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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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in die geistliche verwandelt werde. Solten nun solcher vollkommenen leiber durch
ihre vollkommenheit unsterblich werden/ so müst ihnen auch eine geistliche art zu-
kommen/ und die natürliche auffgehöret haben: aus welchem aber sorglich al-
lerley ungereimtes folgen möchte. Also bleiben wir bey dem klahren aus-
spruch der schrifft/ die nach den fall allen menschen den zeitlichen todt zu erken-
net Hebr. 9/ 27. Rom. 5/ 12. und von dieser ausnahm nichts weiß/ daher
wir anch derselbigen uns nicht annehmen/ vielmehr zufrieden sind/ und unserm
liebsten Jesu davor danck sagen/ daß er uns das geistliche und ewige leben
schencket. Und daß unsre seele mehr und mehr von dem verderben des alten
menschen/ das auch ein phthora oder Verwesung ist/ Eph. 4/ 22. 2. Petr. 1/
4. durch seine gnade frey gemacht wird: dem leib anlangend lassen wir uns
vergnügen/ daß er dermaleins unverweßlich und unsterblich aufstehen solle. 1.
Cor. 15/ 42. da denn an jenem tag gegeben werden solle nach Rom. 2/ 1. preiß
und ehr und unvergängliches wesen
(oder unverweßlichkeit) denen die
mit gedult in guten wercken trachten nach dem ewigen leben.
Jn
diesem trost ertragen sie mit gedult alle beschwehrden des leibes in diesem leben
und beschwehrn uns nicht der noch abzustattenden letzten schuld der natur in
trennung des leibes und der seelen/ so dann jenes verwesung in dem grab. Gleich
wol haben die fromme von ihrer frömmigkeit auch in diesem leben vor ihren
leib einigen vortheil vor den gottlosen/ so wol daß auch derselbe der gnade der
wiedergeburt mit theilhaftig/ und zu GOttes tempel/ geheiliget worden. 1. Cor.
6/ 15. 19. also daß dieser auch in und durch denselben gutes würcket/ daher ihn
vor andern in seiner sonderbaren hut hält/ als auch indem durch ihre gottselig-
keit sie ihn in gewisser maaß auch natürlich bey besserer gesundheit erhalten/ als
dero vortrefliches mittel ist die genau beobachtete mäßigkeit/ so dann die stille/
in dero sie ihre affecten stets halten/ da hingegen wo jene meisterin nicht diesel-
be/ als zorn/ forcht/ traurigkeit/ angst/ sorg und dergleichen also auch die be-
gierde in essen und trincken/ in genauern schrancken bewahret die meiste natür-
liche menschen ihnen selbst an gesundheit und leben allzuvielmal schaden thun:
Daher welcher in der gottseeligkeit zu einem mehrern grad der vollkommenheit
gelanget ist/ dessen auch an seinem leib/ ob er schon der sterblichkeit nicht frey
wird/ mit dancksagung zu GOtt geniesset. Der Herr gebe nns in allen din-
gen seine wahrheit und willen mit gnugsamer versicherung zu erkennen/ erhalte
uns bey der einfalt seines worts/ und reinige die zu einem hertzlichen eiffer seines
dienstes aller orten erweckte seelen von allen dem/ wo sich bey ihnen eigne ge-
dancken in das göttliche mit einmischen wollen/ lehre sie hingegen gedult mit
unsrer kirchen und der bewandnus gegenwärtiger zeit haben/ des guten/ wie
es uns jetzt werden mag treulich gebrauchen/ in demuth unter jetzigen gerichten
aus halten/ und in glaubiger hoffnung der künftigen besserung erwarten/ um
JEsu Christi willen. Amen.

