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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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ARTIC. V. SECT. VI.
in Isag. p. 436. commentirt an die wort/ servandi sint, also: sc. 1. non abso-
luta necessitate, sed 2. ista qvae in scholis vocatur necessitas expedientiae.
3. non nisi propter disciplinae ecclesiasticae conservationem. Salva tamen 4.
libertate ecclesiae, qvae inviolata asservari debet 1. Cor. 6, 23. Gal. 2, 4. sq. & 5.
fide & charitate.
3. Aus der praxi unsrer kirchen: da wir sehen/ daß sich keine
kirche an die beybehaltung der ceremonien gebunden hat/ sondern eine hat ihren
Gottesdienst so angeordnet/ als sie zur erbauung dienlich gefunden/ eine andere
anders/ welches nicht hätte seyn können/ da sie sich durch diesen articul zu einer
nothwendigkeit hätten verbinden wollen. Ja was den exorcismum selbs an-
langt/ ist bereits erinnert/ daß derselbe in so vielen unsern kirchen nicht ist/ die doch
der Augsp. Conf. so wol zugethan sind/ als diejenige/ so ihn geduldet haben:
wiederum einige gebrauchen ihn bey der tauff doppelt/ also daß vor dem ersten
das kind nicht recht in die kirche eingelassen wird/ wie in diesen landen geschiehet/
andre vergnügen sich mit einemmal/ oder verrichten doch alles bey dem tauffstein.
Und halte ich im geringsten nicht davor/ daß iemal die meinung der confessorum
gewesen/ alle gemeinden zu einerley ceremonien zu verbinden/ indem sie solches
zu effectuiren sich niemal unterstanden haben/ so gar/ daß auch in einer stadt
gemeiniglich iede kirche/ ists nicht in vielen/ doch auffs wenigste in einigen geringen
stücken/ etwas anders in den ceremonien hat: welches auch weisen kan/ daß
zu der einführung oder änderung derselben nicht einmal nöthig gehalten worden/
daß solche durch formliche deliberationen und schlüsse geschehen müßten/ sondern
man hat sie/ was nicht die vornehmste anlangt/ als solche dinge angesehen/ die ohne
viele bewegung in schwang oder abgang gebracht werden dörfften. Hiezu ist fer-
ner zusetzen/ daß unser exorcismus sich nicht gnug legitimiren könne/ daß er unter
die ceremonien gehöre/ die mit mehr nothwendigkeit zubehalten wären/ da diese
reqvisita dabey seyn mußten/ die zu friede und guter ordnung dienen/ oder wie D.
Menzerus 1. c.
die fines erzehlet/ daß sie seyen 1. decorum. 2. ordo. 3. aedificatio.
Jch sage zwar nicht/ daß der exorcismus solchen requisitis zuwider seye/ daher er
auch behalten werden mag: wo man aber in dem halten eine nothwendigkeit su-
chen wolte/ so müssen die reqvisita auch so bewandt seyn/ daß zu denselben der
ritus auch nothwendig wäre. Nun wird keiner zeigen/ daß durch den exorci-
sinum
der friede und ruhe der kirchen also befördert werde/ daß ohne dieselbe die
kirche nicht in guter ruhe stehen könte/ dessen gegentheil offenbahr ist: wiederum
ist der exorcismus zu guter ordnung nicht nothwendig/ noch leidet diese aus der
außlassung desselben einige noth. Sehen wir das decorum und die erbauung
an/ wird beydes wenig von dem exorcismo vortheil haben. Jst also demselben
damit gnug/ weil er eben wider den frieden und gute ordnung nicht streitet/ daß er
etwa beybehalten werden darff/ kan aber nicht als nothwendig geachtet erden

