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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das dritte Capitel.
ne gnadenreiche vergebung und nachlassung/ lauter umsonst. Zwahr wird
freylich erfordert/ daß der mensch nicht weiter muthwillig sündigen solle/
nicht aber damit GOTT erst gnug zu thun/ dann die sünden sind bereits völ-
lig vergeben; sondern allein GOTT danckbar zu werden/ und seine liebe hin-
wieder zu bezeugen. 5. Wo auch der mensch nach der zeit noch etwas lei-
den muß/ (dann ob wol hie/ da der HERR dem gichtbrüchigen seine sünde
vergeben/ er auch so bald drauff der sünden frucht/ nemlich die kranckheit/
von ihm wegnimmet/ so geschiehet solches doch nicht allezeit/ sondern wo je-
mand/ auch seiner schwehren sünden willen/ unter schwehrem leiden stehet/
ob ihm wol seine sünde vergeben werden/ werden von ihm nicht allezeit auch
zugleich derselben straffen weg genommen) so hats doch mit solchem leiden
die bewandnüß/ daß es einem solchen bußfertigen alsdann nicht mehr eine
straff seiner sünden seye/ sondern eine solche heylsame züchtigung/ dadurch
die buß so viel fester in das hertz gedrücket/ er vor fernern sünden und sicher-
heit verwahret/ der fleiß eines sorgfältigen und behutsamen wandels ver-
mehret/ und sein glaube und ander gutes dadurch geübet werde. Daher
ists ein werck göttlicher gnade/ und nicht seines zornes. Welches zur nach-
richt dienet/ wo einer ein gottloses leben geführet/ dadurch aber in grosses
elend gerathen wäre/ wann er sich von grund der seelen bekehret/ und nun-
mehr in wahrer buß stehet/ daß er an der ihm wiederfahrenen vergebung der
sünden nicht etwa deßwegen zu zweiffeln habe/ weil er darum aus seinem zeit-
lichen leiden nicht befreyet würde; als wenn solches ein zeugnüß seyn müste/
daß GOtt ihm noch nicht versöhnet wäre.
Lehr-Puncten.

WEil die natürliche haupt-lehr aus dem text fliessen würde/ von der ab-
soluti
on und geschehender vergebung der sünden; und aber erst dieses
jahr die materie von dem beicht-stuhl ausführlich gehandelt/ auch solche pre-
digt gedruckt worden/ so führet mich eine gelegenheit der zeit auff eine dahin
auch zielende materie/ die an statt der haupt-lehr gehandelt werden solle.

Es ist E. C. L. zum theil bekannt/ daß von einigen wochen her eine ge-
druckte schrifft/ unter dem Titul/ Apostolischer bericht und unterricht
vom beicht-stuhl und Abendmahl/
bey einigen allhier herum gegangen/
dadurch aber eine neue bewegung unter der gemeinde erwecket/ und die vori-
ge vermehret worden. Daher diese von GOTT selbs durch unser Evange-
lium an hand gegebene gelegenheit nicht aus händen lassen sollen/ hier an die-
sem ort von solcher schrifft zu handlen/ und E. C. L. zu unterrichten/ wie sie
dieselbige anzusehen habe.

Den Steller und Autorem anlangend/ finde mir nicht zu zukommen/

ein
Das dritte Capitel.
ne gnadenreiche vergebung und nachlaſſung/ lauter umſonſt. Zwahr wird
freylich erfordert/ daß der menſch nicht weiter muthwillig ſuͤndigen ſolle/
nicht aber damit GOTT erſt gnug zu thun/ dann die ſuͤnden ſind bereits voͤl-
lig vergeben; ſondern allein GOTT danckbar zu werden/ und ſeine liebe hin-
wieder zu bezeugen. 5. Wo auch der menſch nach der zeit noch etwas lei-
den muß/ (dann ob wol hie/ da der HERR dem gichtbruͤchigen ſeine ſuͤnde
vergeben/ er auch ſo bald drauff der ſuͤnden frucht/ nemlich die kranckheit/
von ihm wegnimmet/ ſo geſchiehet ſolches doch nicht allezeit/ ſondern wo je-
mand/ auch ſeiner ſchwehren ſuͤnden willen/ unter ſchwehrem leiden ſtehet/
ob ihm wol ſeine ſuͤnde vergeben werden/ werden von ihm nicht allezeit auch
zugleich derſelben ſtraffen weg genommen) ſo hats doch mit ſolchem leiden
die bewandnuͤß/ daß es einem ſolchen bußfertigen alsdann nicht mehr eine
ſtraff ſeiner ſuͤnden ſeye/ ſondern eine ſolche heylſame zuͤchtigung/ dadurch
die buß ſo viel feſter in das hertz gedruͤcket/ er vor fernern ſuͤnden und ſicher-
heit verwahret/ der fleiß eines ſorgfaͤltigen und behutſamen wandels ver-
mehret/ und ſein glaube und ander gutes dadurch geuͤbet werde. Daher
iſts ein werck goͤttlicher gnade/ und nicht ſeines zornes. Welches zur nach-
richt dienet/ wo einer ein gottloſes leben gefuͤhret/ dadurch aber in groſſes
elend gerathen waͤre/ wann er ſich von grund der ſeelen bekehret/ und nun-
mehr in wahrer buß ſtehet/ daß er an der ihm wiederfahrenen vergebung der
ſuͤnden nicht etwa deßwegen zu zweiffeln habe/ weil er darum aus ſeinem zeit-
lichen leiden nicht befreyet wuͤrde; als wenn ſolches ein zeugnuͤß ſeyn muͤſte/
daß GOtt ihm noch nicht verſoͤhnet waͤre.
Lehr-Puncten.

