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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das dritte Capitel.
ter dem nahmen der bedörffnüß der regierung und ihres göttlichen amts for-
dert: daher nimmet GOtt solche ungerechtigkeit also an/ als auch ihm selbs
geschehen: und wird die sünde so viel schwehrer/ als sie in einer ungerechtig-
keit zwischen andern personen sonsten seyn würde.
3. Dazu kommt/ daß ob wohl die angebung nicht/ so viel ich sehe/ aus-
trücklich mit einem eyd geschihet/ sondern bey Adelichen treuen und gutem ge-
wissen (welches letztere von einem eigentlichen eyd nicht viel unterschied hat)
dannoch ein meineyd in gewisser maaß darinnen begangen wird/ alldieweil
die unter-Obrigkeit den höhern mit eydes-pflicht verwandt ist; daher diese
und alle dergleichen vorsetzliche übervortheilungen derselben eine verletzung
des ihr insgemein geschwohrnen eydes ist.
4. Weil alle hinterhaltung frembden guts oder dessen an sich ziehung
eine schwehre sünde und diebstahl nach GOttes wort geachtet wird (wie un-
ter die sünde/ die mit opffern versöhnet werden musten/ und damit man sich
an dem HErrn vergriffe/ 3. Mos. 6/ 2. gezählet wird/ wo einer seinem
nechsten verleugnet/ was er ihm befohlen hat/ oder das ihm zu treuer
hand gethan ist/ oder das er mit gewalt genommen/ oder mit unrecht
zu sich gebracht. Und Habac. 2/ 6.
da heist es: wehe dem/ der sein gut
mehret mit frembdem gut/ wie lange wirds währen? und ladet nur
viel schlamms auff sich)
so ist die hinterhaltung und verleugnung desjeni-
gen/ was der Obrigkeit gehöret/ eine noch viel schwehrere sünde/ und stets
fortwährende ungerechtigkeit/ als lange man solches schuldige zurück behält:
daß daher das gewissen einer solchen person/ biß sie erstattung thut/ nach dem
wie es heist Ezechiel. 33/ 15. Wenn der gottlose das pfand wiedergiebet/
und bezahlet was er geraubet
(zu dem mögen wir aus gleicher ursach se-
tzen/ mit unrecht hinterhalten) hat/ zu ruhe nicht kommen kan/ sondern es
ligt deswegen ein fluch/ wo nicht (welches doch wol manchmal sich weisen
mag) auff eines solchen mit unrecht vermehrten gütern/ daß etwa das un-
rechte das übrige mit endlich verzehret/ auffs wenigste (so aber noch gefährli-
cher) auff seiner seele/ und setzet diese ausser göttlichem gnaden-genuß. Da-
von die alte regel bekant ist: non remittitur peccatum, nisi restituatur ab-
latum.
5. Es wird die sünde auch nicht vermeidet sondern vermehret/ daß es
nicht eine blosse vorenthaltung des schuldigen ist/ sondern die Obrigkeit/ dero
man sonderlich die wahrheit und auffrichtigkeit schuldig ist/ auch getäuschet
wird. Hat nun dorten Petrus dem Ananiä die sünde so hoch auffge-
nommen Ap. Gesch. 5. als er seinen acker verkaufft/ und etwas davon heim-
lich hinterhalten hatte/ da der Apostel doch bekennet/ daß ers wohl gar behal-
ten
Das dritte Capitel.
ter dem nahmen der bedoͤrffnuͤß der regierung und ihres goͤttlichen amts for-
dert: daher nimmet GOtt ſolche ungerechtigkeit alſo an/ als auch ihm ſelbs
geſchehen: und wird die ſuͤnde ſo viel ſchwehrer/ als ſie in einer ungerechtig-
keit zwiſchen andern perſonen ſonſten ſeyn wuͤrde.
3. Dazu kommt/ daß ob wohl die angebung nicht/ ſo viel ich ſehe/ aus-
truͤcklich mit einem eyd geſchihet/ ſondern bey Adelichen treuen und gutem ge-
wiſſen (welches letztere von einem eigentlichen eyd nicht viel unterſchied hat)
dannoch ein meineyd in gewiſſer maaß darinnen begangen wird/ alldieweil
die unter-Obrigkeit den hoͤhern mit eydes-pflicht verwandt iſt; daher dieſe
und alle dergleichen vorſetzliche uͤbervortheilungen derſelben eine verletzung
des ihr insgemein geſchwohrnen eydes iſt.
4. Weil alle hinterhaltung frembden guts oder deſſen an ſich ziehung
eine ſchwehre ſuͤnde und diebſtahl nach GOttes wort geachtet wird (wie un-
ter die ſuͤnde/ die mit opffern verſoͤhnet werden muſten/ und damit man ſich
an dem HErrn vergriffe/ 3. Moſ. 6/ 2. gezaͤhlet wird/ wo einer ſeinem
nechſten verleugnet/ was er ihm befohlen hat/ oder das ihm zu treuer
hand gethan iſt/ oder das er mit gewalt genommen/ oder mit unrecht
zu ſich gebracht. Und Habac. 2/ 6.
