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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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ARTIC. II. SECTIO XX.
aus gemeiniglich die begierde gold zumachen herzukommen pflege/
nemlich aus dem verlangen grösser und reicher zu werden/ daher jenes
selbs christlichen hertzen so viel verdächtiger wird. Zudem stecket die begier-
de grösser und reicher zu werden allen menschen von natur so tieff in den her-
tzen/ daß sie sich schwehr bey der gelegenheit zurück hält: und hätte also einer/
der sich einbilden wolte/ daß er nach dieser kunst gold zu machen allein aus
liebe göttlicher erkäntnüß und lobes trachte/ fleißig zu prüfen/ ob ihn sein
eigen hertz nicht etwa selbs betriege/ welches allzuleicht und allzuofft ge-
schihet.
6. Keine väterliche disposition oder einiges menschen befehl kan mich
darzu nöthigen/ etwas böses zu thun/ oder das nöthige gute zu unterlassen:
dergleichen geschihet aber auch in dem testamento quaestionis nicht. Dann
ob man sagen wolte/ es könte auch durch solches mittel der untersuchung der
geheimnüssen der natur die erkäntnüß Gottes und dessen lob vermehret wer-
den: so wird was man einwenden möchte/ hiedurch zu unterbleiben/ durch
die desto fleißigere untersuchung der schrifft auch desto herrlicher ersetzet/ in-
dem das geringste/ so aus der göttlichen gnaden-offenbahrung von dem Ev-
angelio erkant wird/ seinem werth und nutzen nach alle auch die höchste er-
käntnüß aus natürlichen dingen herkommende/ sehr weit übertrifft/ daher
auch das daraus zu GOtt auffsteigende lob das vornehmste ist. Jndessen
wer auch sich des goldmachens oder dessen studii enthält oder enthalten
muß/ wo er sich in natürlichen dingen üben will/ hat ohne das goldmachen
noch unzehlich viel andere materien aus der natur/ darinnen er sich üben/ und
daraus stäts neue ursach zum preiß GOTTes finden kan. Wie dann die
Physic und Mathesis darzu so viel an hand geben/ daß wir/ ob wir an das
goldmachen nimmer gedencken/ unser lebtag gnug dran zu studiren haben.
Daß also nicht zu sorgen stehet/ daß durch unterlassung dieses studii göttli-
cher ehr etwas abgehen möchte.
7. Endlich kan der dem weib gethane verspruch aus denen in der specie
facti
angeführten ursachen nicht zurück gezogen werden/ als die bey weitem
der wichtigkeit nicht sind/ als die pflicht sich an seine zusage nach der wahr-
heit zu halten/ und dieselbe zuerfüllen. Also bleibet es noch bey obigem/ daß
einem also vinculirten sohn nicht frey stehe/ an solche arbeit zu gehen/ sondern
oblige/ göttlichen willen/ der ihn selbs davon abhalte/ zu erkennen.
Was die noch angehängte frage anlangt/ ob dann aufs wenigste dem ge-
wissen nicht entgegen wäre/ die Philosophische bücher (dadurch obwol mit ei-
nem grossen mißbrauch des worts diejenige eigenlich werden verstanden
werden/ die von solcher verwandlung der metallen handlen) zu lesen: so kan
ich nicht sagen/ daß solches lesen vor sich verboten seye: nachdem es als ein
mit-
L l 2
ARTIC. II. SECTIO XX.
aus gemeiniglich die begierde gold zumachen herzukommen pflege/
nemlich aus dem verlangen groͤſſer und reicher zu werden/ daher jenes
ſelbs chriſtlichen hertzen ſo viel verdaͤchtiger wird. Zudem ſtecket die begier-
de groͤſſer und reicher zu werden allen menſchen von natur ſo tieff in den her-
tzen/ daß ſie ſich ſchwehr bey der gelegenheit zuruͤck haͤlt: und haͤtte alſo einer/
der ſich einbilden wolte/ daß er nach dieſer kunſt gold zu machen allein aus
liebe goͤttlicher erkaͤntnuͤß und lobes trachte/ fleißig zu pruͤfen/ ob ihn ſein
eigen hertz nicht etwa ſelbs betriege/ welches allzuleicht und allzuofft ge-
ſchihet.
6. Keine vaͤterliche diſpoſition oder einiges menſchen befehl kan mich
darzu noͤthigen/ etwas boͤſes zu thun/ oder das noͤthige gute zu unterlaſſen:
dergleichen geſchihet aber auch in dem teſtamento quæſtionis nicht. Dann
ob man ſagen wolte/ es koͤnte auch durch ſolches mittel der unterſuchung der
geheimnuͤſſen der natur die erkaͤntnuͤß Gottes und deſſen lob vermehret wer-
den: ſo wird was man einwenden moͤchte/ hiedurch zu unterbleiben/ durch
die deſto fleißigere unterſuchung der ſchrifft auch deſto herrlicher erſetzet/ in-
dem das geringſte/ ſo aus der goͤttlichen gnaden-offenbahrung von dem Ev-
angelio erkant wird/ ſeinem werth und nutzen nach alle auch die hoͤchſte er-
kaͤntnuͤß aus natuͤrlichen dingen herkommende/ ſehr weit uͤbertrifft/ daher
auch das daraus zu GOtt auffſteigende lob das vornehmſte iſt. Jndeſſen
wer auch ſich des goldmachens oder deſſen ſtudii enthaͤlt oder enthalten
muß/ wo er ſich in natuͤrlichen dingen uͤben will/ hat ohne das goldmachen
noch unzehlich viel andere materien aus der natur/ darinnen er ſich uͤben/ und
daraus ſtaͤts neue urſach zum preiß GOTTes finden kan. Wie dann die
Phyſic und Matheſis darzu ſo viel an hand geben/ daß wir/ ob wir an das
goldmachen nimmer gedencken/ unſer lebtag gnug dran zu ſtudiren haben.
