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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das andere Capitel.
was in derselben art. 10. von kirchenbräuchen und mitteldingen gelehrt wird:
wo wir aber die sache genau einsehen/ ists abermal mehr ein schein als wahrheit/
daß solche determination gegen dieses edict streite. Wie dann der status qvae-
stionis
also formiret wird/ ob man zur zeit der verfolgung und im fall der be-
känntnüs/ wenn die feinde des Evangelii sich gleich nicht mit uns in der
lehr vergleichen/ dennoch mit unverletzten gewissen etzliche gefallene
cere-
moni
en/ so an ihm selbs mitteldinge/ und von Gott weder geboten noch
verboten/ auff der widersacher dringen und erfordern wider auffrichten/
nnd sich also mit ihnen in solchen
ceremonien und mitteldingen vergleichen
möge?
hie sehen wir/ es werde gehandelt von solchen ceremonien 1. die bereits
gefallen/ und also unsre kirche bey der reformation, daß sie besser unterlassen wür-
den/ darmit bezeuget hat. 2. die auff der widersacher dringen. 3. wider auff-
gerichtet werden solten/ 4. mit den widersachern sich zu vergleichen. Jn unserem
casu aber wird gehandelt/ von einer ceremonie, die 1. an etlichen orten zwar noch
geduldet worden/ 2. nicht völliger abschaffung/ sondern nur in gewissen fällen un-
terlassung. 3. auff unsrer glaubensgenossen ansuchen/ nicht 4. mit den Refor-
mirten uns zu vergleichen/ sondern den unsrigen etwas/ daß sie in dem gewissen ir-
ret/ nicht auffzudringen. Daraus der offenbahrste unterscheid erhellet. Also heist es
auch nachmal: in solchem fall ist es nicht mehr nur mittelding/ sondern nur
die wahrheit des Evangelii/ um die Christliche freyheit/ und um die be-
stetigung öffentlicher abgötterey/ wie auch um verhütung des ärgernüs-
ses der schwachgläubigen zuthun.
Also in der weitern erklährung wird der fall
auch also beschrieben: wann die widersacher damit umgehen/ daß sie end-
weder durch gewalt und zwang/ oder hinterlistiger weise die reine lehr un-
terdrücken und ihre falsche lehr in unsre kirche gemeiniglich wieder ein-
schieben mögen.
Ferner wird erfordert/ daß man vermöge GOttes worts die
lehre und was zu der gantzen
religion gehöret/ frey/ öffentlich/ nicht allein
mit worten/ sondern auch im werck und mit der that zubekennen/ und daß
alsdann in diesem fall auch in solchen mitteldingen den widersachern nicht
zu weichen/ noch zu leiden/ ihnen dieselbige von den feinden zu schwächung
des rechten GOttesdiensts und pflantzung und bestätigung der abgötte-
rey/ mit gewalt oder hinterlistig auffdringen zulassen/ wieder Gall.
2.
Weiter/ es ist erstlich zuthun um den lehr articul unsers Cchristlichen glau-
bens/ wie der Apostel zeigt/ auff daß die wahrheit des Evangelii bestehe/
welche durch solchen zwang oder gebot verdunckelt und verkehret wird/
weil solche mittelding alsdann zu bestätigung falscher lehr/ aberglaubens
und abgötterey/ und zu unterdrückung reiner lehr und Christlicher frey-
heit entweder öffentlich erfordert/ oder doch darzu von den widersachern
mißbrauchet und also auffgenommen worden/ desgleichen ists auch zuthun

um

Das andere Capitel.
was in derſelben art. 10. von kirchenbraͤuchen und mitteldingen gelehrt wird:
wo wir aber die ſache genau einſehen/ iſts abermal mehr ein ſchein als wahrheit/
daß ſolche determination gegen dieſes edict ſtreite. Wie dann der ſtatus qvæ-
ſtionis
alſo formiret wird/ ob man zur zeit der verfolgung und im fall der be-
kaͤnntnuͤs/ wenn die feinde des Evangelii ſich gleich nicht mit uns in der
lehr vergleichen/ dennoch mit unverletzten gewiſſen etzliche gefallene
cere-
moni
en/ ſo an ihm ſelbs mitteldinge/ und von Gott weder geboten noch
verboten/ auff der widerſacher dringen und erfordern wider auffrichten/
nnd ſich alſo mit ihnen in ſolchen
ceremonien und mitteldingen vergleichen
moͤge?
hie ſehen wir/ es werde gehandelt von ſolchen ceremonien 1. die bereits
gefallen/ und alſo unſre kirche bey der reformation, daß ſie beſſer unterlaſſen wuͤr-
den/ darmit bezeuget hat. 2. die auff der widerſacher dringen. 3. wider auff-
gerichtet werden ſolten/ 4. mit den widerſachern ſich zu vergleichen. Jn unſerem
caſu aber wird gehandelt/ von einer ceremonie, die 1. an etlichen orten zwar noch
geduldet worden/ 2. nicht voͤlliger abſchaffung/ ſondern nur in gewiſſen faͤllen un-
terlaſſung. 3. auff unſrer glaubensgenoſſen anſuchen/ nicht 4. mit den Refor-
mirten uns zu vergleichen/ ſondern den unſrigen etwas/ daß ſie in dem gewiſſen ir-
ret/ nicht auffzudringen. Daraus der offenbahrſte unterſcheid erhellet. Alſo heiſt es
auch nachmal: in ſolchem fall iſt es nicht mehr nur mittelding/ ſondern nur
die wahrheit des Evangelii/ um die Chriſtliche freyheit/ und um die be-
ſtetigung oͤffentlicher abgoͤtterey/ wie auch um verhuͤtung des aͤrgernuͤſ-
ſes der ſchwachglaͤubigen zuthun.
Alſo in der weitern erklaͤhrung wird der fall
auch alſo beſchrieben: wann die widerſacher damit umgehen/ daß ſie end-
weder durch gewalt und zwang/ oder hinterliſtiger weiſe die reine lehr un-
terdruͤcken und ihre falſche lehr in unſre kirche gemeiniglich wieder ein-
ſchieben moͤgen.
Ferner wird erfordert/ daß man vermoͤge GOttes worts die
lehre und was zu der gantzen
religion gehoͤret/ frey/ oͤffentlich/ nicht allein
mit worten/ ſondern auch im werck und mit der that zubekennen/ und daß
alsdann in dieſem fall auch in ſolchen mitteldingen den widerſachern nicht
zu weichen/ noch zu leiden/ ihnen dieſelbige von den feinden zu ſchwaͤchung
des rechten GOttesdienſts und pflantzung und beſtaͤtigung der abgoͤtte-
rey/ mit gewalt oder hinterliſtig auffdringen zulaſſen/ wieder Gall.
2.
Weiter/ es iſt erſtlich zuthun um den lehr articul unſers Cchriſtlichen glau-
bens/ wie der Apoſtel zeigt/ auff daß die wahrheit des Evangelii beſtehe/
welche durch ſolchen zwang oder gebot verdunckelt und verkehret wird/
weil ſolche mittelding alsdann zu beſtaͤtigung falſcher lehr/ aberglaubens
und abgoͤtterey/ und zu unterdruͤckung reiner lehr und Chriſtlicher frey-
heit entweder oͤffentlich erfordert/ oder doch darzu von den widerſachern
mißbrauchet und alſo auffgenommen worden/ desgleichen iſts auch zuthun

