Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

Bild:
<< vorherige Seite
Das dritte Capitel.
SECTIO XI.
An eine höhere Standes-person wegen der kleider.

DAs schreiben selbs angehende/ wie mich vorhin der todes-fall des S.
jungen Herrn zu christlichem mitleiden bewogen/ so habe ich doch hin-
wieder aus gethanem bericht ursach/ die himmlische güte zu preisen/ die
bey noch so zartem alter ihre gnaden-wirckungen in dero seele/ die sie bald in
die ewigkeit versetzen wolte/ dermassen kräfftig erzeiget/ daß es auch zu ande-
rer trost und auffmunterung gereichet. Er wolle/ was durch solches anse-
hen damals die hertzen gerühret/ so viel tieffer noch immer weiter lassen ein-
getruckt werden/ zu kräfftiger verachtung alles irrdischen/ und was uns zur
stunde des abschieds keinen trost geben kan/ zu einer seligen begierde der voll-
kommenheit/ in welche die an jahren jüngere vor uns einzugehen gewürdiget
werden/ und zu einer sorgfältigen bereitung auff denjenigen wechsel/ welcher
uns mit allen vorangeschickten seligen wiederum vereinigen solle. Was dero-
selben mir vorgestelltes anligen betrifft/ ist mir solches einstheils ein ange-
nehmes zeugnüß der christlichen sorgfalt/ in nichts wider die gebote des
HErren zu thun/ andern theils eine anzeige/ daß solche in dieser sache noch zu
keiner festigkeit gelangen habe können. Da ich so wohl den himmlischen
Vater demüthigst anruffe/ die seele und gewissen auch in dieser sache zu einer
gewißheit und ruhe zu bringen/ auff daß sie inskünfftige ihrem GOtt stäts
mit so viel mehr freudigkeit/ welche durch allen zweiffel niedergeschlagen
wird/ zu dienen geschickt seye: als auch bitte/ mehr und mehr dahin zu trach-
ten/ damit das gemüth zu einer festigkeit komme/ durch hertzliches gebet und
gottselige überlegung; allezeit aber sich zuhüten/ widerdas gewissen niemal mit
willen zu thun. Was ich vor dem in der materie von den kleidern geschrieben
habe/ ligt mir nicht vor augen/ noch kan mich alles erinnern. Daher itzo al-
les von grund aushohlen muß/ was die sache erfordert. Da ich denn diese
sätze vorstelle. 1. Unser Christenthum stehet an sich selbs in nichts eusserli-
ches/ oder zu dem eusserlichen menschen gehörendes/ sondern in dem innern
menschen und neuen creatur. Jn Christo JEsu gilt weder beschneidung
noch vorhaut etwas/ sondern eine neue creatur. Galat. 6/ 15.
oder der
glaube/ der durch die liebe thätig ist/ Gal. 5/ 6.
Daher einen Christen
nichts beflecken kan/ was ausser ihm ist/ so fern und wie es ausser ihm ist/ daß
seine seele und inneres nichts damit zu thun hat. Da heist es nicht nur von
essen und trincken/ Matth. 15/ 11. was zum munde eingehet/ verunrei-
niget den menschen nicht/ sondern was zum munde ausgehet
(das nem-
lich aus dem hertzen kommt v. 19.) das verunreiniget den menschen. 1.

Cor.
Das dritte Capitel.
SECTIO XI.
An eine hoͤhere Standes-perſon wegen der kleider.

DAs ſchreiben ſelbs angehende/ wie mich vorhin der todes-fall des S.
