Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

Bild:
<< vorherige Seite
ARTIC. V. SECTIO I.

Was die sorge der künfftigen übeln aufferziehung anlangt/ ist zwar leider die
gefahr groß/ es können aber gottselige eltern/ ob sie wohl alles das ihrige zu thun
willens sind/ nie gewiß seyn/ ob sie GOtt zu völliger aufferziehung der kinder
bey leben lassen/ oder auch ihr fleiß an denselben glücklich anschlagen werde/ son-
dern es stehet alles in göttlicher väterlicher regierung/ indessen zweiffelt niemand
wegen solcher ungewißheit/ daß ihre kinder nicht zu tauffen wären; ob dann wol
die gefahr bey gottlosen eltern noch schwehrer/ hingegen die hoffnung des gera-
thens geringer ist/ mag solches doch nicht gnug seyn/ ihren kindern die tauff des-
wegen zu versagen/ nicht allein weil es müglich/ daß sie noch in zarter kindheit
sterben/ in dero der bruch des bundes nicht zu sorgen/ sondern auch weil die eltern
entweder ihnen zeitlicher entrissen oder von Gott bekehrt werden können: ja Gott
kan andre erwecken/ die aus allgemeiner oder absonderlichen pflicht sich der kin-
der annehmen/ die den mangel der elterlichen zucht ersetzen: und mangelts so we-
nig an exempeln der kinder von gottlosen eltern/ die nichts destoweniger aus gött-
licher gnade wohl gerathen sind/ als leider an übel gerathenen kindern frommer el-
tern. Daher auch diese furcht der künfftigen begegnüssen die kinder von erlan-
gung des ihnen zukommenden rechts nicht ausschliessen solle/ vielmehr sollen sie
GOtt durch den tauffbund in seine väterliche gnade und huld desto eher und treu-
licher empfohlen werden/ daß er sie desto weniger verlasse; da man sorgen muß/
daß sie von der eltern schuldigen treue verlassen werden/ und ihrer manglen werden.

Die IV. Frage.
Ob Prediger die verwaltung der Sacramenten unterlassen
sollen/ weil Antichristische mißbräuche dabey: als bey der tauff 1. das
gevatter bitten. 2. Daß die kinder nicht eingetaucht würden: bey
dem Abendmahl/ daß es nicht bey dem abendessen/ wie es Christus
gebraucht/ gehalten werde: weil kein brod/ sondern hostien
dabey gebraucht würden?

ES ist diese versuchung/ wo ein Prediger darmit angefochten wird/ sehr
gefährlich/ und derselben in der gnade GOttes ernstlich zu widerstehen.
1. gehöret nicht alles unter die Antichristische mißbräuche/ was in dem
Antichristischen Papstthum gewesen/ und wir es aus demselben herbekommen
haben. Will also von einer ceremonie erwiesen werden/ ein Antichristischer miß-
brauch zu seyn/ so muß erstlich der mißbrauch/ nechst dem der Antichristische geist/
aus dem er entstanden seye/ gezeiget werden.

2. Weil beyde Sacramenten tauff und Abendmahl unzweiffentlich gött-
liche einsetzungen sind/ darüber göttlicher befehl verhanden ist/ kan dero verwal-
tung nicht auffgehaben werden/ ob auch menschen werck mit angeflickt würde/

aber
r 3
ARTIC. V. SECTIO I.

