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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das fünffte Capitel.
schuldigen danckbarkeit seyn/ weil der GOtt des trostes denselben in seinem schweh-
ren creutz/ so ich auch vor dem mit inniglichem mitleiden verstanden/ mit seinem
kräfftigen trost dennoch erhalten/ aufgerichtet und gestärcket hat/ daß er desto wil-
liger auch der betrübten sich annehme/ und ihnen mit dem trost/ damit ihn GOtt
getröstet/ und er dessen vornehmste krafft in dem schwehrsten leiden und ängsten
gefühlet hat/ hinwiederum zu statten komme. Wie dann die auch einfältigste trost-
zusprüche/ so aus den hertzen kommen/ welche aus eigener erfahrung reden/ wol
gemeiniglich am tieffsten durchtringen und ihre krafft erzeigen. 1682.

SECTIO XXI.
Christlicher rath über eine vom teuffel schwehr an-
gefochtene weibs-person.

DEn übersandten casum einer unbekanten und jetzo eine zeither in schweh-
ren anfechtungen ligender weibs-person habe sowol mit hertzlichem mit-
leiden verstanden/ als vergnüglich daraus des getreuen himmlischen
Vaters über sie kräfftig waltende gnade erkennet. Jch halte sie in al-
lem diesem vor ihren und aller unser augen elendesten zustand/ vor eine person/ an
dero die göttliche güte bißhero ein grosses gethan/ auch noch grosses zu thun vor-
hat/ und wo sie sich in die rechte ordnung schicken will/ ohn zweiffentlich viele zeug-
nüssen grosser gnade erweisen wird. Jch will aber meine einfältige gedancken in
gewisse numeros abfassen.

1. Halte ich sie nicht vor besessen/ wie sie von sich besorget/ indeme die kenn-
zeichen der leiblichen besitzung/ ja auch einiger vernünfftiger schein derselbigen/ sich
an ihr nicht finden. Dann die fühlende angst und zittern an dem leib bringet sol-
chen argwohn nicht mit sich/ sondern mag gar wol eine natürliche würckung der
traurigkeit und daraus entstehender hertzens-bangigkeit seyn.
2. Weil mir ihr voriges leben nicht bekant/ so kan daher nichts vermuthen/ so
viel ich aber vernehme/ daß verdruß bey ihr gewesen/ bey einem seltzamen mann
zu leben/ so habe solchen vor den ursprung dieses übels zu achten: nicht nur weil
solcher verdruß und betrübnüß den melancholischen affect bey ihr verursacht
oder vermehret: sondern auch weil sie darinnen GOtt dem HErrn mag ursach
gegeben haben/ da derselbe ihre gedult durch einen widerlichen ehegatten zu üben/
dergleichen ihr begegnen hatte lassen/ und diese sich aber wider solchen rath ge-
streubet/ auffs wenigste nicht mit geziemender willigkeit solchen creutz-brecher aus
seiner hand angenommen/ noch ihm dafür gedancket/ ihr neben demselben einen
noch andern viel herbern und beschwehrlichern einzuschencken/ und damit das-
jenige

Das fuͤnffte Capitel.
ſchuldigen danckbarkeit ſeyn/ weil der GOtt des troſtes denſelben in ſeinem ſchweh-
ren creutz/ ſo ich auch vor dem mit inniglichem mitleiden verſtanden/ mit ſeinem
kraͤfftigen troſt dennoch erhalten/ aufgerichtet und geſtaͤrcket hat/ daß er deſto wil-
liger auch der betruͤbten ſich annehme/ und ihnen mit dem troſt/ damit ihn GOtt
getroͤſtet/ und er deſſen vornehmſte krafft in dem ſchwehrſten leiden und aͤngſten
gefuͤhlet hat/ hinwiederum zu ſtatten komme. Wie dann die auch einfaͤltigſte troſt-
zuſpruͤche/ ſo aus den hertzen kommen/ welche aus eigener erfahrung reden/ wol
gemeiniglich am tieffſten durchtringen und ihre krafft erzeigen. 1682.

SECTIO XXI.
Chriſtlicher rath uͤber eine vom teuffel ſchwehr an-
gefochtene weibs-perſon.

DEn uͤberſandten caſum einer unbekanten und jetzo eine zeither in ſchweh-
ren anfechtungen ligender weibs-perſon habe ſowol mit hertzlichem mit-
leiden verſtanden/ als vergnuͤglich daraus des getreuen himmliſchen
Vaters uͤber ſie kraͤfftig waltende gnade erkennet. Jch halte ſie in al-
lem dieſem vor ihren und aller unſer augen elendeſten zuſtand/ vor eine perſon/ an
dero die goͤttliche guͤte bißhero ein groſſes gethan/ auch noch groſſes zu thun vor-
hat/ und wo ſie ſich in die rechte ordnung ſchicken will/ ohn zweiffentlich viele zeug-
nuͤſſen groſſer gnade erweiſen wird. Jch will aber meine einfaͤltige gedancken in
gewiſſe numeros abfaſſen.