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[172/0972] Das andere Capitel. was in derſelben art. 10. von kirchenbraͤuchen und mitteldingen gelehrt wird: wo wir aber die ſache genau einſehen/ iſts abermal mehr ein ſchein als wahrheit/ daß ſolche determination gegen dieſes edict ſtreite. Wie dann der ſtatus qvæ- ſtionis alſo formiret wird/ ob man zur zeit der verfolgung und im fall der be- kaͤnntnuͤs/ wenn die feinde des Evangelii ſich gleich nicht mit uns in der lehr vergleichen/ dennoch mit unverletzten gewiſſen etzliche gefallene cere- monien/ ſo an ihm ſelbs mitteldinge/ und von Gott weder geboten noch verboten/ auff der widerſacher dringen und erfordern wider auffrichten/ nnd ſich alſo mit ihnen in ſolchen ceremonien und mitteldingen vergleichen moͤge? hie ſehen wir/ es werde gehandelt von ſolchen ceremonien 1. die bereits gefallen/ und alſo unſre kirche bey der reformation, daß ſie beſſer unterlaſſen wuͤr- den/ darmit bezeuget hat. 2. die auff der widerſacher dringen. 3. wider auff- gerichtet werden ſolten/ 4. mit den widerſachern ſich zu vergleichen. Jn unſerem caſu aber wird gehandelt/ von einer ceremonie, die 1. an etlichen orten zwar noch geduldet worden/ 2. nicht voͤlliger abſchaffung/ ſondern nur in gewiſſen faͤllen un- terlaſſung. 3. auff unſrer glaubensgenoſſen anſuchen/ nicht 4. mit den Refor- mirten uns zu vergleichen/ ſondern den unſrigen etwas/ daß ſie in dem gewiſſen ir- ret/ nicht auffzudringen. Daraus der offenbahrſte unterſcheid erhellet. Alſo heiſt es auch nachmal: in ſolchem fall iſt es nicht mehr nur mittelding/ ſondern nur die wahrheit des Evangelii/ um die Chriſtliche freyheit/ und um die be- ſtetigung oͤffentlicher abgoͤtterey/ wie auch um verhuͤtung des aͤrgernuͤſ- ſes der ſchwachglaͤubigen zuthun. Alſo in der weitern erklaͤhrung wird der fall auch alſo beſchrieben: wann die widerſacher damit umgehen/ daß ſie end- weder durch gewalt und zwang/ oder hinterliſtiger weiſe die reine lehr un- terdruͤcken und ihre falſche lehr in unſre kirche gemeiniglich wieder ein- ſchieben moͤgen. Ferner wird erfordert/ daß man vermoͤge GOttes worts die lehre und was zu der gantzen religion gehoͤret/ frey/ oͤffentlich/ nicht allein mit worten/ ſondern auch im werck und mit der that zubekennen/ und daß alsdann in dieſem fall auch in ſolchen mitteldingen den widerſachern nicht zu weichen/ noch zu leiden/ ihnen dieſelbige von den feinden zu ſchwaͤchung des rechten GOttesdienſts und pflantzung und beſtaͤtigung der abgoͤtte- rey/ mit gewalt oder hinterliſtig auffdringen zulaſſen/ wieder Gall. 2. Weiter/ es iſt erſtlich zuthun um den lehr articul unſers Cchriſtlichen glau- bens/ wie der Apoſtel zeigt/ auff daß die wahrheit des Evangelii beſtehe/ welche durch ſolchen zwang oder gebot verdunckelt und verkehret wird/ weil ſolche mittelding alsdann zu beſtaͤtigung falſcher lehr/ aberglaubens und abgoͤtterey/ und zu unterdruͤckung reiner lehr und Chriſtlicher frey- heit entweder oͤffentlich erfordert/ oder doch darzu von den widerſachern mißbrauchet und alſo auffgenommen worden/ desgleichen iſts auch zuthun um

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/972>, abgerufen am 22.11.2024.