SECTIO

Das andere Capitel.
in die geiſtliche verwandelt werde. Solten nun ſolcher vollkommenen leiber durch
ihre vollkommenheit unſterblich werden/ ſo muͤſt ihnen auch eine geiſtliche art zu-
kommen/ und die natuͤrliche auffgehoͤret haben: aus welchem aber ſorglich al-
lerley ungereimtes folgen moͤchte. Alſo bleiben wir bey dem klahren aus-
ſpruch der ſchrifft/ die nach den fall allen menſchen den zeitlichen todt zu erken-
net Hebr. 9/ 27. Rom. 5/ 12. und von dieſer ausnahm nichts weiß/ daher
wir anch derſelbigen uns nicht annehmen/ vielmehr zufrieden ſind/ und unſerm
liebſten Jeſu davor danck ſagen/ daß er uns das geiſtliche und ewige leben
ſchencket. Und daß unſre ſeele mehr und mehr von dem verderben des alten
menſchen/ das auch ein φϑορὰ oder Verweſung iſt/ Eph. 4/ 22. 2. Petr. 1/
4. durch ſeine gnade frey gemacht wird: dem leib anlangend laſſen wir uns
vergnuͤgen/ daß er dermaleins unverweßlich und unſterblich aufſtehen ſolle. 1.
Cor. 15/ 42. da denn an jenem tag gegeben werden ſolle nach Rom. 2/ 1. preiß
und ehr und unvergaͤngliches weſen
(oder unverweßlichkeit) denen die
mit gedult in guten wercken trachten nach dem ewigen leben.
Jn
dieſem troſt ertragen ſie mit gedult alle beſchwehrden des leibes in dieſem leben
und beſchwehrn uns nicht der noch abzuſtattenden letzten ſchuld der natur in
trennung des leibes und der ſeelen/ ſo dann jenes verweſung in dem grab. Gleich
wol haben die fromme von ihrer froͤmmigkeit auch in dieſem leben vor ihren
leib einigen vortheil vor den gottloſen/ ſo wol daß auch derſelbe der gnade der
wiedergeburt mit theilhaftig/ und zu GOttes tempel/ geheiliget worden. 1. Cor.
6/ 15. 19. alſo daß dieſer auch in und durch denſelben gutes wuͤrcket/ daher ihn
vor andern in ſeiner ſonderbaren hut haͤlt/ als auch indem durch ihre gottſelig-
keit ſie ihn in gewiſſer maaß auch natuͤrlich bey beſſerer geſundheit erhalten/ als
dero vortrefliches mittel iſt die genau beobachtete maͤßigkeit/ ſo dann die ſtille/
in dero ſie ihre affecten ſtets halten/ da hingegen wo jene meiſterin nicht dieſel-
be/ als zorn/ forcht/ traurigkeit/ angſt/ ſorg und dergleichen alſo auch die be-
gierde in eſſen und trincken/ in genauern ſchrancken bewahret die meiſte natuͤr-
liche menſchen ihnen ſelbſt an geſundheit und leben allzuvielmal ſchaden thun:
Daher welcher in der gottſeeligkeit zu einem mehrern grad der vollkommenheit
gelanget iſt/ deſſen auch an ſeinem leib/ ob er ſchon der ſterblichkeit nicht frey
wird/ mit danckſagung zu GOtt genieſſet. Der Herr gebe nns in allen din-
gen ſeine wahrheit und willen mit gnugſamer verſicherung zu erkennen/ erhalte
uns bey der einfalt ſeines worts/ und reinige die zu einem hertzlichen eiffer ſeines
dienſtes aller orten erweckte ſeelen von allen dem/ wo ſich bey ihnen eigne ge-
dancken in das goͤttliche mit einmiſchen wollen/ lehre ſie hingegen gedult mit
unſrer kirchen und der bewandnus gegenwaͤrtiger zeit haben/ des guten/ wie
es uns jetzt werden mag treulich gebrauchen/ in demuth unter jetzigen gerichten
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JEſu Chriſti willen. Amen.