6. Mit eben so grossem schein wird auch aus der Form. Conc. opponiret/

was
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ARTIC. V. SECT. VI.
in Iſag. p. 436. commentirt an die wort/ ſervandi ſint, alſo: ſc. 1. non abſo-
luta necesſitate, ſed 2. iſta qvæ in ſcholis vocatur necesſitas expedientiæ.
3. non niſi propter diſciplinæ eccleſiaſticæ conſervationem. Salva tamen 4.
libertate eccleſiæ, qvæ inviolata aſſervari debet 1. Cor. 6, 23. Gal. 2, 4. ſq. & 5.
fide & charitate.
3. Aus der praxi unſrer kirchen: da wir ſehen/ daß ſich keine
kirche an die beybehaltung der ceremonien gebunden hat/ ſondern eine hat ihren
Gottesdienſt ſo angeordnet/ als ſie zur erbauung dienlich gefunden/ eine andere
anders/ welches nicht haͤtte ſeyn koͤnnen/ da ſie ſich durch dieſen articul zu einer
nothwendigkeit haͤtten verbinden wollen. Ja was den exorciſmum ſelbs an-
langt/ iſt bereits erinnert/ daß derſelbe in ſo vielen unſern kirchen nicht iſt/ die doch
der Augſp. Conf. ſo wol zugethan ſind/ als diejenige/ ſo ihn geduldet haben:
wiederum einige gebrauchen ihn bey der tauff doppelt/ alſo daß vor dem erſten
das kind nicht recht in die kirche eingelaſſen wird/ wie in dieſen landen geſchiehet/
andre vergnuͤgen ſich mit einemmal/ oder verrichten doch alles bey dem tauffſtein.
Und halte ich im geringſten nicht davor/ daß iemal die meinung der confeſſorum
geweſen/ alle gemeinden zu einerley ceremonien zu verbinden/ indem ſie ſolches
zu effectuiren ſich niemal unterſtanden haben/ ſo gar/ daß auch in einer ſtadt
gemeiniglich iede kirche/ iſts nicht in vielen/ doch auffs wenigſte in einigen geringen
ſtuͤcken/ etwas anders in den ceremonien hat: welches auch weiſen kan/ daß
zu der einfuͤhrung oder aͤnderung derſelben nicht einmal noͤthig gehalten worden/
daß ſolche durch formliche deliberationen und ſchluͤſſe geſchehen muͤßten/ ſondern
man hat ſie/ was nicht die vornehmſte anlangt/ als ſolche dinge angeſehen/ die ohne
viele bewegung in ſchwang oder abgang gebracht werden doͤrfften. Hiezu iſt fer-
ner zuſetzen/ daß unſer exorciſmus ſich nicht gnug legitimiren koͤnne/ daß er unter
die ceremonien gehoͤre/ die mit mehr nothwendigkeit zubehalten waͤren/ da dieſe
reqviſita dabey ſeyn mußten/ die zu friede und guter ordnung dienen/ oder wie D.
Menzerus 1. c.
die fines erzehlet/ daß ſie ſeyen 1. decorum. 2. ordo. 3. ædificatio.
Jch ſage zwar nicht/ daß der exorciſmus ſolchen requiſitis zuwider ſeye/ daher er
auch behalten werden mag: wo man aber in dem halten eine nothwendigkeit ſu-
chen wolte/ ſo muͤſſen die reqviſita auch ſo bewandt ſeyn/ daß zu denſelben der
ritus auch nothwendig waͤre. Nun wird keiner zeigen/ daß durch den exorci-
ſinum
der friede und ruhe der kirchen alſo befoͤrdert werde/ daß ohne dieſelbe die
kirche nicht in guter ruhe ſtehen koͤnte/ deſſen gegentheil offenbahr iſt: wiederum
iſt der exorciſmus zu guter ordnung nicht nothwendig/ noch leidet dieſe aus der
außlaſſung deſſelben einige noth. Sehen wir das decorum und die erbauung
an/ wird beydes wenig von dem exorciſmo vortheil haben. Jſt alſo demſelben
damit gnug/ weil er eben wider den frieden und gute ordnung nicht ſtreitet/ daß er
etwa beybehalten werden darff/ kan aber nicht als nothwendig geachtet erden

