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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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SECTIO XV.
den könte. Zu geschweigen daß er/ wo er eine person gefangen zu haben ver-
meinet/ auch nicht so viel wochen ausgeblieben/ sondern lieber aufs bäldeste
wiedergekommen seyn würde/ die sache fester zu verknüpffen; hingegen wird
von keiner fernern erscheinung in der specie facti gedacht.

2. Ob ein Pfarr solche schwehre sache subsigillo confessionis anhö-
ren und behalten habe können?

HJerauf antworte mit ja. 1. Hat der Pfarr aus ihren reden/ als etwa
von mir geschihet/ vermuthen oder doch besorgen können/ daß eine me-
lancholie
mit unter lauffen möchte. 2. Befinde ich keine erhebliche ursache/
die ihm das sigillum confessionis zuerbrechen/ die erlaubnüß gegeben hätte.
Es war nicht frage von einer sünde/ welche sie begehen wolte/ und vorhätte:
welcherley beichten nicht zu hinterhalten sind/ sondern der Pfarrer schuldig
ist/ solches zu offenbahren und die sünde zu hindern: Sondern von einer sün-
de/ welche sie begangen habe/ auch noch niemand kund war; so dann besser
daß sie niemand kund würde. Daher der pfarrer/ woer seinem amt ein gnü-
gen thun wollen/ erstlich zwahr gnug von ihr zu sondiren gehabt/ so oben er-
innert/ ob einbildung oder boßheit mit unterlauffe: Da er aber gefunden/
daß sichs so verhielte/ wie sie sagte/ 2. ihr remonstriren sollen/ wie die priora
sponsalia
allerdings wichtig und vor GOtt gültig/ daher sie durch keine an-
dere davon sich hätte selbs loß wircken können. 3. Jhr ihre leichtfertigkeit
beweglich zu gemüthe führen/ daß sie ihrer aussage nach einem solchen unbe-
kanten menschen so bald glauben habe beymessen können (wider die regel
Sirachs. 19/ 16. Glaube nicht alles was du hörest/ denn man leugt
gerne auff die leute und v. 4. Wer bald glaubet der ist leichtfertig/ und
thut ihm/ wenn er sich so verführen lässet/ selbs schaden
) sonderlich wi-
der denjenigen/ den sie vor andern nunmehr als ihren bräutigam lieben/ und
deswegen so vielweniger etwas wider ihn glauben sollen. So vielmehr
noch/ daß sie nicht nur glauben beygelegt/ sondern um einer solchen
liederlichen ursach/ nemlich einer unerwiesenen calumnie willen/ gleich
treuloß an ihrem bräutigam werden wollen/ daß sie dem andern versprochen/
mit hindansetzung der eltern willens und aller göttlicher ordnung; ja daß sie
auch mit sich hertzen und betasten lassen/ alle vorige leichtfertigkeit vermeh-
ret/ und GOttes gnade allein seye/ daß er nicht zu gelassen/ daß sie nicht et-
wa noch weiter und tieffer gefallen. 4. Wo ihr nun solche ihre sünde recht-
schaffen vorgehalten/ und derer erkäntnüß bey ihr zu wege gebracht worden/
hat er sollen ihr ihre schuldigkeit zeigen/ die da erfordere/ daß sie ihrem bräu-
tigam die versprechung treu halte/ und sich der copulation nicht entziehe/ um
so vielmehr/ so viel schwehrlicher sie sich an ihrem bräutigam versündiget ha-

be.
F f f f

SECTIO XV.
den koͤnte. Zu geſchweigen daß er/ wo er eine perſon gefangen zu haben ver-
meinet/ auch nicht ſo viel wochen ausgeblieben/ ſondern lieber aufs baͤldeſte
wiedergekommen ſeyn wuͤrde/ die ſache feſter zu verknuͤpffen; hingegen wird
von keiner fernern erſcheinung in der ſpecie facti gedacht.