Was die ſorge der kuͤnfftigen uͤbeln aufferziehung anlangt/ iſt zwar leider die
gefahr groß/ es koͤnnen aber gottſelige eltern/ ob ſie wohl alles das ihrige zu thun
willens ſind/ nie gewiß ſeyn/ ob ſie GOtt zu voͤlliger aufferziehung der kinder
bey leben laſſen/ oder auch ihr fleiß an denſelben gluͤcklich anſchlagen werde/ ſon-
dern es ſtehet alles in goͤttlicher vaͤterlicher regierung/ indeſſen zweiffelt niemand
wegen ſolcher ungewißheit/ daß ihre kinder nicht zu tauffen waͤren; ob dann wol
die gefahr bey gottloſen eltern noch ſchwehrer/ hingegen die hoffnung des gera-
thens geringer iſt/ mag ſolches doch nicht gnug ſeyn/ ihren kindern die tauff des-
wegen zu verſagen/ nicht allein weil es muͤglich/ daß ſie noch in zarter kindheit
ſterben/ in dero der bruch des bundes nicht zu ſorgen/ ſondern auch weil die eltern
entweder ihnen zeitlicher entriſſen oder von Gott bekehrt werden koͤnnen: ja Gott
kan andre erwecken/ die aus allgemeiner oder abſonderlichen pflicht ſich der kin-
der annehmen/ die den mangel der elterlichen zucht erſetzen: und mangelts ſo we-
nig an exempeln der kinder von gottloſen eltern/ die nichts deſtoweniger aus goͤtt-
licher gnade wohl gerathen ſind/ als leider an uͤbel gerathenen kindern frommer el-
tern. Daher auch dieſe furcht der kuͤnfftigen begegnuͤſſen die kinder von erlan-
gung des ihnen zukommenden rechts nicht ausſchlieſſen ſolle/ vielmehr ſollen ſie
GOtt durch den tauffbund in ſeine vaͤterliche gnade und huld deſto eher und treu-
licher empfohlen werden/ daß er ſie deſto weniger verlaſſe; da man ſorgen muß/
daß ſie von der eltern ſchuldigen treue verlaſſen werden/ und ihrer manglen werden.

Die IV. Frage.
Ob Prediger die verwaltung der Sacramenten unterlaſſen
ſollen/ weil Antichriſtiſche mißbraͤuche dabey: als bey der tauff 1. das
gevatter bitten. 2. Daß die kinder nicht eingetaucht wuͤrden: bey
dem Abendmahl/ daß es nicht bey dem abendeſſen/ wie es Chriſtus
gebraucht/ gehalten werde: weil kein brod/ ſondern hoſtien
dabey gebraucht wuͤrden?

ES iſt dieſe verſuchung/ wo ein Prediger darmit angefochten wird/ ſehr
gefaͤhrlich/ und derſelben in der gnade GOttes ernſtlich zu widerſtehen.
1. gehoͤret nicht alles unter die Antichriſtiſche mißbraͤuche/ was in dem
Antichriſtiſchen Papſtthum geweſen/ und wir es aus demſelben herbekommen
haben. Will alſo von einer ceremonie erwieſen werden/ ein Antichriſtiſcher miß-
brauch zu ſeyn/ ſo muß erſtlich der mißbrauch/ nechſt dem der Antichriſtiſche geiſt/
aus dem er entſtanden ſeye/ gezeiget werden.

2. Weil beyde Sacramenten tauff und Abendmahl unzweiffentlich goͤtt-
liche einſetzungen ſind/ daruͤber goͤttlicher befehl verhanden iſt/ kan dero verwal-
tung nicht auffgehaben werden/ ob auch menſchen werck mit angeflickt wuͤrde/

