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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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ARTIC. II. SECTIO XXXVI.
be weit übertrifft. So kan also eine solche anhaltende schmertzliche unpäß-
lichkeit unserm alten menschen nicht anders als unträglich vorkommen; schei-
net auch/ er habe scheinbare ursach/ sich derselben zu beschwehren/ wo man si-
het/ daß man dadurch gehindert und gleichsam umüchtig wird/ unserer mei-
nung und gedancken nach GOTT zu dienen. Ja es ist unmöglich/ daß wir
anders davor halten können/ als lang wir nicht blosser dings die augen
schliessen/ und nur auff GOttes rath und willen sehende wahrhafftig glau-
ben/ GOtt werde niemalen von uns besser gedienet/ als auf die art und wei-
se/ nicht welche wir nach eigener weißheit uns erwehlen/ sondern wie er uns
berufft/ es seye zuthun oder zuleiden. Also sind es worte/ die wie ich mich
versichere/ daß sie von hertzen gehen/ also aus der würckung des heiligen Gei-
stes herkommen müssen: Da heisset uns leidlich/ was uns sonsten unträglich
schiene/ weil wir die göttliche krafft spühren/ welche uns in dem gegenwärti-
gen das leyden übertragen hilfft/ und auf das künfftige die göttliche verheis-
sungvor augen haben/ die uns versichert/ daß uns nichts zuschwehr wer-
den solle. Da heisset uns heilwertig/ worinnen der natürliche mensch
nichts als unheil schaden und hindernüß des vorgehabten guten zu erkennen
meinet. Da heissets ein creutzlein/ welches sonsten die empfindlichkeit
des fleisches uns nicht groß genug zumachen weiß. Und erinnerten mich solche
wort der gleichförmigen beurtheilung des in dem creutz wohlgeübten Pauli:
Unsere trübsaal (da er doch von den schwehrsten redet/ welche mög en gefun-
den werden) die zeitlich und leicht ist/ schaffet eine ewige und über alle
maaß wichtige herrlichkeit/ uns die wir nicht sehen auff das sichtbare/
sondern auff das unsichtbare. Denn was sichtbar ist/ das ist zeit-
lich/ was aber unsichtbar ist das ist ewig. 2. Cor. 4/ 17. 18.

Also ist mir dieses ein liebes und angenehmes zeugnüß/ daß der HErr so viel
durch solches creutz und dessen erfahrung bereits in meinem werthen freunde
gewircket/ daß er gelernet/ von allen dingen nicht zu urtheilen nach der em-
pfindlichkeit der natur/ sondern nach der wahrheit des geistes. Welches
wahrhafftig viel ein herrlicher gut ist/ als alle vergnügung/ welche der mensch
von seiner leiblichen gesundheit/ und was dieselbige dem menschen nutzen kan/
fchöpffen möchte. Wie nun die göttliche würckung seinen verstand erleuch-
tet hat/ in dem creutz dasjenige zu erkennen/ was das natürliche liecht daselbs
nicht entdecket/ also sehe ich auch/ daß das liebe gemüth und wille dadurch
nicht weniger kräfftig gerühret seye/ da er seinem himmlischen Vater für sol-
che heimsuchung hertzlich dancket/ und damit allerdings zufrieden ist. Wo ich
nun diese unterwerffung des willens unter den göttlichen oder diese kindliche
gelassenheit bey einer seelen finde/ so preise ich sie billich vor so vielen andern/

auch
R r r r r

ARTIC. II. SECTIO XXXVI.
be weit uͤbertrifft. So kan alſo eine ſolche anhaltende ſchmertzliche unpaͤß-
lichkeit unſerm alten menſchen nicht anders als untraͤglich vorkommen; ſchei-
net auch/ er habe ſcheinbare urſach/ ſich derſelben zu beſchwehren/ wo man ſi-
het/ daß man dadurch gehindert und gleichſam umuͤchtig wird/ unſerer mei-
nung und gedancken nach GOTT zu dienen. Ja es iſt unmoͤglich/ daß wir
anders davor halten koͤnnen/ als lang wir nicht bloſſer dings die augen
ſchlieſſen/ und nur auff GOttes rath und willen ſehende wahrhafftig glau-
ben/ GOtt werde niemalen von uns beſſer gedienet/ als auf die art und wei-
ſe/ nicht welche wir nach eigener weißheit uns erwehlen/ ſondern wie er uns
berufft/ es ſeye zuthun oder zuleiden. Alſo ſind es worte/ die wie ich mich
verſichere/ daß ſie von hertzen gehen/ alſo aus der wuͤrckung des heiligen Gei-
ſtes herkommen muͤſſen: Da heiſſet uns leidlich/ was uns ſonſten untraͤglich
ſchiene/ weil wir die goͤttliche krafft ſpuͤhren/ welche uns in dem gegenwaͤrti-
gen das leyden uͤbertragen hilfft/ und auf das kuͤnfftige die goͤttliche verheiſ-
ſungvor augen haben/ die uns verſichert/ daß uns nichts zuſchwehr wer-
den ſolle. Da heiſſet uns heilwertig/ worinnen der natuͤrliche menſch
nichts als unheil ſchaden und hindernuͤß des vorgehabten guten zu erkennen
meinet. Da heiſſets ein creutzlein/ welches ſonſten die empfindlichkeit
des fleiſches uns nicht groß genug zumachen weiß. Und erinnerten mich ſolche
wort der gleichfoͤrmigen beurtheilung des in dem creutz wohlgeuͤbten Pauli:
Unſere truͤbſaal (da er doch von den ſchwehrſten redet/ welche moͤg en gefun-
den werden) die zeitlich und leicht iſt/ ſchaffet eine ewige und uͤber alle
maaß wichtige herrlichkeit/ uns die wir nicht ſehen auff das ſichtbare/
ſondern auff das unſichtbare. Denn was ſichtbar iſt/ das iſt zeit-
lich/ was aber unſichtbar iſt das iſt ewig. 2. Cor. 4/ 17. 18.

