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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das andere Capitel.
aber daß es in solchen dingen bestünde/ die gleichwol an sich nicht böse/ jedoch
ohne nutzen sind/ (daher verständige Christen/ wo sie in der freyheit stünden/
und nicht gefährliche zerrüttung der kirchen/ also mehr schaden daraus/ als aus
der duldung eines menschlichen jochs/ bey den seelen zu sorgen wäre/ sie lieber
auszubleiben wünscheten/) so dann/ daß der glaube frey bleibe/ und man nicht
denselben etwas göttlicher krafft beylegen müßte: viemehr braucht man die an
sich göttliche mittel/ so rein als man sie jedes orts haben kan.

3. Ob wol beym gevatter bitten in erwehlung derselben/ in absichten/ und
andern was dabey vorgehet/ heut zu tage manche mißbräuche gefunden werden/
ist doch die ordnung gevattern zu haben/ weder an sich ein mißbrauch/ noch viel
weniger gar Antichristisch: ja wo alles darmit herginge/ wie es solte/ und die absicht
der ersten Christen war/ würde es eine stattliche beförderung vieles guten werden/ wie
gleichwol auch in jetzigen zustand diese kirchen-ordnung nicht ohne frucht bleibet.
Es ist aber dieselbe bereits in der ersten kirchen gewesen/ und mögen die damalige
verfolgungen viel darzu gethan haben: damit auff den fall/ da eltern um des
nahmens des HErrn willen ihr leben lassen mußten/ ihre kinder nicht allein ihrer
tauff zeugen an ihnen hätten/ sondern auch ihre erziehung durch dero väterl. treue
befördert würde. Ob wol auch die bey erwachsenen jahren zur tauff kamer/
dergleichen auch mitbrächten/ an welchen sie stäte auffseher ihres lebens und an-
treiber zu der beobachtung der tauffpflichten hatten. Was ist nun in der sache
selbs ein mißbrauch oder Antichristisch?

4. Das eintauchen in der tauff wünschete ich wol/ niemal geändert wor-
den zu seyn/ wie dann den ursachen/ aus denen die änderung geschehen/ auff an-
dre weise hätte begegnet werden können: indessen da eine abermalige änderung
nicht ohne größte zerrüttung der kirchen und vieles ärgernüß abgehen könte/ da-
her die klährere ausdrückung der tauffbedeutung in solcher ceremonie nicht so viele
erbauung bringen würde/ als das ärgernüß niederschlüge/ wäre bey ietziger be-
wandnüß die eintauchung einzuführen auch nicht rathsam/ am wenigsten aber hat
man sich der tauff um der besserung willen gar zu enthalten: So kan diese nicht
mit fug unter die Antichristische mißbräuche gezehlet werden: als die in der noch
reinern kirchen bereits in gebrauch zu kommen angefangen hat. Wie dann schon
der alte Cyprianus solches gebrauchs nicht allein gedencket/ sondern mit meh-
rern behauptet L. 4. ep. 7. daß die tauffe gültig seye/ sie werde durch besprengen
oder eintauchen verrichtet/ auch darzu den ort des Propheten anführet/ Ezech.
36/ 25. ich will rein wasser über euch sprengen: er antwortet auch auff den
einwurff/ daß der besprengte weniger wasser empfinge/ also/ der Heil. Geist
werde nicht nach der maß gegeben/ sondern gantz über den gläubigen ausgegossen.

5. Was das H. Abendmahl anlangt/ kan der zeit wegen/ daß wir solches
nunmehr meistens des morgens halten/ kein bedencken gemacht werden/ ob würde

da-

Das andere Capitel.
aber daß es in ſolchen dingen beſtuͤnde/ die gleichwol an ſich nicht boͤſe/ jedoch
ohne nutzen ſind/ (daher verſtaͤndige Chriſten/ wo ſie in der freyheit ſtuͤnden/
und nicht gefaͤhrliche zerruͤttung der kirchen/ alſo mehr ſchaden daraus/ als aus
der duldung eines menſchlichen jochs/ bey den ſeelen zu ſorgen waͤre/ ſie lieber
auszubleiben wuͤnſcheten/) ſo dann/ daß der glaube frey bleibe/ und man nicht
denſelben etwas goͤttlicher krafft beylegen muͤßte: viemehr braucht man die an
ſich goͤttliche mittel/ ſo rein als man ſie jedes orts haben kan.