jungen Herrn zu chriſtlichem mitleiden bewogen/ ſo habe ich doch hin-
wieder aus gethanem bericht urſach/ die himmliſche guͤte zu preiſen/ die
bey noch ſo zartem alter ihre gnaden-wirckungen in dero ſeele/ die ſie bald in
die ewigkeit verſetzen wolte/ dermaſſen kraͤfftig erzeiget/ daß es auch zu ande-
rer troſt und auffmunterung gereichet. Er wolle/ was durch ſolches anſe-
hen damals die hertzen geruͤhret/ ſo viel tieffer noch immer weiter laſſen ein-
getruckt werden/ zu kraͤfftiger verachtung alles irrdiſchen/ und was uns zur
ſtunde des abſchieds keinen troſt geben kan/ zu einer ſeligen begierde der voll-
kommenheit/ in welche die an jahren juͤngere vor uns einzugehen gewuͤrdiget
werden/ und zu einer ſorgfaͤltigen bereitung auff denjenigen wechſel/ welcher
uns mit allen vorangeſchickten ſeligen wiederum vereinigen ſolle. Was dero-
ſelben mir vorgeſtelltes anligen betrifft/ iſt mir ſolches einstheils ein ange-
nehmes zeugnuͤß der chriſtlichen ſorgfalt/ in nichts wider die gebote des
HErren zu thun/ andern theils eine anzeige/ daß ſolche in dieſer ſache noch zu
keiner feſtigkeit gelangen habe koͤnnen. Da ich ſo wohl den himmliſchen
Vater demuͤthigſt anruffe/ die ſeele und gewiſſen auch in dieſer ſache zu einer
gewißheit und ruhe zu bringen/ auff daß ſie inskuͤnfftige ihrem GOtt ſtaͤts
mit ſo viel mehr freudigkeit/ welche durch allen zweiffel niedergeſchlagen
wird/ zu dienen geſchickt ſeye: als auch bitte/ mehr und mehr dahin zu trach-
ten/ damit das gemuͤth zu einer feſtigkeit komme/ durch hertzliches gebet und
gottſelige uͤberlegung; allezeit aber ſich zuhuͤtẽ/ widerdas gewiſſen niemal mit
willen zu thun. Was ich vor dem in der materie von den kleidern geſchrieben
habe/ ligt mir nicht vor augen/ noch kan mich alles erinnern. Daher itzo al-
les von grund aushohlen muß/ was die ſache erfordert. Da ich denn dieſe
ſaͤtze vorſtelle. 1. Unſer Chriſtenthum ſtehet an ſich ſelbs in nichts euſſerli-
ches/ oder zu dem euſſerlichen menſchen gehoͤrendes/ ſondern in dem innern
menſchen und neuen creatur. Jn Chriſto JEſu gilt weder beſchneidung
noch vorhaut etwas/ ſondern eine neue creatur. Galat. 6/ 15.
oder der
glaube/ der durch die liebe thaͤtig iſt/ Gal. 5/ 6.
Daher einen Chriſten
nichts beflecken kan/ was auſſer ihm iſt/ ſo fern und wie es auſſer ihm iſt/ daß
ſeine ſeele und inneres nichts damit zu thun hat. Da heiſt es nicht nur von
eſſen und trincken/ Matth. 15/ 11. was zum munde eingehet/ verunrei-
niget den menſchen nicht/ ſondern was zum munde ausgehet
(das nem-
lich aus dem hertzen kommt v. 19.) das verunreiniget den menſchen. 1.