WEil die natuͤrliche haupt-lehr aus dem text flieſſen wuͤrde/ von der ab-
ſoluti
on und geſchehender vergebung der ſuͤnden; und aber erſt dieſes
jahr die materie von dem beicht-ſtuhl ausfuͤhrlich gehandelt/ auch ſolche pre-
digt gedruckt worden/ ſo fuͤhret mich eine gelegenheit der zeit auff eine dahin
auch zielende materie/ die an ſtatt der haupt-lehr gehandelt werden ſolle.

Es iſt E. C. L. zum theil bekannt/ daß von einigen wochen her eine ge-
druckte ſchrifft/ unter dem Titul/ Apoſtoliſcher bericht und unterricht
vom beicht-ſtuhl und Abendmahl/
bey einigen allhier herum gegangen/
dadurch aber eine neue bewegung unter der gemeinde erwecket/ und die vori-
ge vermehret worden. Daher dieſe von GOTT ſelbs durch unſer Evange-
lium an hand gegebene gelegenheit nicht aus haͤnden laſſen ſollen/ hier an die-
ſem ort von ſolcher ſchrifft zu handlen/ und E. C. L. zu unterrichten/ wie ſie
dieſelbige anzuſehen habe.

Den Steller und Autorem anlangend/ finde mir nicht zu zukommen/

ein
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[160/0168] Das dritte Capitel. ne gnadenreiche vergebung und nachlaſſung/ lauter umſonſt. Zwahr wird freylich erfordert/ daß der menſch nicht weiter muthwillig ſuͤndigen ſolle/ nicht aber damit GOTT erſt gnug zu thun/ dann die ſuͤnden ſind bereits voͤl- lig vergeben; ſondern allein GOTT danckbar zu werden/ und ſeine liebe hin- wieder zu bezeugen. 5. Wo auch der menſch nach der zeit noch etwas lei- den muß/ (dann ob wol hie/ da der HERR dem gichtbruͤchigen ſeine ſuͤnde vergeben/ er auch ſo bald drauff der ſuͤnden frucht/ nemlich die kranckheit/ von ihm wegnimmet/ ſo geſchiehet ſolches doch nicht allezeit/ ſondern wo je- mand/ auch ſeiner ſchwehren ſuͤnden willen/ unter ſchwehrem leiden ſtehet/ ob ihm wol ſeine ſuͤnde vergeben werden/ werden von ihm nicht allezeit auch zugleich derſelben ſtraffen weg genommen) ſo hats doch mit ſolchem leiden die bewandnuͤß/ daß es einem ſolchen bußfertigen alsdann nicht mehr eine ſtraff ſeiner ſuͤnden ſeye/ ſondern eine ſolche heylſame zuͤchtigung/ dadurch die buß ſo viel feſter in das hertz gedruͤcket/ er vor fernern ſuͤnden und ſicher- heit verwahret/ der fleiß eines ſorgfaͤltigen und behutſamen wandels ver- mehret/ und ſein glaube und ander gutes dadurch geuͤbet werde. Daher iſts ein werck goͤttlicher gnade/ und nicht ſeines zornes. Welches zur nach- richt dienet/ wo einer ein gottloſes leben gefuͤhret/ dadurch aber in groſſes elend gerathen waͤre/ wann er ſich von grund der ſeelen bekehret/ und nun- mehr in wahrer buß ſtehet/ daß er an der ihm wiederfahrenen vergebung der ſuͤnden nicht etwa deßwegen zu zweiffeln habe/ weil er darum aus ſeinem zeit- lichen leiden nicht befreyet wuͤrde; als wenn ſolches ein zeugnuͤß ſeyn muͤſte/ daß GOtt ihm noch nicht verſoͤhnet waͤre. Lehr-Puncten. WEil die natuͤrliche haupt-lehr aus dem text flieſſen wuͤrde/ von der ab- ſolution und geſchehender vergebung der ſuͤnden; und aber erſt dieſes jahr die materie von dem beicht-ſtuhl ausfuͤhrlich gehandelt/ auch ſolche pre- digt gedruckt worden/ ſo fuͤhret mich eine gelegenheit der zeit auff eine dahin auch zielende materie/ die an ſtatt der haupt-lehr gehandelt werden ſolle. Es iſt E. C. L. zum theil bekannt/ daß von einigen wochen her eine ge- druckte ſchrifft/ unter dem Titul/ Apoſtoliſcher bericht und unterricht vom beicht-ſtuhl und Abendmahl/ bey einigen allhier herum gegangen/ dadurch aber eine neue bewegung unter der gemeinde erwecket/ und die vori- ge vermehret worden. Daher dieſe von GOTT ſelbs durch unſer Evange- lium an hand gegebene gelegenheit nicht aus haͤnden laſſen ſollen/ hier an die- ſem ort von ſolcher ſchrifft zu handlen/ und E. C. L. zu unterrichten/ wie ſie dieſelbige anzuſehen habe. Den Steller und Autorem anlangend/ finde mir nicht zu zukommen/ ein

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/168>, abgerufen am 24.11.2024.