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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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SECTIO VIII.
getrucket sind/ es eben gleicher krafft ist/ weil der fall aus der allgemeinen re-
gel folget/ oder darinn begriffen ist. Hinzu kommet noch ferner/ daß biß da-
her unsere Evangelische Theologi mit gutem bestand gegen die Papisten die-
se regel verfochten haben/ daß in dem göttlichen ehe-verbot 3. Mos. 18. nicht
die personen sondern die graden verboten seyen: wie nach andern (massen er
selbs die berühmte Lehrer Chemnitium, Brentium, Selneccerum, Osian-
drum,
und Bidenbachium anzeucht) solchen satz mit mehreren bißher unum-
gestossenen gründen behauptet hat der berühmte D. Gerhard. loc. de conjug.
n. 275. p. 40.
und f. Mit welchem es biß daher nicht weniger die nachgefolg-
te berühmte lehrer biß auff diese zeit gehalten haben/ und noch halten: deren
allein etliche hie anziehe/ D. Brochmand. System. T. 2. art. 43. p. 566. D. Kö-
nig Cas. Consc. p. 779. D. B. Menzerus T. 2. de Conj. p. 1092. D. Calov. Sy-
stem. art. de Conj. p. 358.
Also auch die gantze Theologische Facultät zu
Wittenberg Consil. T. 4. p. 66. Wo nun dieses richtig ist/ wie es richtig ist/
so mag so wenig dergleichen ehe mit der leiblichen schwägerin bestehen/ so we-
nig als sie mit des bruders weib bestehen mag/ so deutlich zweymal 3. Mos.
18/ 16. 20. 21.
verboten wird/ womit dieser fall in dem grad gleich ist. Son-
derlich haben wir dieses wohl zu erwegen/ daß austrücklich verboten werde
des vatern brudern weib/ welche auch nur verschwägert und einen halben
grad, so zu reden/ weiter ist. Da dann nun dieselbige/ welche noch mehr ent-
fernet ist/ gleichwol von GOtt mit ausgetruckten worten verboten/ und da-
mit als zu dem heyrathen allzunahe erklähret wird/ wie solte dann eine un-
widersprechlich nähere person erlaubt zu achten seyn? Es mag auch die ge-
ringste nur scheinbare ursach nicht erfunden werden/ warum GOtt solte we-
niger mißfallen haben in der heyrath derjenigen person/ die selbs mit mei-
ner schwester ein fleisch worden ist/ als die solches mit meinem vater gewesen
ist. Da aber der allerweiseste Gesetzgeber/ nachdem er zuerst das allgemeine
fundament seines verbots v. 6. gegeben/ auch nicht nur vermuthlich denje-
nigen fall mag ausgeschlossen haben/ welcher der haupt-regel noch näher
kommt/ da er auch denjenigen nicht zugibet/ wo noch eher hätte dubitiret
werden mögen/ ob solcher unter der regel begriffen seye/ das ist/ ob des vaters
bruders weib vor ein fleisch meines fleisches gehalten solle werden. Wor-
aus einer seelen/ welche nicht nur etwa eine ausflucht und decke ihrer unor-
denlichen begierde suchet/ sondern welche auffrichtig allein dieses verlanget/
zu verstehen/ was der gewisseste wille des himmlischen Vaters seye/ um dem-
selben willig zu gehorchen/ verhoffentlich zur genüge und überzeugung ihres
gewissens klahr werden wird/ daß der HErr solche ehe verboten habe. Nun
möchte zwahr solcher erklährung und ausspruch entgegen stehen/ daß 3. Mos.

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SECTIO VIII.
getrucket ſind/ es eben gleicher krafft iſt/ weil der fall aus der allgemeinen re-
gel folget/ oder darinn begriffen iſt. Hinzu kommet noch ferner/ daß biß da-
her unſere Evangeliſche Theologi mit gutem beſtand gegen die Papiſten die-
ſe regel verfochten haben/ daß in dem goͤttlichen ehe-verbot 3. Moſ. 18. nicht
die perſonen ſondern die graden verboten ſeyen: wie nach andern (maſſen er
ſelbs die beruͤhmte Lehrer Chemnitium, Brentium, Selneccerum, Oſian-
drum,
und Bidenbachium anzeucht) ſolchen ſatz mit mehreren bißher unum-
geſtoſſenen gruͤnden behauptet hat der beruͤhmte D. Gerhard. loc. de conjug.
n. 275. p. 40.
und f. Mit welchem es biß daher nicht weniger die nachgefolg-
te beruͤhmte lehrer biß auff dieſe zeit gehalten haben/ und noch halten: deren
allein etliche hie anziehe/ D. Brochmand. Syſtem. T. 2. art. 43. p. 566. D. Kö-
nig Caſ. Conſc. p. 779. D. B. Menzerus T. 2. de Conj. p. 1092. D. Calov. Sy-
ſtem. art. de Conj. p. 358.
Alſo auch die gantze Theologiſche Facultaͤt zu
Wittenberg Conſil. T. 4. p. 66. Wo nun dieſes richtig iſt/ wie es richtig iſt/
ſo mag ſo wenig dergleichen ehe mit der leiblichen ſchwaͤgerin beſtehen/ ſo we-
nig als ſie mit des bruders weib beſtehen mag/ ſo deutlich zweymal 3. Moſ.
18/ 16. 20. 21.
verboten wird/ womit dieſer fall in dem grad gleich iſt. Son-
derlich haben wir dieſes wohl zu erwegen/ daß austruͤcklich verboten werde
des vatern brudern weib/ welche auch nur verſchwaͤgert und einen halben
grad, ſo zu reden/ weiter iſt. Da dann nun dieſelbige/ welche noch mehr ent-
fernet iſt/ gleichwol von GOtt mit ausgetruckten worten verboten/ und da-
mit als zu dem heyrathen allzunahe erklaͤhret wird/ wie ſolte dann eine un-
widerſprechlich naͤhere perſon erlaubt zu achten ſeyn? Es mag auch die ge-
ringſte nur ſcheinbare urſach nicht erfunden werden/ warum GOtt ſolte we-
niger mißfallen haben in der heyrath derjenigen perſon/ die ſelbs mit mei-
ner ſchweſter ein fleiſch worden iſt/ als die ſolches mit meinem vater geweſen
iſt. Da aber der allerweiſeſte Geſetzgeber/ nachdem er zuerſt das allgemeine
fundament ſeines verbots v. 6. gegeben/ auch nicht nur vermuthlich denje-
nigen fall mag ausgeſchloſſen haben/ welcher der haupt-regel noch naͤher
kommt/ da er auch denjenigen nicht zugibet/ wo noch eher haͤtte dubitiret
werden moͤgen/ ob ſolcher unter der regel begriffen ſeye/ das iſt/ ob des vaters
bruders weib vor ein fleiſch meines fleiſches gehalten ſolle werden. Wor-
aus einer ſeelen/ welche nicht nur etwa eine ausflucht und decke ihrer unor-
denlichen begierde ſuchet/ ſondern welche auffrichtig allein dieſes verlanget/
zu verſtehen/ was der gewiſſeſte wille des himmliſchen Vaters ſeye/ um dem-
ſelben willig zu gehorchen/ verhoffentlich zur genuͤge und uͤberzeugung ihres
gewiſſens klahr werden wird/ daß der HErr ſolche ehe verboten habe. Nun
moͤchte zwahr ſolcher erklaͤhrung und ausſpruch entgegen ſtehen/ daß 3. Moſ.