2. Ob ein Pfarr ſolche ſchwehre ſache ſubſigillo confeſſionis anhoͤ-
ren und behalten habe koͤnnen?

HJerauf antworte mit ja. 1. Hat der Pfarr aus ihren reden/ als etwa
von mir geſchihet/ vermuthen oder doch beſorgen koͤnnen/ daß eine me-
lancholie
mit unter lauffen moͤchte. 2. Befinde ich keine erhebliche urſache/
die ihm das ſigillum confeſſionis zuerbrechen/ die erlaubnuͤß gegeben haͤtte.
Es war nicht frage von einer ſuͤnde/ welche ſie begehen wolte/ und vorhaͤtte:
welcherley beichten nicht zu hinterhalten ſind/ ſondern der Pfarrer ſchuldig
iſt/ ſolches zu offenbahren und die ſuͤnde zu hindern: Sondern von einer ſuͤn-
de/ welche ſie begangen habe/ auch noch niemand kund war; ſo dann beſſer
daß ſie niemand kund wuͤrde. Daher der pfarrer/ woer ſeinem amt ein gnuͤ-
gen thun wollen/ erſtlich zwahr gnug von ihr zu ſondiren gehabt/ ſo oben er-
innert/ ob einbildung oder boßheit mit unterlauffe: Da er aber gefunden/
daß ſichs ſo verhielte/ wie ſie ſagte/ 2. ihr remonſtriren ſollen/ wie die priora
ſponſalia
allerdings wichtig und vor GOtt guͤltig/ daher ſie durch keine an-
dere davon ſich haͤtte ſelbs loß wircken koͤnnen. 3. Jhr ihre leichtfertigkeit
beweglich zu gemuͤthe fuͤhren/ daß ſie ihrer auſſage nach einem ſolchen unbe-
kanten menſchen ſo bald glauben habe beymeſſen koͤnnen (wider die regel
Sirachs. 19/ 16. Glaube nicht alles was du hoͤreſt/ denn man leugt
gerne auff die leute und v. 4. Wer bald glaubet der iſt leichtfertig/ und
thut ihm/ wenn er ſich ſo verfuͤhren laͤſſet/ ſelbs ſchaden
) ſonderlich wi-
der denjenigen/ den ſie vor andern nunmehr als ihren braͤutigam lieben/ und
deswegen ſo vielweniger etwas wider ihn glauben ſollen. So vielmehr
noch/ daß ſie nicht nur glauben beygelegt/ ſondern um einer ſolchen
liederlichen urſach/ nemlich einer unerwieſenen calumnie willen/ gleich
treuloß an ihrem braͤutigam werden wollen/ daß ſie dem andern verſprochen/
mit hindanſetzung der eltern willens und aller goͤttlicher ordnung; ja daß ſie
auch mit ſich hertzen und betaſten laſſen/ alle vorige leichtfertigkeit vermeh-
ret/ und GOttes gnade allein ſeye/ daß er nicht zu gelaſſen/ daß ſie nicht et-
wa noch weiter und tieffer gefallen. 4. Wo ihr nun ſolche ihre ſuͤnde recht-
ſchaffen vorgehalten/ und derer erkaͤntnuͤß bey ihr zu wege gebracht worden/
hat er ſollen ihr ihre ſchuldigkeit zeigen/ die da erfordere/ daß ſie ihrem braͤu-
tigam die verſprechung treu halte/ und ſich der copulation nicht entziehe/ um
ſo vielmehr/ ſo viel ſchwehrlicher ſie ſich an ihrem braͤutigam verſuͤndiget ha-

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[593/0601] SECTIO XV. den koͤnte. Zu geſchweigen daß er/ wo er eine perſon gefangen zu haben ver- meinet/ auch nicht ſo viel wochen ausgeblieben/ ſondern lieber aufs baͤldeſte wiedergekommen ſeyn wuͤrde/ die ſache feſter zu verknuͤpffen; hingegen wird von keiner fernern erſcheinung in der ſpecie facti gedacht. 2. Ob ein Pfarr ſolche ſchwehre ſache ſubſigillo confeſſionis anhoͤ- ren und behalten habe koͤnnen? HJerauf antworte mit ja. 1. Hat der Pfarr aus ihren reden/ als etwa von mir geſchihet/ vermuthen oder doch beſorgen koͤnnen/ daß eine me- lancholie mit unter lauffen moͤchte. 2. Befinde ich keine erhebliche urſache/ die ihm das ſigillum confeſſionis zuerbrechen/ die erlaubnuͤß gegeben haͤtte. Es war nicht frage von einer ſuͤnde/ welche ſie begehen wolte/ und vorhaͤtte: welcherley beichten nicht zu hinterhalten ſind/ ſondern der Pfarrer ſchuldig iſt/ ſolches zu offenbahren und die ſuͤnde zu hindern: Sondern von einer ſuͤn- de/ welche ſie begangen habe/ auch noch niemand kund war; ſo dann beſſer daß ſie niemand kund wuͤrde. Daher der pfarrer/ woer ſeinem amt ein gnuͤ- gen thun wollen/ erſtlich zwahr gnug von ihr zu ſondiren gehabt/ ſo oben er- innert/ ob einbildung oder boßheit mit unterlauffe: Da er aber gefunden/ daß ſichs ſo verhielte/ wie ſie ſagte/ 2. ihr remonſtriren ſollen/ wie die priora ſponſalia allerdings wichtig und vor GOtt guͤltig/ daher ſie durch keine an- dere davon ſich haͤtte ſelbs loß wircken koͤnnen. 3. Jhr ihre leichtfertigkeit beweglich zu gemuͤthe fuͤhren/ daß ſie ihrer auſſage nach einem ſolchen unbe- kanten menſchen ſo bald glauben habe beymeſſen koͤnnen (wider die regel Sirachs. 19/ 16. Glaube nicht alles was du hoͤreſt/ denn man leugt gerne auff die leute und v. 4. Wer bald glaubet der iſt leichtfertig/ und thut ihm/ wenn er ſich ſo verfuͤhren laͤſſet/ ſelbs ſchaden) ſonderlich wi- der denjenigen/ den ſie vor andern nunmehr als ihren braͤutigam lieben/ und deswegen ſo vielweniger etwas wider ihn glauben ſollen. So vielmehr noch/ daß ſie nicht nur glauben beygelegt/ ſondern um einer ſolchen liederlichen urſach/ nemlich einer unerwieſenen calumnie willen/ gleich treuloß an ihrem braͤutigam werden wollen/ daß ſie dem andern verſprochen/ mit hindanſetzung der eltern willens und aller goͤttlicher ordnung; ja daß ſie auch mit ſich hertzen und betaſten laſſen/ alle vorige leichtfertigkeit vermeh- ret/ und GOttes gnade allein ſeye/ daß er nicht zu gelaſſen/ daß ſie nicht et- wa noch weiter und tieffer gefallen. 4. Wo ihr nun ſolche ihre ſuͤnde recht- ſchaffen vorgehalten/ und derer erkaͤntnuͤß bey ihr zu wege gebracht worden/ hat er ſollen ihr ihre ſchuldigkeit zeigen/ die da erfordere/ daß ſie ihrem braͤu- tigam die verſprechung treu halte/ und ſich der copulation nicht entziehe/ um ſo vielmehr/ ſo viel ſchwehrlicher ſie ſich an ihrem braͤutigam verſuͤndiget ha- be. F f f f

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 593. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/601>, abgerufen am 26.11.2024.