3. Ob wol beym gevatter bitten in erwehlung derſelben/ in abſichten/ und
andern was dabey vorgehet/ heut zu tage manche mißbraͤuche gefunden werden/
iſt doch die ordnung gevattern zu haben/ weder an ſich ein mißbrauch/ noch viel
weniger gar Antichriſtiſch: ja wo alles darmit herginge/ wie es ſolte/ und die abſicht
der erſtẽ Chꝛiſten war/ wuͤꝛde es eine ſtattliche befoͤrderung vieles guten werden/ wie
gleichwol auch in jetzigen zuſtand dieſe kirchen-ordnung nicht ohne frucht bleibet.
Es iſt aber dieſelbe bereits in der erſten kirchen geweſen/ und moͤgen die damalige
verfolgungen viel darzu gethan haben: damit auff den fall/ da eltern um des
nahmens des HErrn willen ihr leben laſſen mußten/ ihre kinder nicht allein ihrer
tauff zeugen an ihnen haͤtten/ ſondern auch ihre erziehung durch dero vaͤterl. treue
befoͤrdert wuͤrde. Ob wol auch die bey erwachſenen jahren zur tauff kamer/
dergleichen auch mitbraͤchten/ an welchen ſie ſtaͤte auffſeher ihres lebens und an-
treiber zu der beobachtung der tauffpflichten hatten. Was iſt nun in der ſache
ſelbs ein mißbrauch oder Antichriſtiſch?

4. Das eintauchen in der tauff wuͤnſchete ich wol/ niemal geaͤndert wor-
den zu ſeyn/ wie dann den urſachen/ aus denen die aͤnderung geſchehen/ auff an-
dre weiſe haͤtte begegnet werden koͤnnen: indeſſen da eine abermalige aͤnderung
nicht ohne groͤßte zerruͤttung der kirchen und vieles aͤrgernuͤß abgehen koͤnte/ da-
her die klaͤhrere ausdruͤckung der tauffbedeutung in ſolcher ceremonie nicht ſo viele
erbauung bringen wuͤrde/ als das aͤrgernuͤß niederſchluͤge/ waͤre bey ietziger be-
wandnuͤß die eintauchung einzufuͤhren auch nicht rathſam/ am wenigſten aber hat
man ſich der tauff um der beſſerung willen gar zu enthalten: So kan dieſe nicht
mit fug unter die Antichriſtiſche mißbraͤuche gezehlet werden: als die in der noch
reinern kirchen bereits in gebrauch zu kommen angefangen hat. Wie dann ſchon
der alte Cyprianus ſolches gebrauchs nicht allein gedencket/ ſondern mit meh-
rern behauptet L. 4. ep. 7. daß die tauffe guͤltig ſeye/ ſie werde durch beſprengen
oder eintauchen verrichtet/ auch darzu den ort des Propheten anfuͤhret/ Ezech.
36/ 25. ich will rein waſſer uͤber euch ſprengen: er antwortet auch auff den
einwurff/ daß der beſprengte weniger waſſer empfinge/ alſo/ der Heil. Geiſt
werde nicht nach der maß gegeben/ ſondern gantz uͤber den glaͤubigen ausgegoſſen.

