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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das dritte Capitel.
denen auch sich nicht nur die früchten der buß in einer hertzlichen begierde/ son-
dern wircklichem eiffer und anfang eines solchen lebens/ darinnen man einig
und allein GOTT in allen dingen zu gefallen trachtet/ antreffen lassen. 3.
Die auch die gnade GOttes/ ob sie wol derselben nicht theilhafftig zu seyn
ängstiglich sorgen/ hochschätzen/ darinnen die seligkeit zu bestehen erkennen/
und ein sehnliches verlangen darnach tragen/ ja wann es möglich wäre/ mit
vergiessung ihres bluts derselben genuß gern erkauffen wolten (welcherley ich
manche angefochtene angetroffen/ ja es vor die rechte characteres der kinder
GOttes halte/ die er in diesem probier-offen übet) so getraue ich kecklich zu sa-
gen/ daß bey solchen lieben seelen der wahre glaube wahrhafftig seyn muß/
und annoch in solchem verlangen/ als welches unter allen übrigen dingen/ die
sich bey ihnen finden/ dem glauben am nechsten kommet/ bestehe. Der liebe
Arnd führet uns dahin W. Christenth. 2/ 52. Es zeucht sich alle krafft des
glaubens in einen punct und in ein unaussprechlich seuffzen/ darinnen
noch der glaube ihnen unwissend verborgen ist. Und dieser verbor-
gene glaube ist also dann sein unglaube/ und ist sein hölle und marter:

Und nachmal: Aber gleich wol lässet sich GOTT noch in dem verborge-
nen unaussprechlichen seuffzen gleich als von ferne sehen/ und dadurch
wird der mensch erhalten.
Es sind aber solche unaussprechliche seuffzen
nichts anders als solches brünstige verlangen.
4. Daß aber solches verlangen von dem glauben ausgegeben/ oder viel-
mehr als ein zengnüß des verborgenen glaubens angezeiget wird/ geschihet
nicht ohne grund. Es sind einmal dergleichen leute/ wie sie n. 3. beschrieben
sind/ wahrhafftig wiedergebohrne leute: Als die nun gantz anders geartet und
gesinnet sind/ als sonsten menschen von natur zu seyn pflegen/ und sie etwa
auch von sich selbs vor dem gewesen zu seyn/ sich erinnern/ welche änderung zu
dem guten/ und zwahr eine veränderung der gantzen natur/ des menschen und
seiner haupt-inclination, wie sie nicht aus der alten geburt herkommt/ viel-
mehr deroselben art entgegen ist/ so muß sie aus einer andern und neuen ge-
burt nothwendig herkommen/ diese aber kan wiederum nicht anders als vom
H. Geist seyn/ dessen ohnzweiffelicher trieb derjenige ist/ aus dem solche leute
gutes thun. Wo aber der Heilige Geist ist/ und einen neuen menschen ge-
macht hat/ da ist unfehlbar bey demselben auch der glaube/ als gleichsam die
seele des neuen menschen. Daher wahrhafftig nichts anders einem solchen
menschen mangelt/ als die blosse empfindlichkeit/ da doch die frage selbs/ daß
diese nicht eben bey dem glauben seyn müsse/ gestehet. So zeugen ja die früch-
ten des glaubens ohnfehlbarlich von gegenwart der wurtzel/ aus welcher die-
selbe wachsen müssen.
5. Wo
Das dritte Capitel.
denen auch ſich nicht nur die fruͤchten der buß in einer hertzlichen begierde/ ſon-
dern wircklichem eiffer und anfang eines ſolchen lebens/ darinnen man einig
und allein GOTT in allen dingen zu gefallen trachtet/ antreffen laſſen. 3.
Die auch die gnade GOttes/ ob ſie wol derſelben nicht theilhafftig zu ſeyn
aͤngſtiglich ſorgen/ hochſchaͤtzen/ darinnen die ſeligkeit zu beſtehen erkennen/
und ein ſehnliches verlangen darnach tragen/ ja wann es moͤglich waͤre/ mit
vergieſſung ihres bluts derſelben genuß gern erkauffen wolten (welcherley ich
manche angefochtene angetroffen/ ja es vor die rechte characteres der kinder
GOttes halte/ die er in dieſem probier-offen uͤbet) ſo getraue ich kecklich zu ſa-
gen/ daß bey ſolchen lieben ſeelen der wahre glaube wahrhafftig ſeyn muß/
und annoch in ſolchem verlangen/ als welches unter allen uͤbrigen dingen/ die
ſich bey ihnen finden/ dem glauben am nechſten kommet/ beſtehe. Der liebe
Arnd fuͤhret uns dahin W. Chriſtenth. 2/ 52. Es zeucht ſich alle krafft des
glaubens in einen punct und in ein unausſprechlich ſeuffzen/ darinnen
noch der glaube ihnen unwiſſend verborgen iſt. Und dieſer verbor-
gene glaube iſt alſo dann ſein unglaube/ und iſt ſein hoͤlle und marter:

Und nachmal: Aber gleich wol laͤſſet ſich GOTT noch in dem verborge-
nen unausſprechlichen ſeuffzen gleich als von ferne ſehen/ und dadurch
wird der menſch erhalten.
Es ſind aber ſolche unausſprechliche ſeuffzen
nichts anders als ſolches bruͤnſtige verlangen.
4. Daß aber ſolches verlangen von dem glauben ausgegeben/ oder viel-
mehr als ein zengnuͤß des verborgenen glaubens angezeiget wird/ geſchihet
nicht ohne grund. Es ſind einmal dergleichen leute/ wie ſie n. 3. beſchrieben
ſind/ wahrhafftig wiedergebohrne leute: Als die nun gantz anders geartet und
geſinnet ſind/ als ſonſten menſchen von natur zu ſeyn pflegen/ und ſie etwa
auch von ſich ſelbs vor dem geweſen zu ſeyn/ ſich erinnern/ welche aͤnderung zu
dem guten/ und zwahr eine veraͤnderung der gantzen natur/ des menſchen und
ſeiner haupt-inclination, wie ſie nicht aus der alten geburt herkommt/ viel-
mehr deroſelben art entgegen iſt/ ſo muß ſie aus einer andern und neuen ge-
burt nothwendig herkommen/ dieſe aber kan wiederum nicht anders als vom
H. Geiſt ſeyn/ deſſen ohnzweiffelicher trieb derjenige iſt/ aus dem ſolche leute
gutes thun. Wo aber der Heilige Geiſt iſt/ und einen neuen menſchen ge-
macht hat/ da iſt unfehlbar bey demſelben auch der glaube/ als gleichſam die
ſeele des neuen menſchen. Daher wahrhafftig nichts anders einem ſolchen
menſchen mangelt/ als die bloſſe empfindlichkeit/ da doch die frage ſelbs/ daß
dieſe nicht eben bey dem glauben ſeyn muͤſſe/ geſtehet. So zeugen ja die fruͤch-
ten des glaubens ohnfehlbarlich von gegenwart der wurtzel/ aus welcher die-
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5. Wo
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[388/0396] Das dritte Capitel. denen auch ſich nicht nur die fruͤchten der buß in einer hertzlichen begierde/ ſon- dern wircklichem eiffer und anfang eines ſolchen lebens/ darinnen man einig und allein GOTT in allen dingen zu gefallen trachtet/ antreffen laſſen. 3. Die auch die gnade GOttes/ ob ſie wol derſelben nicht theilhafftig zu ſeyn aͤngſtiglich ſorgen/ hochſchaͤtzen/ darinnen die ſeligkeit zu beſtehen erkennen/ und ein ſehnliches verlangen darnach tragen/ ja wann es moͤglich waͤre/ mit vergieſſung ihres bluts derſelben genuß gern erkauffen wolten (welcherley ich manche angefochtene angetroffen/ ja es vor die rechte characteres der kinder GOttes halte/ die er in dieſem probier-offen uͤbet) ſo getraue ich kecklich zu ſa- gen/ daß bey ſolchen lieben ſeelen der wahre glaube wahrhafftig ſeyn muß/ und annoch in ſolchem verlangen/ als welches unter allen uͤbrigen dingen/ die ſich bey ihnen finden/ dem glauben am nechſten kommet/ beſtehe. Der liebe Arnd fuͤhret uns dahin W. Chriſtenth. 2/ 52. Es zeucht ſich alle krafft des glaubens in einen punct und in ein unausſprechlich ſeuffzen/ darinnen noch der glaube ihnen unwiſſend verborgen iſt. Und dieſer verbor- gene glaube iſt alſo dann ſein unglaube/ und iſt ſein hoͤlle und marter: Und nachmal: Aber gleich wol laͤſſet ſich GOTT noch in dem verborge- nen unausſprechlichen ſeuffzen gleich als von ferne ſehen/ und dadurch wird der menſch erhalten. Es ſind aber ſolche unausſprechliche ſeuffzen nichts anders als ſolches bruͤnſtige verlangen. 4. Daß aber ſolches verlangen von dem glauben ausgegeben/ oder viel- mehr als ein zengnuͤß des verborgenen glaubens angezeiget wird/ geſchihet nicht ohne grund. Es ſind einmal dergleichen leute/ wie ſie n. 3. beſchrieben ſind/ wahrhafftig wiedergebohrne leute: Als die nun gantz anders geartet und geſinnet ſind/ als ſonſten menſchen von natur zu ſeyn pflegen/ und ſie etwa auch von ſich ſelbs vor dem geweſen zu ſeyn/ ſich erinnern/ welche aͤnderung zu dem guten/ und zwahr eine veraͤnderung der gantzen natur/ des menſchen und ſeiner haupt-inclination, wie ſie nicht aus der alten geburt herkommt/ viel- mehr deroſelben art entgegen iſt/ ſo muß ſie aus einer andern und neuen ge- burt nothwendig herkommen/ dieſe aber kan wiederum nicht anders als vom H. Geiſt ſeyn/ deſſen ohnzweiffelicher trieb derjenige iſt/ aus dem ſolche leute gutes thun. Wo aber der Heilige Geiſt iſt/ und einen neuen menſchen ge- macht hat/ da iſt unfehlbar bey demſelben auch der glaube/ als gleichſam die ſeele des neuen menſchen. Daher wahrhafftig nichts anders einem ſolchen menſchen mangelt/ als die bloſſe empfindlichkeit/ da doch die frage ſelbs/ daß dieſe nicht eben bey dem glauben ſeyn muͤſſe/ geſtehet. So zeugen ja die fruͤch- ten des glaubens ohnfehlbarlich von gegenwart der wurtzel/ aus welcher die- ſelbe wachſen muͤſſen. 5. Wo

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/396>, abgerufen am 22.11.2024.