nehmen. Was aber die in der qvæſtion angedeutete vorbitte anlangt/ ſind dieſe bey- Da nun alſo dieſes der inhalt und abſicht der formul iſt/ ſo ſind viel fehler von l 2
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ARTIC. IV. SECT. XXII.
darmit umzugehen haben/ wehren wolle. Wo auff dergleichen art eine vor-
bitte eingerichtet wuͤrde/ waͤre daran nichts zu ſtraffen/ noch koͤnte iemand daran
einen anſtoß nehmen.
Was aber die in der qvæſtion angedeutete vorbitte anlangt/ ſind dieſe bey-
de ſtuͤcke vornehmlich darinnen bedencklich. 1. Daß die ſache allzugenau und
umſtaͤndlich durch benennung eines jungen patritii, der in die frembde gehen
wolle/ und eine rechtsſache habe/ beſchrieben wird/ daß vielleicht wenige des
orts ſeyn moͤgen/ welche nicht allezeit bey ableſung dieſer formul wiſſen ſolten/
wem es betraͤffe. Zwar doͤrffte man einwenden/ daß bey vorbitten auch nicht
unrecht ſeye/ ob man ſchon wuͤſte/ wem es betraͤffe/ da an vielen orten mit be-
nenuung der gaſſen oder ſtraſſen/ auch wol zuweilen mit ausdruͤckung gewiſſer
characterum, in den vorbitten vor die krancken und andern mit fleiß getrachtet
wird/ die perſonen etlichermaſſen kund zumachen/ welches niemand ſtraffte: aber
hierauff iſt zu antworten/ daß in andern angelegenheiten dergleichen wol geſche-
hen moͤge/ wo keine gefahr einiger ſuͤnde daraus zuſorgen iſt/ was aber rechts-ſa-
chen anlanget/ weil man leicht andern gelegenheit zuſuͤndigen geben kan/ ſolle bil-
lich die ſpecial ſache nicht bekant ſeyn/ noch zu anderer gruͤblung anlaß gegeben
werden. 2. Sonderlich aber iſt das ſchwehrſte/ daß die formul deutlich gnug
des patritii ſache recht ſpricht/ und alſo die kirche zu ſolchem præjudicio mit obli-
giren will. 1. Da gebeten wird/ GOtt ſolle des menſchen troſt ſeyn/ dergleichen
aber gehoͤret keinem als der gewiß eine rechte ſache hat/ wo hingegen die ſache
noch zweiffelhafft iſt/ ſo ſoll vielmehr gebeten werden/ daß GOtt auch den par-
theyen erkaͤntnuͤß ihres rechts oder unrechts ertheilen wolte. 2. Wird vor ihm
gebeten um gedult/ die wiederum involviret/ daß ihm von gegentheil unrecht ge-
ſchehen ſeye: ſo heiſſet es 3. ausdruͤcklich/ daß GOtt ſein recht ans licht brin-
gen moͤge/ welches præſupponiret/ daß er recht haben muͤſſe/ und alſo 4. ihm
der ſieg in der ſache erbeten werden ſolte.
Da nun alſo dieſes der inhalt und abſicht der formul iſt/ ſo ſind viel fehler
darinnen. 1. Hat damit der Prediger/ welcher ſolche formul auffgeſetzet oder
gebilliget hat/ ſich præcipitirt/ daß er in einer ihm nicht gnugſam bekanten ſache
ein vorurtheil ſpricht/ und alſo vor den einen als unſchuldigen/ und wider den
andern als ſchuldigen/ theil beten will. Jch ſage in einer ihm nicht gnugſam/
ſo viel als nemlich zu einem ausſpruch gehoͤrte/ bekanten ſache; denn er ſchwer-
lich mehr als den einen theil daruͤber gehoͤret haben wird/ wie auch aus der 2. ob-
ſervation bey der frage abzuſehen/ daß er mit dem andern theil davon nicht ge-
handelt haben ſolle: geſetzt aber/ er haͤtte auch derſelben fundamenten angehoͤ-
zet/ iſt ihm deswegen die ſache noch nicht auff gedachte art gnug bekant/ indem
wo ſie beyderſeits in facto diſcrepirte/ wer ſich ruͤhmen will eine ſache/ um da-
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