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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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ARTIC. I. DIST. II. SECT. XI.
will ich nicht leugnen/ oder göttlicher macht einige schrancken setzen: Daß auch
schlechter dings Gott solches nicht wolle/ habe ich keine versicherung aus gnugsam
klahren orten der Schrifft/ als der ich bekenne/ daß die etwa deswegen führende lo-
ca
mir kein völlig genüge geben. Wo sich also jemand solte hervorthun/ welcher sich
einer solchen unmittelbahren erleuchtung berühmte/ wolte ich nicht ex hoc prin-
cipio
so bald widersprechen/ daß allerdings alle unmittelbahre erleuchtung auff-
gehöret/ aber ich bin nicht in abrede/ daß mir allezeit die sache mehr suspect als
glaubwürdig vorkäme/ alldieweil ich in der Schrifft nicht sehe dahin gewiesen zu
werden; Daher achte ich/ daß einem solchen höchstens oblige/ solchen seinen göttli-
chen beruff auff die art darzu thun/ daß eine GOttfürchtende seele/ welche bereit ist
alle göttliche wahrheit an zunehmen/ von dero sie gnugsam versicherung hat/ den-
selben erkennen und in ihrem gewissen sich der sache überzeuget finden könne. Wie
dann der gütigste Vater mit uns also handlet/ daß eine auff ihn lauterlich sehende
seele seinen willen gnugsam erkennen kan. Sonderlich würde von einem solchem
erfordert/ und er darnach geprüffet müssen werden/ ob er einiges wider das ohn-
fehlbahre geschriebene göttliche wort lehrete/ oder auch ausser demselben derglei-
chen vorgebe/ was darinnen nicht gegründet wäre. Jndem auch der unmittel-
bahre erleuchtete Paulus/ bey seinem so unfehlbahren beruff dannoch nicht nur den
Berrhoensern gestattet/ seine predigten aus der Schrifft zu prüffen/ sondern sich
mit grosser freudigkeit darauff beruffet/ daß er nichts gelehret ausser dem/ was Mo-
ses und die Propheten gesagt haben. Apost. Gesch. 26. Wo also einer käme/ wel-
cher in seiner lehr schlechter dings mit der heiligen Schrifft übereinkäme/ und nur
aus der Schrifft zeigte einige erfüllung derjenigen dinge/ so von unserer zeit möch-
ten geweissaget seyn worden/ zeigte sie auch also/ daß man der wahrheit derselben
erfüllung so versichert seyn könte/ als Paulus diejenige erwiese/ so wüste ich einen
solchen nicht zu widersprechen/ sondern würde mit demuth auch das göttliche wort
aus seinem munde annehmen. Ohne dergleichen gewisse und unbetrügliche zeug-
nüßen einer unmittelbahren sendung aber würde ich mich nicht unternehmen/ einem/
der sich deroselben anmassen wolte/ beyfall zu geben. Und zwar solches alles ge-
schiehet nicht darum/ welches mir mein gewissen zeugnüß vor GOTT gibet/ ob
suchte ich die autorität der ordenlichen beruffenen diener und Theologorum,
und darinnen meine eigene/ fest zusetzen/ vor dieselbe zu sorgen/ und uns das mono-
polium
in der kirchen zu zuschreiben/ welches sinnes nicht zu seyn ich mich hißher ver-
hoffentlich in unterschiedlichem gezeiget habe: Daher ich auch nicht mich der wahr-
heit entziehen würde/ wo ein anderer weltlichen standes (wie man aus mißbrauch
zu reden pfleget) und solte es von profession ein bauer seyn/ ohne sich eines unmittel-
bahren beruffs oder offenbahrung rühmende/ aus der heiligen Schrifft deutlich und
zu vergnüglicher überzeugung der gewissen darthun würde/ wo wir Theologi biß-
her alle geirret hätten: als der ich durch GOttes gnade gelernet habe zu gedencken/

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ARTIC. I. DIST. II. SECT. XI.