Daß alſo nicht zu ſorgen ſtehet/ daß durch unterlaſſung dieſes ſtudii goͤttli-
cher ehr etwas abgehen moͤchte.
7. Endlich kan der dem weib gethane verſpruch aus denen in der ſpecie
facti
angefuͤhrten urſachen nicht zuruͤck gezogen werden/ als die bey weitem
der wichtigkeit nicht ſind/ als die pflicht ſich an ſeine zuſage nach der wahr-
heit zu halten/ und dieſelbe zuerfuͤllen. Alſo bleibet es noch bey obigem/ daß
einem alſo vinculirten ſohn nicht frey ſtehe/ an ſolche arbeit zu gehen/ ſondern
oblige/ goͤttlichen willen/ der ihn ſelbs davon abhalte/ zu erkennen.
Was die noch angehaͤngte frage anlangt/ ob dann aufs wenigſte dem ge-
wiſſen nicht entgegen waͤre/ die Philoſophiſche buͤcher (dadurch obwol mit ei-
nem groſſen mißbrauch des worts diejenige eigenlich werden verſtanden
werden/ die von ſolcher verwandlung der metallen handlen) zu leſen: ſo kan
ich nicht ſagen/ daß ſolches leſen vor ſich verboten ſeye: nachdem es als ein
mit-
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[267/0275] ARTIC. II. SECTIO XX. aus gemeiniglich die begierde gold zumachen herzukommen pflege/ nemlich aus dem verlangen groͤſſer und reicher zu werden/ daher jenes ſelbs chriſtlichen hertzen ſo viel verdaͤchtiger wird. Zudem ſtecket die begier- de groͤſſer und reicher zu werden allen menſchen von natur ſo tieff in den her- tzen/ daß ſie ſich ſchwehr bey der gelegenheit zuruͤck haͤlt: und haͤtte alſo einer/ der ſich einbilden wolte/ daß er nach dieſer kunſt gold zu machen allein aus liebe goͤttlicher erkaͤntnuͤß und lobes trachte/ fleißig zu pruͤfen/ ob ihn ſein eigen hertz nicht etwa ſelbs betriege/ welches allzuleicht und allzuofft ge- ſchihet. 6. Keine vaͤterliche diſpoſition oder einiges menſchen befehl kan mich darzu noͤthigen/ etwas boͤſes zu thun/ oder das noͤthige gute zu unterlaſſen: dergleichen geſchihet aber auch in dem teſtamento quæſtionis nicht. Dann ob man ſagen wolte/ es koͤnte auch durch ſolches mittel der unterſuchung der geheimnuͤſſen der natur die erkaͤntnuͤß Gottes und deſſen lob vermehret wer- den: ſo wird was man einwenden moͤchte/ hiedurch zu unterbleiben/ durch die deſto fleißigere unterſuchung der ſchrifft auch deſto herrlicher erſetzet/ in- dem das geringſte/ ſo aus der goͤttlichen gnaden-offenbahrung von dem Ev- angelio erkant wird/ ſeinem werth und nutzen nach alle auch die hoͤchſte er- kaͤntnuͤß aus natuͤrlichen dingen herkommende/ ſehr weit uͤbertrifft/ daher auch das daraus zu GOtt auffſteigende lob das vornehmſte iſt. Jndeſſen wer auch ſich des goldmachens oder deſſen ſtudii enthaͤlt oder enthalten muß/ wo er ſich in natuͤrlichen dingen uͤben will/ hat ohne das goldmachen noch unzehlich viel andere materien aus der natur/ darinnen er ſich uͤben/ und daraus ſtaͤts neue urſach zum preiß GOTTes finden kan. Wie dann die Phyſic und Matheſis darzu ſo viel an hand geben/ daß wir/ ob wir an das goldmachen nimmer gedencken/ unſer lebtag gnug dran zu ſtudiren haben. Daß alſo nicht zu ſorgen ſtehet/ daß durch unterlaſſung dieſes ſtudii goͤttli- cher ehr etwas abgehen moͤchte. 7. Endlich kan der dem weib gethane verſpruch aus denen in der ſpecie facti angefuͤhrten urſachen nicht zuruͤck gezogen werden/ als die bey weitem der wichtigkeit nicht ſind/ als die pflicht ſich an ſeine zuſage nach der wahr- heit zu halten/ und dieſelbe zuerfuͤllen. Alſo bleibet es noch bey obigem/ daß einem alſo vinculirten ſohn nicht frey ſtehe/ an ſolche arbeit zu gehen/ ſondern oblige/ goͤttlichen willen/ der ihn ſelbs davon abhalte/ zu erkennen. Was die noch angehaͤngte frage anlangt/ ob dann aufs wenigſte dem ge- wiſſen nicht entgegen waͤre/ die Philoſophiſche buͤcher (dadurch obwol mit ei- nem groſſen mißbrauch des worts diejenige eigenlich werden verſtanden werden/ die von ſolcher verwandlung der metallen handlen) zu leſen: ſo kan ich nicht ſagen/ daß ſolches leſen vor ſich verboten ſeye: nachdem es als ein mit- L l 2

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/275>, abgerufen am 22.11.2024.