1. Halte ich ſie nicht vor beſeſſen/ wie ſie von ſich beſorget/ indeme die kenn-
zeichen der leiblichen beſitzung/ ja auch einiger vernuͤnfftiger ſchein derſelbigen/ ſich
an ihr nicht finden. Dann die fuͤhlende angſt und zittern an dem leib bringet ſol-
chen argwohn nicht mit ſich/ ſondern mag gar wol eine natuͤrliche wuͤrckung der
traurigkeit und daraus entſtehender hertzens-bangigkeit ſeyn.
2. Weil mir ihr voriges leben nicht bekant/ ſo kan daher nichts vermuthen/ ſo
viel ich aber vernehme/ daß verdruß bey ihr geweſen/ bey einem ſeltzamen mann
zu leben/ ſo habe ſolchen vor den urſprung dieſes uͤbels zu achten: nicht nur weil
ſolcher verdruß und betruͤbnuͤß den melancholiſchen affect bey ihr verurſacht
oder vermehret: ſondern auch weil ſie darinnen GOtt dem HErrn mag urſach
gegeben haben/ da derſelbe ihre gedult durch einen widerlichen ehegatten zu uͤben/
dergleichen ihr begegnen hatte laſſen/ und dieſe ſich aber wider ſolchen rath ge-
ſtreubet/ auffs wenigſte nicht mit geziemender willigkeit ſolchen creutz-brecher aus
ſeiner hand angenommen/ noch ihm dafuͤr gedancket/ ihr neben demſelben einen
noch andern viel herbern und beſchwehrlichern einzuſchencken/ und damit das-
jenige
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[780/0788] Das fuͤnffte Capitel. ſchuldigen danckbarkeit ſeyn/ weil der GOtt des troſtes denſelben in ſeinem ſchweh- ren creutz/ ſo ich auch vor dem mit inniglichem mitleiden verſtanden/ mit ſeinem kraͤfftigen troſt dennoch erhalten/ aufgerichtet und geſtaͤrcket hat/ daß er deſto wil- liger auch der betruͤbten ſich annehme/ und ihnen mit dem troſt/ damit ihn GOtt getroͤſtet/ und er deſſen vornehmſte krafft in dem ſchwehrſten leiden und aͤngſten gefuͤhlet hat/ hinwiederum zu ſtatten komme. Wie dann die auch einfaͤltigſte troſt- zuſpruͤche/ ſo aus den hertzen kommen/ welche aus eigener erfahrung reden/ wol gemeiniglich am tieffſten durchtringen und ihre krafft erzeigen. 1682. SECTIO XXI. Chriſtlicher rath uͤber eine vom teuffel ſchwehr an- gefochtene weibs-perſon. DEn uͤberſandten caſum einer unbekanten und jetzo eine zeither in ſchweh- ren anfechtungen ligender weibs-perſon habe ſowol mit hertzlichem mit- leiden verſtanden/ als vergnuͤglich daraus des getreuen himmliſchen Vaters uͤber ſie kraͤfftig waltende gnade erkennet. Jch halte ſie in al- lem dieſem vor ihren und aller unſer augen elendeſten zuſtand/ vor eine perſon/ an dero die goͤttliche guͤte bißhero ein groſſes gethan/ auch noch groſſes zu thun vor- hat/ und wo ſie ſich in die rechte ordnung ſchicken will/ ohn zweiffentlich viele zeug- nuͤſſen groſſer gnade erweiſen wird. Jch will aber meine einfaͤltige gedancken in gewiſſe numeros abfaſſen. 1. Halte ich ſie nicht vor beſeſſen/ wie ſie von ſich beſorget/ indeme die kenn- zeichen der leiblichen beſitzung/ ja auch einiger vernuͤnfftiger ſchein derſelbigen/ ſich an ihr nicht finden. Dann die fuͤhlende angſt und zittern an dem leib bringet ſol- chen argwohn nicht mit ſich/ ſondern mag gar wol eine natuͤrliche wuͤrckung der traurigkeit und daraus entſtehender hertzens-bangigkeit ſeyn. 2. Weil mir ihr voriges leben nicht bekant/ ſo kan daher nichts vermuthen/ ſo viel ich aber vernehme/ daß verdruß bey ihr geweſen/ bey einem ſeltzamen mann zu leben/ ſo habe ſolchen vor den urſprung dieſes uͤbels zu achten: nicht nur weil ſolcher verdruß und betruͤbnuͤß den melancholiſchen affect bey ihr verurſacht oder vermehret: ſondern auch weil ſie darinnen GOtt dem HErrn mag urſach gegeben haben/ da derſelbe ihre gedult durch einen widerlichen ehegatten zu uͤben/ dergleichen ihr begegnen hatte laſſen/ und dieſe ſich aber wider ſolchen rath ge- ſtreubet/ auffs wenigſte nicht mit geziemender willigkeit ſolchen creutz-brecher aus ſeiner hand angenommen/ noch ihm dafuͤr gedancket/ ihr neben demſelben einen noch andern viel herbern und beſchwehrlichern einzuſchencken/ und damit das- jenige

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 780. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/788>, abgerufen am 22.11.2024.