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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das dritte Capitel.
worden/ betrieglich geglaubet haben; da sie doch niemal zur wahren buß ge-
kommen/ und also immer in ihren sünden stecken geblieben/ auch wol darin-
nen gestorben sind. Denen geholffen hätte werde können/ wann sie den be-
trug ihres falschen vertrauens auff die absolution bey unbußfertigem
stand hätten erkannt und fahren lassen/ und dadurch zur wahren buß ange-
trieben worden wären/ aus ihrer vorigen sicherheit zu entfliehen.
III. Die absolution. 1. Der anspruch. Mein sohn. Einige der
Väter sehen 1. das wort an/ als ein wort der demuth. Und bemercket Hie-
ronymus,
es seye eine wunderbare demuth/ daß der HErr solchen verachte-
ten/ schwachen und lahmen mann seinen sohn nennet/ den die priester nicht
gewürdiget hätten/ anzurühren. 2. Andre sehen auff den glauben des
mannes/ Joh. 1/ 12. wodurch wir Gottes kinder werden. Andre 3. auff
die vergebung der sünden/ oder auch 4. die Schöpffung. Wir fassen am be-
sten das meiste zusammen. Es habe nemlich der HErr auch mit diesem
zuspruch dem armen mann ein hertz machen/ und sein väterliches gemüth ge-
gen ihn bezeugen wollen/ daß er ihn wegen seines glaubens einen sohn
nennet/ damit er so viel weniger an der treuen meynung des HErrn/ und an
der gewißheit der vergebung zweiffeln möchte.
Also ist das vertrauen insgesammt/ das wir auff GOTT haben/ ge-
gründet auff unsre kindschafft/ weil er uns um seines sohnes Christi willen
zu gnaden-kindern verordnet und angenommen hat.
2. Der trost. Sey getrost. Er will ihm anzeigen/ er habe nicht
ursach ängstlich oder wehmüthig zu seyn/ er solte auch deßwegen solche angst
fahren lassen. Daraus sehen wir 1. ob wol der gichtbrüchige den glauben
gehabt/ daß er doch dabey viel schwachheit desselben muß gefühlet/ ihm sein
gewissen stäts seine sünde vorgerücket/ und ihn also verunruhiget haben; wel-
ches 2. der HERR bey ihm gesehen/ und also derselben begegnen wollen.
3. Daher heist er ihn getrost seyn/ allen zweiffel von Gottes gnade/ den ihm
sein hertz machen wollen/ ablegen/ und hingegen einen zuversichtlichen muth
fassen. 4. Sonst forderte er von ihm zur vergebung der sünden nichts an-
ders/ daß er etwa seine sünde noch künfftig mit etwas gewisses abbüssen mü-
ste. Wir sehen 1. daß zu der rechtfertigung und vergebung der sünden nichts
anders zu dero mittel erfordert werde/ als der glaube/ dessen krafft durch die-
ses getrost seyn angedeutet wird. Rom. 3/ 28. Ferner 2. daß der mensch
auch der vergebung der sünden so gewiß werden könne/ daß er einen getrosten
muth darüber habe. Auch 3. wie unser Heyland so gern/ wo er den glauben/
ob wol in schwachem maaß/ findet/ denselben mit zuspruch/ und auff alle weise/
stärcke.
3. Die
Das dritte Capitel.
worden/ betrieglich geglaubet haben; da ſie doch niemal zur wahren buß ge-
kommen/ und alſo immer in ihren ſuͤnden ſtecken geblieben/ auch wol darin-
nen geſtorben ſind. Denen geholffen haͤtte werde koͤnnen/ wann ſie den be-
trug ihres falſchen vertrauens auff die abſolution bey unbußfertigem
ſtand haͤtten erkannt und fahren laſſen/ und dadurch zur wahren buß ange-
trieben worden waͤren/ aus ihrer vorigen ſicherheit zu entfliehen.
III. Die abſolution. 1. Der anſpruch. Mein ſohn. Einige der
Vaͤter ſehen 1. das wort an/ als ein wort der demuth. Und bemercket Hie-
ronymus,
es ſeye eine wunderbare demuth/ daß der HErr ſolchen verachte-
ten/ ſchwachen und lahmen mann ſeinen ſohn nennet/ den die prieſter nicht
gewuͤrdiget haͤtten/ anzuruͤhren. 2. Andre ſehen auff den glauben des
mannes/ Joh. 1/ 12. wodurch wir Gottes kinder werden. Andre 3. auff
die vergebung der ſuͤnden/ oder auch 4. die Schoͤpffung. Wir faſſen am be-
ſten das meiſte zuſammen. Es habe nemlich der HErr auch mit dieſem
zuſpruch dem armen mann ein hertz machen/ und ſein vaͤterliches gemuͤth ge-
gen ihn bezeugen wollen/ daß er ihn wegen ſeines glaubens einen ſohn
nennet/ damit er ſo viel weniger an der treuen meynung des HErrn/ und an
der gewißheit der vergebung zweiffeln moͤchte.
Alſo iſt das vertrauen insgeſammt/ das wir auff GOTT haben/ ge-
gruͤndet auff unſre kindſchafft/ weil er uns um ſeines ſohnes Chriſti willen
zu gnaden-kindern verordnet und angenommen hat.