SECTIO
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[142/0942] Das andere Capitel. in die geiſtliche verwandelt werde. Solten nun ſolcher vollkommenen leiber durch ihre vollkommenheit unſterblich werden/ ſo muͤſt ihnen auch eine geiſtliche art zu- kommen/ und die natuͤrliche auffgehoͤret haben: aus welchem aber ſorglich al- lerley ungereimtes folgen moͤchte. Alſo bleiben wir bey dem klahren aus- ſpruch der ſchrifft/ die nach den fall allen menſchen den zeitlichen todt zu erken- net Hebr. 9/ 27. Rom. 5/ 12. und von dieſer ausnahm nichts weiß/ daher wir anch derſelbigen uns nicht annehmen/ vielmehr zufrieden ſind/ und unſerm liebſten Jeſu davor danck ſagen/ daß er uns das geiſtliche und ewige leben ſchencket. Und daß unſre ſeele mehr und mehr von dem verderben des alten menſchen/ das auch ein φϑορὰ oder Verweſung iſt/ Eph. 4/ 22. 2. Petr. 1/ 4. durch ſeine gnade frey gemacht wird: dem leib anlangend laſſen wir uns vergnuͤgen/ daß er dermaleins unverweßlich und unſterblich aufſtehen ſolle. 1. Cor. 15/ 42. da denn an jenem tag gegeben werden ſolle nach Rom. 2/ 1. preiß und ehr und unvergaͤngliches weſen (oder unverweßlichkeit) denen die mit gedult in guten wercken trachten nach dem ewigen leben. Jn dieſem troſt ertragen ſie mit gedult alle beſchwehrden des leibes in dieſem leben und beſchwehrn uns nicht der noch abzuſtattenden letzten ſchuld der natur in trennung des leibes und der ſeelen/ ſo dann jenes verweſung in dem grab. Gleich wol haben die fromme von ihrer froͤmmigkeit auch in dieſem leben vor ihren leib einigen vortheil vor den gottloſen/ ſo wol daß auch derſelbe der gnade der wiedergeburt mit theilhaftig/ und zu GOttes tempel/ geheiliget worden. 1. Cor. 6/ 15. 19. alſo daß dieſer auch in und durch denſelben gutes wuͤrcket/ daher ihn vor andern in ſeiner ſonderbaren hut haͤlt/ als auch indem durch ihre gottſelig- keit ſie ihn in gewiſſer maaß auch natuͤrlich bey beſſerer geſundheit erhalten/ als dero vortrefliches mittel iſt die genau beobachtete maͤßigkeit/ ſo dann die ſtille/ in dero ſie ihre affecten ſtets halten/ da hingegen wo jene meiſterin nicht dieſel- be/ als zorn/ forcht/ traurigkeit/ angſt/ ſorg und dergleichen alſo auch die be- gierde in eſſen und trincken/ in genauern ſchrancken bewahret die meiſte natuͤr- liche menſchen ihnen ſelbſt an geſundheit und leben allzuvielmal ſchaden thun: Daher welcher in der gottſeeligkeit zu einem mehrern grad der vollkommenheit gelanget iſt/ deſſen auch an ſeinem leib/ ob er ſchon der ſterblichkeit nicht frey wird/ mit danckſagung zu GOtt genieſſet. Der Herr gebe nns in allen din- gen ſeine wahrheit und willen mit gnugſamer verſicherung zu erkennen/ erhalte uns bey der einfalt ſeines worts/ und reinige die zu einem hertzlichen eiffer ſeines dienſtes aller orten erweckte ſeelen von allen dem/ wo ſich bey ihnen eigne ge- dancken in das goͤttliche mit einmiſchen wollen/ lehre ſie hingegen gedult mit unſrer kirchen und der bewandnus gegenwaͤrtiger zeit haben/ des guten/ wie es uns jetzt werden mag treulich gebrauchen/ in demuth unter jetzigen gerichten aus halten/ und in glaubiger hoffnung der kuͤnftigen beſſerung erwarten/ um JEſu Chriſti willen. Amen. SECTIO

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/942>, abgerufen am 27.11.2024.