da heiſt es: wehe dem/ der ſein gut
mehret mit frembdem gut/ wie lange wirds waͤhren? und ladet nur
viel ſchlamms auff ſich)
ſo iſt die hinterhaltung und verleugnung desjeni-
gen/ was der Obrigkeit gehoͤret/ eine noch viel ſchwehrere ſuͤnde/ und ſtets
fortwaͤhrende ungerechtigkeit/ als lange man ſolches ſchuldige zuruͤck behaͤlt:
daß daher das gewiſſen einer ſolchen perſon/ biß ſie erſtattung thut/ nach dem
wie es heiſt Ezechiel. 33/ 15. Wenn der gottloſe das pfand wiedergiebet/
und bezahlet was er geraubet
(zu dem moͤgen wir aus gleicher urſach ſe-
tzen/ mit unrecht hinterhalten) hat/ zu ruhe nicht kommen kan/ ſondern es
ligt deswegen ein fluch/ wo nicht (welches doch wol manchmal ſich weiſen
mag) auff eines ſolchen mit unrecht vermehrten guͤtern/ daß etwa das un-
rechte das uͤbrige mit endlich verzehret/ auffs wenigſte (ſo aber noch gefaͤhrli-
cher) auff ſeiner ſeele/ und ſetzet dieſe auſſer goͤttlichem gnaden-genuß. Da-
von die alte regel bekant iſt: non remittitur peccatum, niſi reſtituatur ab-
latum.
5. Es wird die ſuͤnde auch nicht vermeidet ſondern vermehret/ daß es
nicht eine bloſſe vorenthaltung des ſchuldigen iſt/ ſondern die Obrigkeit/ dero
man ſonderlich die wahrheit und auffrichtigkeit ſchuldig iſt/ auch getaͤuſchet
wird. Hat nun dorten Petrus dem Ananiaͤ die ſuͤnde ſo hoch auffge-
nommen Ap. Geſch. 5. als er ſeinen acker verkaufft/ und etwas davon heim-
lich hinterhalten hatte/ da der Apoſtel doch bekennet/ daß ers wohl gar behal-
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[230/0238] Das dritte Capitel. ter dem nahmen der bedoͤrffnuͤß der regierung und ihres goͤttlichen amts for- dert: daher nimmet GOtt ſolche ungerechtigkeit alſo an/ als auch ihm ſelbs geſchehen: und wird die ſuͤnde ſo viel ſchwehrer/ als ſie in einer ungerechtig- keit zwiſchen andern perſonen ſonſten ſeyn wuͤrde. 3. Dazu kommt/ daß ob wohl die angebung nicht/ ſo viel ich ſehe/ aus- truͤcklich mit einem eyd geſchihet/ ſondern bey Adelichen treuen und gutem ge- wiſſen (welches letztere von einem eigentlichen eyd nicht viel unterſchied hat) dannoch ein meineyd in gewiſſer maaß darinnen begangen wird/ alldieweil die unter-Obrigkeit den hoͤhern mit eydes-pflicht verwandt iſt; daher dieſe und alle dergleichen vorſetzliche uͤbervortheilungen derſelben eine verletzung des ihr insgemein geſchwohrnen eydes iſt. 4. Weil alle hinterhaltung frembden guts oder deſſen an ſich ziehung eine ſchwehre ſuͤnde und diebſtahl nach GOttes wort geachtet wird (wie un- ter die ſuͤnde/ die mit opffern verſoͤhnet werden muſten/ und damit man ſich an dem HErrn vergriffe/ 3. Moſ. 6/ 2. gezaͤhlet wird/ wo einer ſeinem nechſten verleugnet/ was er ihm befohlen hat/ oder das ihm zu treuer hand gethan iſt/ oder das er mit gewalt genommen/ oder mit unrecht zu ſich gebracht. Und Habac. 2/ 6. da heiſt es: wehe dem/ der ſein gut mehret mit frembdem gut/ wie lange wirds waͤhren? und ladet nur viel ſchlamms auff ſich) ſo iſt die hinterhaltung und verleugnung desjeni- gen/ was der Obrigkeit gehoͤret/ eine noch viel ſchwehrere ſuͤnde/ und ſtets fortwaͤhrende ungerechtigkeit/ als lange man ſolches ſchuldige zuruͤck behaͤlt: daß daher das gewiſſen einer ſolchen perſon/ biß ſie erſtattung thut/ nach dem wie es heiſt Ezechiel. 33/ 15. Wenn der gottloſe das pfand wiedergiebet/ und bezahlet was er geraubet (zu dem moͤgen wir aus gleicher urſach ſe- tzen/ mit unrecht hinterhalten) hat/ zu ruhe nicht kommen kan/ ſondern es ligt deswegen ein fluch/ wo nicht (welches doch wol manchmal ſich weiſen mag) auff eines ſolchen mit unrecht vermehrten guͤtern/ daß etwa das un- rechte das uͤbrige mit endlich verzehret/ auffs wenigſte (ſo aber noch gefaͤhrli- cher) auff ſeiner ſeele/ und ſetzet dieſe auſſer goͤttlichem gnaden-genuß. Da- von die alte regel bekant iſt: non remittitur peccatum, niſi reſtituatur ab- latum. 5. Es wird die ſuͤnde auch nicht vermeidet ſondern vermehret/ daß es nicht eine bloſſe vorenthaltung des ſchuldigen iſt/ ſondern die Obrigkeit/ dero man ſonderlich die wahrheit und auffrichtigkeit ſchuldig iſt/ auch getaͤuſchet wird. Hat nun dorten Petrus dem Ananiaͤ die ſuͤnde ſo hoch auffge- nommen Ap. Geſch. 5. als er ſeinen acker verkaufft/ und etwas davon heim- lich hinterhalten hatte/ da der Apoſtel doch bekennet/ daß ers wohl gar behal- ten

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/238>, abgerufen am 22.11.2024.