2. Der troſt. Sey getroſt. Er will ihm anzeigen/ er habe nicht
urſach aͤngſtlich oder wehmuͤthig zu ſeyn/ er ſolte auch deßwegen ſolche angſt
fahren laſſen. Daraus ſehen wir 1. ob wol der gichtbruͤchige den glauben
gehabt/ daß er doch dabey viel ſchwachheit deſſelben muß gefuͤhlet/ ihm ſein
gewiſſen ſtaͤts ſeine ſuͤnde vorgeruͤcket/ und ihn alſo verunruhiget haben; wel-
ches 2. der HERR bey ihm geſehen/ und alſo derſelben begegnen wollen.
3. Daher heiſt er ihn getroſt ſeyn/ allen zweiffel von Gottes gnade/ den ihm
ſein hertz machen wollen/ ablegen/ und hingegen einen zuverſichtlichen muth
faſſen. 4. Sonſt forderte er von ihm zur vergebung der ſuͤnden nichts an-
ders/ daß er etwa ſeine ſuͤnde noch kuͤnfftig mit etwas gewiſſes abbuͤſſen muͤ-
ſte. Wir ſehen 1. daß zu der rechtfertigung und vergebung der ſuͤnden nichts
anders zu dero mittel erfordert werde/ als der glaube/ deſſen krafft durch die-
ſes getroſt ſeyn angedeutet wird. Rom. 3/ 28. Ferner 2. daß der menſch
auch der vergebung der ſuͤnden ſo gewiß werden koͤnne/ daß er einen getroſten
muth daruͤber habe. Auch 3. wie unſer Heyland ſo gern/ wo er den glauben/
ob wol in ſchwachem maaß/ findet/ denſelben mit zuſpruch/ und auff alle weiſe/
ſtaͤrcke.
3. Die
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[158/0166] Das dritte Capitel. worden/ betrieglich geglaubet haben; da ſie doch niemal zur wahren buß ge- kommen/ und alſo immer in ihren ſuͤnden ſtecken geblieben/ auch wol darin- nen geſtorben ſind. Denen geholffen haͤtte werde koͤnnen/ wann ſie den be- trug ihres falſchen vertrauens auff die abſolution bey unbußfertigem ſtand haͤtten erkannt und fahren laſſen/ und dadurch zur wahren buß ange- trieben worden waͤren/ aus ihrer vorigen ſicherheit zu entfliehen. III. Die abſolution. 1. Der anſpruch. Mein ſohn. Einige der Vaͤter ſehen 1. das wort an/ als ein wort der demuth. Und bemercket Hie- ronymus, es ſeye eine wunderbare demuth/ daß der HErr ſolchen verachte- ten/ ſchwachen und lahmen mann ſeinen ſohn nennet/ den die prieſter nicht gewuͤrdiget haͤtten/ anzuruͤhren. 2. Andre ſehen auff den glauben des mannes/ Joh. 1/ 12. wodurch wir Gottes kinder werden. Andre 3. auff die vergebung der ſuͤnden/ oder auch 4. die Schoͤpffung. Wir faſſen am be- ſten das meiſte zuſammen. Es habe nemlich der HErr auch mit dieſem zuſpruch dem armen mann ein hertz machen/ und ſein vaͤterliches gemuͤth ge- gen ihn bezeugen wollen/ daß er ihn wegen ſeines glaubens einen ſohn nennet/ damit er ſo viel weniger an der treuen meynung des HErrn/ und an der gewißheit der vergebung zweiffeln moͤchte. Alſo iſt das vertrauen insgeſammt/ das wir auff GOTT haben/ ge- gruͤndet auff unſre kindſchafft/ weil er uns um ſeines ſohnes Chriſti willen zu gnaden-kindern verordnet und angenommen hat. 2. Der troſt. Sey getroſt. Er will ihm anzeigen/ er habe nicht urſach aͤngſtlich oder wehmuͤthig zu ſeyn/ er ſolte auch deßwegen ſolche angſt fahren laſſen. Daraus ſehen wir 1. ob wol der gichtbruͤchige den glauben gehabt/ daß er doch dabey viel ſchwachheit deſſelben muß gefuͤhlet/ ihm ſein gewiſſen ſtaͤts ſeine ſuͤnde vorgeruͤcket/ und ihn alſo verunruhiget haben; wel- ches 2. der HERR bey ihm geſehen/ und alſo derſelben begegnen wollen. 3. Daher heiſt er ihn getroſt ſeyn/ allen zweiffel von Gottes gnade/ den ihm ſein hertz machen wollen/ ablegen/ und hingegen einen zuverſichtlichen muth faſſen. 4. Sonſt forderte er von ihm zur vergebung der ſuͤnden nichts an- ders/ daß er etwa ſeine ſuͤnde noch kuͤnfftig mit etwas gewiſſes abbuͤſſen muͤ- ſte. Wir ſehen 1. daß zu der rechtfertigung und vergebung der ſuͤnden nichts anders zu dero mittel erfordert werde/ als der glaube/ deſſen krafft durch die- ſes getroſt ſeyn angedeutet wird. Rom. 3/ 28. Ferner 2. daß der menſch auch der vergebung der ſuͤnden ſo gewiß werden koͤnne/ daß er einen getroſten muth daruͤber habe. Auch 3. wie unſer Heyland ſo gern/ wo er den glauben/ ob wol in ſchwachem maaß/ findet/ denſelben mit zuſpruch/ und auff alle weiſe/ ſtaͤrcke. 3. Die

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/166>, abgerufen am 24.11.2024.