5. Was das H. Abendmahl anlangt/ kan der zeit wegen/ daß wir ſolches
nunmehr meiſtens des morgens halten/ kein bedencken gemacht werden/ ob wuͤrde

da-
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[134/0934] Das andere Capitel. aber daß es in ſolchen dingen beſtuͤnde/ die gleichwol an ſich nicht boͤſe/ jedoch ohne nutzen ſind/ (daher verſtaͤndige Chriſten/ wo ſie in der freyheit ſtuͤnden/ und nicht gefaͤhrliche zerruͤttung der kirchen/ alſo mehr ſchaden daraus/ als aus der duldung eines menſchlichen jochs/ bey den ſeelen zu ſorgen waͤre/ ſie lieber auszubleiben wuͤnſcheten/) ſo dann/ daß der glaube frey bleibe/ und man nicht denſelben etwas goͤttlicher krafft beylegen muͤßte: viemehr braucht man die an ſich goͤttliche mittel/ ſo rein als man ſie jedes orts haben kan. 3. Ob wol beym gevatter bitten in erwehlung derſelben/ in abſichten/ und andern was dabey vorgehet/ heut zu tage manche mißbraͤuche gefunden werden/ iſt doch die ordnung gevattern zu haben/ weder an ſich ein mißbrauch/ noch viel weniger gar Antichriſtiſch: ja wo alles darmit herginge/ wie es ſolte/ und die abſicht der erſtẽ Chꝛiſten war/ wuͤꝛde es eine ſtattliche befoͤrderung vieles guten werden/ wie gleichwol auch in jetzigen zuſtand dieſe kirchen-ordnung nicht ohne frucht bleibet. Es iſt aber dieſelbe bereits in der erſten kirchen geweſen/ und moͤgen die damalige verfolgungen viel darzu gethan haben: damit auff den fall/ da eltern um des nahmens des HErrn willen ihr leben laſſen mußten/ ihre kinder nicht allein ihrer tauff zeugen an ihnen haͤtten/ ſondern auch ihre erziehung durch dero vaͤterl. treue befoͤrdert wuͤrde. Ob wol auch die bey erwachſenen jahren zur tauff kamer/ dergleichen auch mitbraͤchten/ an welchen ſie ſtaͤte auffſeher ihres lebens und an- treiber zu der beobachtung der tauffpflichten hatten. Was iſt nun in der ſache ſelbs ein mißbrauch oder Antichriſtiſch? 4. Das eintauchen in der tauff wuͤnſchete ich wol/ niemal geaͤndert wor- den zu ſeyn/ wie dann den urſachen/ aus denen die aͤnderung geſchehen/ auff an- dre weiſe haͤtte begegnet werden koͤnnen: indeſſen da eine abermalige aͤnderung nicht ohne groͤßte zerruͤttung der kirchen und vieles aͤrgernuͤß abgehen koͤnte/ da- her die klaͤhrere ausdruͤckung der tauffbedeutung in ſolcher ceremonie nicht ſo viele erbauung bringen wuͤrde/ als das aͤrgernuͤß niederſchluͤge/ waͤre bey ietziger be- wandnuͤß die eintauchung einzufuͤhren auch nicht rathſam/ am wenigſten aber hat man ſich der tauff um der beſſerung willen gar zu enthalten: So kan dieſe nicht mit fug unter die Antichriſtiſche mißbraͤuche gezehlet werden: als die in der noch reinern kirchen bereits in gebrauch zu kommen angefangen hat. Wie dann ſchon der alte Cyprianus ſolches gebrauchs nicht allein gedencket/ ſondern mit meh- rern behauptet L. 4. ep. 7. daß die tauffe guͤltig ſeye/ ſie werde durch beſprengen oder eintauchen verrichtet/ auch darzu den ort des Propheten anfuͤhret/ Ezech. 36/ 25. ich will rein waſſer uͤber euch ſprengen: er antwortet auch auff den einwurff/ daß der beſprengte weniger waſſer empfinge/ alſo/ der Heil. Geiſt werde nicht nach der maß gegeben/ ſondern gantz uͤber den glaͤubigen ausgegoſſen. 5. Was das H. Abendmahl anlangt/ kan der zeit wegen/ daß wir ſolches nunmehr meiſtens des morgens halten/ kein bedencken gemacht werden/ ob wuͤrde da-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/934>, abgerufen am 26.11.2024.