aber
r 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0933" n="133"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">ARTIC. V. SECTIO</hi> I.</hi> </hi> </fw><lb/>
              <p>Was die &#x017F;orge der ku&#x0364;nfftigen u&#x0364;beln aufferziehung anlangt/ i&#x017F;t zwar leider die<lb/>
gefahr groß/ es ko&#x0364;nnen aber gott&#x017F;elige eltern/ ob &#x017F;ie wohl alles das ihrige zu thun<lb/>
willens &#x017F;ind/ nie gewiß &#x017F;eyn/ ob &#x017F;ie GOtt zu vo&#x0364;lliger aufferziehung der kinder<lb/>
bey leben la&#x017F;&#x017F;en/ oder auch ihr fleiß an den&#x017F;elben glu&#x0364;cklich an&#x017F;chlagen werde/ &#x017F;on-<lb/>
dern es &#x017F;tehet alles in go&#x0364;ttlicher va&#x0364;terlicher regierung/ inde&#x017F;&#x017F;en zweiffelt niemand<lb/>
wegen &#x017F;olcher ungewißheit/ daß ihre kinder nicht zu tauffen wa&#x0364;ren; ob dann wol<lb/>
die gefahr bey gottlo&#x017F;en eltern noch &#x017F;chwehrer/ hingegen die hoffnung des gera-<lb/>
thens geringer i&#x017F;t/ mag &#x017F;olches doch nicht gnug &#x017F;eyn/ ihren kindern die tauff des-<lb/>
wegen zu ver&#x017F;agen/ nicht allein weil es mu&#x0364;glich/ daß &#x017F;ie noch in zarter kindheit<lb/>
&#x017F;terben/ in dero der bruch des bundes nicht zu &#x017F;orgen/ &#x017F;ondern auch weil die eltern<lb/>
entweder ihnen zeitlicher entri&#x017F;&#x017F;en oder von Gott bekehrt werden ko&#x0364;nnen: ja Gott<lb/>
kan andre erwecken/ die aus allgemeiner oder ab&#x017F;onderlichen pflicht &#x017F;ich der kin-<lb/>
der annehmen/ die den mangel der elterlichen zucht er&#x017F;etzen: und mangelts &#x017F;o we-<lb/>
nig an exempeln der kinder von gottlo&#x017F;en eltern/ die nichts de&#x017F;toweniger aus go&#x0364;tt-<lb/>
licher gnade wohl gerathen &#x017F;ind/ als leider an u&#x0364;bel gerathenen kindern frommer el-<lb/>
tern. Daher auch die&#x017F;e furcht der ku&#x0364;nfftigen begegnu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en die kinder von erlan-<lb/>
gung des ihnen zukommenden rechts nicht aus&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en &#x017F;olle/ vielmehr &#x017F;ollen &#x017F;ie<lb/>
GOtt durch den tauffbund in &#x017F;eine va&#x0364;terliche gnade und huld de&#x017F;to eher und treu-<lb/>
licher empfohlen werden/ daß er &#x017F;ie de&#x017F;to weniger verla&#x017F;&#x017F;e; da man &#x017F;orgen muß/<lb/>
daß &#x017F;ie von der eltern &#x017F;chuldigen treue verla&#x017F;&#x017F;en werden/ und ihrer manglen werden.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Die <hi rendition="#aq">IV.</hi> Frage.<lb/>
Ob Prediger die verwaltung der Sacramenten unterla&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ollen/ weil Antichri&#x017F;ti&#x017F;che mißbra&#x0364;uche dabey: als bey der tauff 1. das<lb/>
gevatter bitten. 2. Daß die kinder nicht eingetaucht wu&#x0364;rden: bey<lb/>
dem Abendmahl/ daß es nicht bey dem abende&#x017F;&#x017F;en/ wie es Chri&#x017F;tus<lb/>
gebraucht/ gehalten werde: weil kein brod/ &#x017F;ondern ho&#x017F;tien<lb/>
dabey gebraucht wu&#x0364;rden?</hi> </head><lb/>
              <p><hi rendition="#in">E</hi>S i&#x017F;t die&#x017F;e ver&#x017F;uchung/ wo ein Prediger darmit angefochten wird/ &#x017F;ehr<lb/>
gefa&#x0364;hrlich/ und der&#x017F;elben in der gnade GOttes ern&#x017F;tlich zu wider&#x017F;tehen.<lb/>
1. geho&#x0364;ret nicht alles unter die Antichri&#x017F;ti&#x017F;che mißbra&#x0364;uche/ was in dem<lb/>
Antichri&#x017F;ti&#x017F;chen Pap&#x017F;tthum gewe&#x017F;en/ und wir es aus dem&#x017F;elben herbekommen<lb/>
haben. Will al&#x017F;o von einer ceremonie erwie&#x017F;en werden/ ein Antichri&#x017F;ti&#x017F;cher miß-<lb/>