6. Mit eben ſo groſſem ſchein wird auch aus der Form. Conc. opponiret/

was
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[171/0971] ARTIC. V. SECT. VI. in Iſag. p. 436. commentirt an die wort/ ſervandi ſint, alſo: ſc. 1. non abſo- luta necesſitate, ſed 2. iſta qvæ in ſcholis vocatur necesſitas expedientiæ. 3. non niſi propter diſciplinæ eccleſiaſticæ conſervationem. Salva tamen 4. libertate eccleſiæ, qvæ inviolata aſſervari debet 1. Cor. 6, 23. Gal. 2, 4. ſq. & 5. fide & charitate. 3. Aus der praxi unſrer kirchen: da wir ſehen/ daß ſich keine kirche an die beybehaltung der ceremonien gebunden hat/ ſondern eine hat ihren Gottesdienſt ſo angeordnet/ als ſie zur erbauung dienlich gefunden/ eine andere anders/ welches nicht haͤtte ſeyn koͤnnen/ da ſie ſich durch dieſen articul zu einer nothwendigkeit haͤtten verbinden wollen. Ja was den exorciſmum ſelbs an- langt/ iſt bereits erinnert/ daß derſelbe in ſo vielen unſern kirchen nicht iſt/ die doch der Augſp. Conf. ſo wol zugethan ſind/ als diejenige/ ſo ihn geduldet haben: wiederum einige gebrauchen ihn bey der tauff doppelt/ alſo daß vor dem erſten das kind nicht recht in die kirche eingelaſſen wird/ wie in dieſen landen geſchiehet/ andre vergnuͤgen ſich mit einemmal/ oder verrichten doch alles bey dem tauffſtein. Und halte ich im geringſten nicht davor/ daß iemal die meinung der confeſſorum geweſen/ alle gemeinden zu einerley ceremonien zu verbinden/ indem ſie ſolches zu effectuiren ſich niemal unterſtanden haben/ ſo gar/ daß auch in einer ſtadt gemeiniglich iede kirche/ iſts nicht in vielen/ doch auffs wenigſte in einigen geringen ſtuͤcken/ etwas anders in den ceremonien hat: welches auch weiſen kan/ daß zu der einfuͤhrung oder aͤnderung derſelben nicht einmal noͤthig gehalten worden/ daß ſolche durch formliche deliberationen und ſchluͤſſe geſchehen muͤßten/ ſondern man hat ſie/ was nicht die vornehmſte anlangt/ als ſolche dinge angeſehen/ die ohne viele bewegung in ſchwang oder abgang gebracht werden doͤrfften. Hiezu iſt fer- ner zuſetzen/ daß unſer exorciſmus ſich nicht gnug legitimiren koͤnne/ daß er unter die ceremonien gehoͤre/ die mit mehr nothwendigkeit zubehalten waͤren/ da dieſe reqviſita dabey ſeyn mußten/ die zu friede und guter ordnung dienen/ oder wie D. Menzerus 1. c. die fines erzehlet/ daß ſie ſeyen 1. decorum. 2. ordo. 3. ædificatio. Jch ſage zwar nicht/ daß der exorciſmus ſolchen requiſitis zuwider ſeye/ daher er auch behalten werden mag: wo man aber in dem halten eine nothwendigkeit ſu- chen wolte/ ſo muͤſſen die reqviſita auch ſo bewandt ſeyn/ daß zu denſelben der ritus auch nothwendig waͤre. Nun wird keiner zeigen/ daß durch den exorci- ſinum der friede und ruhe der kirchen alſo befoͤrdert werde/ daß ohne dieſelbe die kirche nicht in guter ruhe ſtehen koͤnte/ deſſen gegentheil offenbahr iſt: wiederum iſt der exorciſmus zu guter ordnung nicht nothwendig/ noch leidet dieſe aus der außlaſſung deſſelben einige noth. Sehen wir das decorum und die erbauung an/ wird beydes wenig von dem exorciſmo vortheil haben. Jſt alſo demſelben damit gnug/ weil er eben wider den frieden und gute ordnung nicht ſtreitet/ daß er etwa beybehalten werden darff/ kan aber nicht als nothwendig geachtet erden 6. Mit eben ſo groſſem ſchein wird auch aus der Form. Conc. opponiret/ was y 2

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/971>, abgerufen am 22.11.2024.