Alſo iſt mir dieſes ein liebes und angenehmes zeugnuͤß/ daß der HErr ſo viel
durch ſolches creutz und deſſen erfahrung bereits in meinem werthen freunde
gewircket/ daß er gelernet/ von allen dingen nicht zu urtheilen nach der em-
pfindlichkeit der natur/ ſondern nach der wahrheit des geiſtes. Welches
wahrhafftig viel ein herrlicher gut iſt/ als alle vergnuͤgung/ welche der menſch
von ſeiner leiblichen geſundheit/ und was dieſelbige dem menſchen nutzen kan/
fchoͤpffen moͤchte. Wie nun die goͤttliche wuͤrckung ſeinen verſtand erleuch-
tet hat/ in dem creutz dasjenige zu erkennen/ was das natuͤrliche liecht daſelbs
nicht entdecket/ alſo ſehe ich auch/ daß das liebe gemuͤth und wille dadurch
nicht weniger kraͤfftig geruͤhret ſeye/ da er ſeinem himmliſchen Vater fuͤr ſol-
che heimſuchung hertzlich dancket/ und damit allerdings zufrieden iſt. Wo ich
nun dieſe unterwerffung des willens unter den goͤttlichen oder dieſe kindliche
gelaſſenheit bey einer ſeelen finde/ ſo preiſe ich ſie billich vor ſo vielen andern/

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[865/0873] ARTIC. II. SECTIO XXXVI. be weit uͤbertrifft. So kan alſo eine ſolche anhaltende ſchmertzliche unpaͤß- lichkeit unſerm alten menſchen nicht anders als untraͤglich vorkommen; ſchei- net auch/ er habe ſcheinbare urſach/ ſich derſelben zu beſchwehren/ wo man ſi- het/ daß man dadurch gehindert und gleichſam umuͤchtig wird/ unſerer mei- nung und gedancken nach GOTT zu dienen. Ja es iſt unmoͤglich/ daß wir anders davor halten koͤnnen/ als lang wir nicht bloſſer dings die augen ſchlieſſen/ und nur auff GOttes rath und willen ſehende wahrhafftig glau- ben/ GOtt werde niemalen von uns beſſer gedienet/ als auf die art und wei- ſe/ nicht welche wir nach eigener weißheit uns erwehlen/ ſondern wie er uns berufft/ es ſeye zuthun oder zuleiden. Alſo ſind es worte/ die wie ich mich verſichere/ daß ſie von hertzen gehen/ alſo aus der wuͤrckung des heiligen Gei- ſtes herkommen muͤſſen: Da heiſſet uns leidlich/ was uns ſonſten untraͤglich ſchiene/ weil wir die goͤttliche krafft ſpuͤhren/ welche uns in dem gegenwaͤrti- gen das leyden uͤbertragen hilfft/ und auf das kuͤnfftige die goͤttliche verheiſ- ſungvor augen haben/ die uns verſichert/ daß uns nichts zuſchwehr wer- den ſolle. Da heiſſet uns heilwertig/ worinnen der natuͤrliche menſch nichts als unheil ſchaden und hindernuͤß des vorgehabten guten zu erkennen meinet. Da heiſſets ein creutzlein/ welches ſonſten die empfindlichkeit des fleiſches uns nicht groß genug zumachen weiß. Und erinnerten mich ſolche wort der gleichfoͤrmigen beurtheilung des in dem creutz wohlgeuͤbten Pauli: Unſere truͤbſaal (da er doch von den ſchwehrſten redet/ welche moͤg en gefun- den werden) die zeitlich und leicht iſt/ ſchaffet eine ewige und uͤber alle maaß wichtige herrlichkeit/ uns die wir nicht ſehen auff das ſichtbare/ ſondern auff das unſichtbare. Denn was ſichtbar iſt/ das iſt zeit- lich/ was aber unſichtbar iſt das iſt ewig. 2. Cor. 4/ 17. 18. Alſo iſt mir dieſes ein liebes und angenehmes zeugnuͤß/ daß der HErr ſo viel durch ſolches creutz und deſſen erfahrung bereits in meinem werthen freunde gewircket/ daß er gelernet/ von allen dingen nicht zu urtheilen nach der em- pfindlichkeit der natur/ ſondern nach der wahrheit des geiſtes. Welches wahrhafftig viel ein herrlicher gut iſt/ als alle vergnuͤgung/ welche der menſch von ſeiner leiblichen geſundheit/ und was dieſelbige dem menſchen nutzen kan/ fchoͤpffen moͤchte. Wie nun die goͤttliche wuͤrckung ſeinen verſtand erleuch- tet hat/ in dem creutz dasjenige zu erkennen/ was das natuͤrliche liecht daſelbs nicht entdecket/ alſo ſehe ich auch/ daß das liebe gemuͤth und wille dadurch nicht weniger kraͤfftig geruͤhret ſeye/ da er ſeinem himmliſchen Vater fuͤr ſol- che heimſuchung hertzlich dancket/ und damit allerdings zufrieden iſt. Wo ich nun dieſe unterwerffung des willens unter den goͤttlichen oder dieſe kindliche gelaſſenheit bey einer ſeelen finde/ ſo preiſe ich ſie billich vor ſo vielen andern/ auch R r r r r

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 865. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/873>, abgerufen am 23.11.2024.