Cor.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0226" n="218"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das dritte Capitel.</hi> </fw><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO</hi> XI.</hi><lb/>
An eine ho&#x0364;here Standes-per&#x017F;on wegen der kleider.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">D</hi>As &#x017F;chreiben &#x017F;elbs angehende/ wie mich vorhin der todes-fall des S.<lb/>
jungen Herrn zu chri&#x017F;tlichem mitleiden bewogen/ &#x017F;o habe ich doch hin-<lb/>
wieder aus gethanem bericht ur&#x017F;ach/ die himmli&#x017F;che gu&#x0364;te zu prei&#x017F;en/ die<lb/>
bey noch &#x017F;o zartem alter ihre gnaden-wirckungen in dero &#x017F;eele/ die &#x017F;ie bald in<lb/>
die ewigkeit ver&#x017F;etzen wolte/ derma&#x017F;&#x017F;en kra&#x0364;fftig erzeiget/ daß es auch zu ande-<lb/>
rer tro&#x017F;t und auffmunterung gereichet. Er wolle/ was durch &#x017F;olches an&#x017F;e-<lb/>
hen damals die hertzen geru&#x0364;hret/ &#x017F;o viel tieffer noch immer weiter la&#x017F;&#x017F;en ein-<lb/>
getruckt werden/ zu kra&#x0364;fftiger verachtung alles irrdi&#x017F;chen/ und was uns zur<lb/>
&#x017F;tunde des ab&#x017F;chieds keinen tro&#x017F;t geben kan/ zu einer &#x017F;eligen begierde der voll-<lb/>
kommenheit/ in welche die an jahren ju&#x0364;ngere vor uns einzugehen gewu&#x0364;rdiget<lb/>
werden/ und zu einer &#x017F;orgfa&#x0364;ltigen bereitung auff denjenigen wech&#x017F;el/ welcher<lb/>
uns mit allen vorange&#x017F;chickten &#x017F;eligen wiederum vereinigen &#x017F;olle. Was dero-<lb/>
&#x017F;elben mir vorge&#x017F;telltes anligen betrifft/ i&#x017F;t mir &#x017F;olches einstheils ein ange-<lb/>
nehmes zeugnu&#x0364;ß der chri&#x017F;tlichen &#x017F;orgfalt/ in nichts wider die gebote des<lb/>
HErren zu thun/ andern theils eine anzeige/ daß &#x017F;olche in die&#x017F;er &#x017F;ache noch zu<lb/>
keiner fe&#x017F;tigkeit gelangen habe ko&#x0364;nnen. Da ich &#x017F;o wohl den himmli&#x017F;chen<lb/>
Vater demu&#x0364;thig&#x017F;t anruffe/ die &#x017F;eele und gewi&#x017F;&#x017F;en auch in die&#x017F;er &#x017F;ache zu einer<lb/>
gewißheit und ruhe zu bringen/ auff daß &#x017F;ie insku&#x0364;nfftige ihrem GOtt &#x017F;ta&#x0364;ts<lb/>
mit &#x017F;o viel mehr freudigkeit/ welche durch allen zweiffel niederge&#x017F;chlagen<lb/>
wird/ zu dienen ge&#x017F;chickt &#x017F;eye: als auch bitte/ mehr und mehr dahin zu trach-<lb/>
ten/ damit das gemu&#x0364;th zu einer fe&#x017F;tigkeit komme/ durch hertzliches gebet und<lb/>
gott&#x017F;elige u&#x0364;berlegung; allezeit aber &#x017F;ich zuhu&#x0364;te&#x0303;/ widerdas gewi&#x017F;&#x017F;en niemal mit<lb/>
willen zu thun. Was ich vor dem in der materie von den kleidern ge&#x017F;chrieben<lb/>
habe/ ligt mir nicht vor augen/ noch kan mich alles erinnern. Daher itzo al-<lb/>
les von grund aushohlen muß/ was die &#x017F;ache erfordert. Da ich denn die&#x017F;e<lb/>
&#x017F;a&#x0364;tze vor&#x017F;telle. 1. Un&#x017F;er Chri&#x017F;tenthum &#x017F;tehet an &#x017F;ich &#x017F;elbs in nichts eu&#x017F;&#x017F;erli-<lb/>
ches/ oder zu dem eu&#x017F;&#x017F;erlichen men&#x017F;chen geho&#x0364;rendes/ &#x017F;ondern in dem innern<lb/>
men&#x017F;chen und neuen creatur. <hi rendition="#fr">Jn Chri&#x017F;to JE&#x017F;u gilt weder be&#x017F;chneidung<lb/>
noch vorhaut etwas/ &#x017F;ondern eine neue creatur. Galat. 6/ 15.</hi> oder <hi rendition="#fr">der<lb/>
glaube/ der durch die liebe tha&#x0364;tig i&#x017F;t/ Gal. 5/ 6.</hi> Daher einen Chri&#x017F;ten<lb/>