brauch zu &#x017F;eyn/ &#x017F;o muß er&#x017F;tlich der mißbrauch/ nech&#x017F;t dem der Antichri&#x017F;ti&#x017F;che gei&#x017F;t/<lb/>
aus dem er ent&#x017F;tanden &#x017F;eye/ gezeiget werden.</p><lb/>
              <p>2. Weil beyde Sacramenten tauff und Abendmahl unzweiffentlich go&#x0364;tt-<lb/>
liche ein&#x017F;etzungen &#x017F;ind/ daru&#x0364;ber go&#x0364;ttlicher befehl verhanden i&#x017F;t/ kan dero verwal-<lb/>
tung nicht auffgehaben werden/ ob auch men&#x017F;chen werck mit angeflickt wu&#x0364;rde/<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">r 3</fw><fw place="bottom" type="catch">aber</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[133/0933] ARTIC. V. SECTIO I. Was die ſorge der kuͤnfftigen uͤbeln aufferziehung anlangt/ iſt zwar leider die gefahr groß/ es koͤnnen aber gottſelige eltern/ ob ſie wohl alles das ihrige zu thun willens ſind/ nie gewiß ſeyn/ ob ſie GOtt zu voͤlliger aufferziehung der kinder bey leben laſſen/ oder auch ihr fleiß an denſelben gluͤcklich anſchlagen werde/ ſon- dern es ſtehet alles in goͤttlicher vaͤterlicher regierung/ indeſſen zweiffelt niemand wegen ſolcher ungewißheit/ daß ihre kinder nicht zu tauffen waͤren; ob dann wol die gefahr bey gottloſen eltern noch ſchwehrer/ hingegen die hoffnung des gera- thens geringer iſt/ mag ſolches doch nicht gnug ſeyn/ ihren kindern die tauff des- wegen zu verſagen/ nicht allein weil es muͤglich/ daß ſie noch in zarter kindheit ſterben/ in dero der bruch des bundes nicht zu ſorgen/ ſondern auch weil die eltern entweder ihnen zeitlicher entriſſen oder von Gott bekehrt werden koͤnnen: ja Gott kan andre erwecken/ die aus allgemeiner oder abſonderlichen pflicht ſich der kin- der annehmen/ die den mangel der elterlichen zucht erſetzen: und mangelts ſo we- nig an exempeln der kinder von gottloſen eltern/ die nichts deſtoweniger aus goͤtt- licher gnade wohl gerathen ſind/ als leider an uͤbel gerathenen kindern frommer el- tern. Daher auch dieſe furcht der kuͤnfftigen begegnuͤſſen die kinder von erlan- gung des ihnen zukommenden rechts nicht ausſchlieſſen ſolle/ vielmehr ſollen ſie GOtt durch den tauffbund in ſeine vaͤterliche gnade und huld deſto eher und treu- licher empfohlen werden/ daß er ſie deſto weniger verlaſſe; da man ſorgen muß/ daß ſie von der eltern ſchuldigen treue verlaſſen werden/ und ihrer manglen werden. Die IV. Frage. Ob Prediger die verwaltung der Sacramenten unterlaſſen ſollen/ weil Antichriſtiſche mißbraͤuche dabey: als bey der tauff 1. das gevatter bitten. 2. Daß die kinder nicht eingetaucht wuͤrden: bey dem Abendmahl/ daß es nicht bey dem abendeſſen/ wie es Chriſtus gebraucht/ gehalten werde: weil kein brod/ ſondern hoſtien dabey gebraucht wuͤrden? ES iſt dieſe verſuchung/ wo ein Prediger darmit angefochten wird/ ſehr gefaͤhrlich/ und derſelben in der gnade GOttes ernſtlich zu widerſtehen. 1. gehoͤret nicht alles unter die Antichriſtiſche mißbraͤuche/ was in dem Antichriſtiſchen Papſtthum geweſen/ und wir es aus demſelben herbekommen haben. Will alſo von einer ceremonie erwieſen werden/ ein Antichriſtiſcher miß- brauch zu ſeyn/ ſo muß erſtlich der mißbrauch/ nechſt dem der Antichriſtiſche geiſt/ aus dem er entſtanden ſeye/ gezeiget werden. 2. Weil beyde Sacramenten tauff und Abendmahl unzweiffentlich goͤtt- liche einſetzungen ſind/ daruͤber goͤttlicher befehl verhanden iſt/ kan dero verwal- tung nicht auffgehaben werden/ ob auch menſchen werck mit angeflickt wuͤrde/ aber r 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/933
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/933>, abgerufen am 26.11.2024.