Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.Das vierdte Capitel. solche gesetze ursprünglich herkommen/ durch dero dispensation auffgehobenwerden könten/ sondern ich gründe solche auff die folgende ursachen/ welche eigenlich das gewissen betreffen/ davon auch allein die frage gestellet ist. So ist nun das erste fundament meiner negativae, der göttliche allge- getru-
Das vierdte Capitel. ſolche geſetze urſpruͤnglich herkommen/ durch dero diſpenſation auffgehobenwerden koͤnten/ ſondern ich gruͤnde ſolche auff die folgende urſachen/ welche eigenlich das gewiſſen betreffen/ davon auch allein die frage geſtellet iſt. So iſt nun das erſte fundament meiner negativæ, der goͤttliche allge- getru-
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Das vierdte Capitel.
ſolche geſetze urſpruͤnglich herkommen/ durch dero diſpenſation auffgehoben
werden koͤnten/ ſondern ich gruͤnde ſolche auff die folgende urſachen/ welche
eigenlich das gewiſſen betreffen/ davon auch allein die frage geſtellet iſt.
So iſt nun das erſte fundament meiner negativæ, der goͤttliche allge-
meine befehl aus dem 3. Moſ. 18/ 6. Niemand ſolle ſich zu ſeiner nech-
ſten bluts-freundin thun/ ihꝛe ſchaam zu bloͤſſen/ dann ich bin der Herr.
Welcher zuſatz insgemein zu denjenigen geſetzen pfleget gethan zu werden/ in
dero uͤbertretungen die goͤttliche Majeſtaͤt ſich ſonderlich beleidiget achtet.
Was aber hie nechſte bluts-freundin gegeben wird/ heiſſet eigenlich in
der grund-ſprach des geſetzes niemand ſolle ſich thun zu dem fleiſch ſeines
fleiſches/ oder zu dem uͤbrigen fleiſch oder reliquiis ſeines fleiſches; und
alſo verbietet mir der Herr darinen diejenige/ welche meinem fleiſch die nech-
ſte/ folglich die ſo aus meinem fleiſch gebohꝛen ſind/ oder von dero fleiſch ich ge-
bohren bin/ oder die mit mir aus einem fleiſch gebohren ſind; welches wir ſe-
hen werden/ daß es gantz mit denen abſonderlich in dem goͤttlichen geſetz be-
namßten graden uͤberein kommen wird; daß alſo verboten ſind die obere
und untere/ ſo dann geſchwiſtere und der eltern geſchwiſtere/ welche unſers
fleiſches fleiſch ſind: Nicht aber gehet ſolcher verbot weiter auff diejenige/
welche unſers fleiſches fleiſches fleiſch ſind. Wie nun ſolches rich-
tig/ und ſo fern etwa nicht diſputiret wird in der blut-freundſchafft ſelbs/ ſo
hat es nicht weniger platz in der ſchwaͤgerſchafft/ alldieweil eheleute ein
fleiſch ſind Matth. 19/ 5. aus 1. Moſ. 2/ 24. Daher in allen rechten dieſe all-
gemeine regel/ daß mir meines weibes bluts-freunde eben in dem grad durch
ſchwaͤgerſchafft angehoͤren/ gleich wie meine eigene/ angenommen wird/ und
auff ſolchem grund feſt beruhet. Wie dann abermal die exempla der abſon-
derlichen goͤttlichen verbote erweiſen. Maſſen verboten werden in dem er-
ſten grad in auff und abſteigender linie des vaters weib/ die ſchnur/ des wei-
bes tochter und enckelin/ und in der nebens-linie des bruders weib und des
weibes ſchweſter/ ſo dann in dem zweyten grad nemlich ungleicher linie des
vettern weib: daß alſo eben dadurch erhellet/ daß die goͤttliche verbote in der
ſo blut-freundſchafft als ſchwaͤgerſchafft gantz gleichſtimmig ſind/ und in kei-
ner weder mehrere noch weniger grade verboten ſeyen: auff daß wir alſo ſe-
hen/ daß der heilige GOtt beyde arten gleich gehalten haben will. Voraus-
geſetzt dieſes gewiſſen ſatzes/ ſo iſt nicht unklahr/ was von dem gegenwaͤrti-
gen fall zu halten iſt. Jn dem bekantlich meines weibes ſchweſter meines
fleiſches fleiſch und derjenigen/ mit dero ich ein fleiſch geweſen bin/ nechſte
bluts-freundin iſt. Daß wir alſo ein unzweiffenlich goͤttliches geſetz wider
dieſe art der heyrath auffzuzeigen haben/ indem ob dieſe nahmen nicht aus-
getru-
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