nichts beflecken kan/ was au&#x017F;&#x017F;er ihm i&#x017F;t/ &#x017F;o fern und wie es au&#x017F;&#x017F;er ihm i&#x017F;t/ daß<lb/>
&#x017F;eine &#x017F;eele und inneres nichts damit zu thun hat. Da hei&#x017F;t es nicht nur von<lb/>
e&#x017F;&#x017F;en und trincken/ <hi rendition="#fr">Matth. 15/ 11. was zum munde eingehet/ verunrei-<lb/>
niget den men&#x017F;chen nicht/ &#x017F;ondern was zum munde ausgehet</hi> (das nem-<lb/>
lich aus dem hertzen kommt v. 19.) <hi rendition="#fr">das verunreiniget den men&#x017F;chen. 1.</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Cor.</hi></fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[218/0226] Das dritte Capitel. SECTIO XI. An eine hoͤhere Standes-perſon wegen der kleider. DAs ſchreiben ſelbs angehende/ wie mich vorhin der todes-fall des S. jungen Herrn zu chriſtlichem mitleiden bewogen/ ſo habe ich doch hin- wieder aus gethanem bericht urſach/ die himmliſche guͤte zu preiſen/ die bey noch ſo zartem alter ihre gnaden-wirckungen in dero ſeele/ die ſie bald in die ewigkeit verſetzen wolte/ dermaſſen kraͤfftig erzeiget/ daß es auch zu ande- rer troſt und auffmunterung gereichet. Er wolle/ was durch ſolches anſe- hen damals die hertzen geruͤhret/ ſo viel tieffer noch immer weiter laſſen ein- getruckt werden/ zu kraͤfftiger verachtung alles irrdiſchen/ und was uns zur ſtunde des abſchieds keinen troſt geben kan/ zu einer ſeligen begierde der voll- kommenheit/ in welche die an jahren juͤngere vor uns einzugehen gewuͤrdiget werden/ und zu einer ſorgfaͤltigen bereitung auff denjenigen wechſel/ welcher uns mit allen vorangeſchickten ſeligen wiederum vereinigen ſolle. Was dero- ſelben mir vorgeſtelltes anligen betrifft/ iſt mir ſolches einstheils ein ange- nehmes zeugnuͤß der chriſtlichen ſorgfalt/ in nichts wider die gebote des HErren zu thun/ andern theils eine anzeige/ daß ſolche in dieſer ſache noch zu keiner feſtigkeit gelangen habe koͤnnen. Da ich ſo wohl den himmliſchen Vater demuͤthigſt anruffe/ die ſeele und gewiſſen auch in dieſer ſache zu einer gewißheit und ruhe zu bringen/ auff daß ſie inskuͤnfftige ihrem GOtt ſtaͤts mit ſo viel mehr freudigkeit/ welche durch allen zweiffel niedergeſchlagen wird/ zu dienen geſchickt ſeye: als auch bitte/ mehr und mehr dahin zu trach- ten/ damit das gemuͤth zu einer feſtigkeit komme/ durch hertzliches gebet und gottſelige uͤberlegung; allezeit aber ſich zuhuͤtẽ/ widerdas gewiſſen niemal mit willen zu thun. Was ich vor dem in der materie von den kleidern geſchrieben habe/ ligt mir nicht vor augen/ noch kan mich alles erinnern. Daher itzo al- les von grund aushohlen muß/ was die ſache erfordert. Da ich denn dieſe ſaͤtze vorſtelle. 1. Unſer Chriſtenthum ſtehet an ſich ſelbs in nichts euſſerli- ches/ oder zu dem euſſerlichen menſchen gehoͤrendes/ ſondern in dem innern menſchen und neuen creatur. Jn Chriſto JEſu gilt weder beſchneidung noch vorhaut etwas/ ſondern eine neue creatur. Galat. 6/ 15. oder der glaube/ der durch die liebe thaͤtig iſt/ Gal. 5/ 6. Daher einen Chriſten nichts beflecken kan/ was auſſer ihm iſt/ ſo fern und wie es auſſer ihm iſt/ daß ſeine ſeele und inneres nichts damit zu thun hat. Da heiſt es nicht nur von eſſen und trincken/ Matth. 15/ 11. was zum munde eingehet/ verunrei- niget den menſchen nicht/ ſondern was zum munde ausgehet (das nem- lich aus dem hertzen kommt v. 19.) das verunreiniget den menſchen. 1. Cor.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/226
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/226>, abgerufen am 22.11.2024.