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[539/0547] SECTIO VIII. getrucket ſind/ es eben gleicher krafft iſt/ weil der fall aus der allgemeinen re- gel folget/ oder darinn begriffen iſt. Hinzu kommet noch ferner/ daß biß da- her unſere Evangeliſche Theologi mit gutem beſtand gegen die Papiſten die- ſe regel verfochten haben/ daß in dem goͤttlichen ehe-verbot 3. Moſ. 18. nicht die perſonen ſondern die graden verboten ſeyen: wie nach andern (maſſen er ſelbs die beruͤhmte Lehrer Chemnitium, Brentium, Selneccerum, Oſian- drum, und Bidenbachium anzeucht) ſolchen ſatz mit mehreren bißher unum- geſtoſſenen gruͤnden behauptet hat der beruͤhmte D. Gerhard. loc. de conjug. n. 275. p. 40. und f. Mit welchem es biß daher nicht weniger die nachgefolg- te beruͤhmte lehrer biß auff dieſe zeit gehalten haben/ und noch halten: deren allein etliche hie anziehe/ D. Brochmand. Syſtem. T. 2. art. 43. p. 566. D. Kö- nig Caſ. Conſc. p. 779. D. B. Menzerus T. 2. de Conj. p. 1092. D. Calov. Sy- ſtem. art. de Conj. p. 358. Alſo auch die gantze Theologiſche Facultaͤt zu Wittenberg Conſil. T. 4. p. 66. Wo nun dieſes richtig iſt/ wie es richtig iſt/ ſo mag ſo wenig dergleichen ehe mit der leiblichen ſchwaͤgerin beſtehen/ ſo we- nig als ſie mit des bruders weib beſtehen mag/ ſo deutlich zweymal 3. Moſ. 18/ 16. 20. 21. verboten wird/ womit dieſer fall in dem grad gleich iſt. Son- derlich haben wir dieſes wohl zu erwegen/ daß austruͤcklich verboten werde des vatern brudern weib/ welche auch nur verſchwaͤgert und einen halben grad, ſo zu reden/ weiter iſt. Da dann nun dieſelbige/ welche noch mehr ent- fernet iſt/ gleichwol von GOtt mit ausgetruckten worten verboten/ und da- mit als zu dem heyrathen allzunahe erklaͤhret wird/ wie ſolte dann eine un- widerſprechlich naͤhere perſon erlaubt zu achten ſeyn? Es mag auch die ge- ringſte nur ſcheinbare urſach nicht erfunden werden/ warum GOtt ſolte we- niger mißfallen haben in der heyrath derjenigen perſon/ die ſelbs mit mei- ner ſchweſter ein fleiſch worden iſt/ als die ſolches mit meinem vater geweſen iſt. Da aber der allerweiſeſte Geſetzgeber/ nachdem er zuerſt das allgemeine fundament ſeines verbots v. 6. gegeben/ auch nicht nur vermuthlich denje- nigen fall mag ausgeſchloſſen haben/ welcher der haupt-regel noch naͤher kommt/ da er auch denjenigen nicht zugibet/ wo noch eher haͤtte dubitiret werden moͤgen/ ob ſolcher unter der regel begriffen ſeye/ das iſt/ ob des vaters bruders weib vor ein fleiſch meines fleiſches gehalten ſolle werden. Wor- aus einer ſeelen/ welche nicht nur etwa eine ausflucht und decke ihrer unor- denlichen begierde ſuchet/ ſondern welche auffrichtig allein dieſes verlanget/ zu verſtehen/ was der gewiſſeſte wille des himmliſchen Vaters ſeye/ um dem- ſelben willig zu gehorchen/ verhoffentlich zur genuͤge und uͤberzeugung ihres gewiſſens klahr werden wird/ daß der HErr ſolche ehe verboten habe. Nun moͤchte zwahr ſolcher erklaͤhrung und ausſpruch entgegen ſtehen/ daß 3. Moſ. 18/ 18. Y y y 2

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 539. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/547>, abgerufen am 22.11.2024.