will ich nicht leugnen/ oder goͤttlicher macht einige ſchrancken ſetzen: Daß auch
ſchlechter dings Gott ſolches nicht wolle/ habe ich keine verſicherung aus gnugſam
klahren orten der Schrifft/ als der ich bekenne/ daß die etwa deswegen fuͤhrende lo-
ca
mir kein voͤllig genuͤge geben. Wo ſich alſo jemand ſolte hervorthun/ welcher ſich
einer ſolchen unmittelbahren erleuchtung beruͤhmte/ wolte ich nicht ex hoc prin-
cipio
ſo bald widerſprechen/ daß allerdings alle unmittelbahre erleuchtung auff-
gehoͤret/ aber ich bin nicht in abrede/ daß mir allezeit die ſache mehr ſuſpect als
glaubwuͤrdig vorkaͤme/ alldieweil ich in der Schrifft nicht ſehe dahin gewieſen zu
werden; Daher achte ich/ daß einem ſolchen hoͤchſtens oblige/ ſolchen ſeinen goͤttli-
chen beruff auff die art darzu thun/ daß eine GOttfuͤrchtende ſeele/ welche bereit iſt
alle goͤttliche wahrheit an zunehmen/ von dero ſie gnugſam verſicherung hat/ den-
ſelben erkennen und in ihrem gewiſſen ſich der ſache uͤberzeuget finden koͤnne. Wie
dann der guͤtigſte Vater mit uns alſo handlet/ daß eine auff ihn lauterlich ſehende
ſeele ſeinen willen gnugſam erkennen kan. Sonderlich wuͤrde von einem ſolchem
erfordert/ und er darnach gepruͤffet muͤſſen werden/ ob er einiges wider das ohn-
fehlbahre geſchriebene goͤttliche wort lehrete/ oder auch auſſer demſelben derglei-
chen vorgebe/ was darinnen nicht gegruͤndet waͤre. Jndem auch der unmittel-
bahre erleuchtete Paulus/ bey ſeinem ſo unfehlbahren beruff dannoch nicht nur den
Berrhoenſern geſtattet/ ſeine predigten aus der Schrifft zu pruͤffen/ ſondern ſich
mit groſſer freudigkeit darauff beruffet/ daß er nichts gelehret auſſer dem/ was Mo-
ſes und die Propheten geſagt haben. Apoſt. Geſch. 26. Wo alſo einer kaͤme/ wel-
cher in ſeiner lehr ſchlechter dings mit der heiligen Schrifft uͤbereinkaͤme/ und nur
aus der Schrifft zeigte einige erfuͤllung derjenigen dinge/ ſo von unſerer zeit moͤch-
ten geweiſſaget ſeyn worden/ zeigte ſie auch alſo/ daß man der wahrheit derſelben
erfuͤllung ſo verſichert ſeyn koͤnte/ als Paulus diejenige erwieſe/ ſo wuͤſte ich einen
ſolchen nicht zu widerſprechen/ ſondern wuͤrde mit demuth auch das goͤttliche wort
aus ſeinem munde annehmen. Ohne dergleichen gewiſſe und unbetruͤgliche zeug-
nuͤßen einer unmittelbahren ſendung aber wuͤrde ich mich nicht unternehmen/ einem/
der ſich deroſelben anmaſſen wolte/ beyfall zu geben. Und zwar ſolches alles ge-
ſchiehet nicht darum/ welches mir mein gewiſſen zeugnuͤß vor GOTT gibet/ ob
ſuchte ich die autoritaͤt der ordenlichen beruffenen diener und Theologorum,
und darinnen meine eigene/ feſt zuſetzen/ vor dieſelbe zu ſorgen/ und uns das mono-
polium
in der kirchen zu zuſchreiben/ welches ſiñes nicht zu ſeyn ich mich hißher ver-
hoffentlich in unterſchiedlichem gezeiget habe: Daher ich auch nicht mich der wahr-
heit entziehen wuͤrde/ wo ein anderer weltlichen ſtandes (wie man aus mißbrauch
zu reden pfleget) und ſolte es von profeſſion ein bauer ſeyn/ ohne ſich eines unmittel-
bahren beruffs oder offenbahrung ruͤhmende/ aus der heiligen Schrifft deutlich und
zu vergnuͤglicher uͤberzeugung der gewiſſen darthun wuͤrde/ wo wir Theologi biß-
her alle geirret haͤtten: als der ich durch GOttes gnade gelernet habe zu gedencken/

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[185/0203] ARTIC. I. DIST. II. SECT. XI. will ich nicht leugnen/ oder goͤttlicher macht einige ſchrancken ſetzen: Daß auch ſchlechter dings Gott ſolches nicht wolle/ habe ich keine verſicherung aus gnugſam klahren orten der Schrifft/ als der ich bekenne/ daß die etwa deswegen fuͤhrende lo- ca mir kein voͤllig genuͤge geben. Wo ſich alſo jemand ſolte hervorthun/ welcher ſich einer ſolchen unmittelbahren erleuchtung beruͤhmte/ wolte ich nicht ex hoc prin- cipio ſo bald widerſprechen/ daß allerdings alle unmittelbahre erleuchtung auff- gehoͤret/ aber ich bin nicht in abrede/ daß mir allezeit die ſache mehr ſuſpect als glaubwuͤrdig vorkaͤme/ alldieweil ich in der Schrifft nicht ſehe dahin gewieſen zu werden; Daher achte ich/ daß einem ſolchen hoͤchſtens oblige/ ſolchen ſeinen goͤttli- chen beruff auff die art darzu thun/ daß eine GOttfuͤrchtende ſeele/ welche bereit iſt alle goͤttliche wahrheit an zunehmen/ von dero ſie gnugſam verſicherung hat/ den- ſelben erkennen und in ihrem gewiſſen ſich der ſache uͤberzeuget finden koͤnne. Wie dann der guͤtigſte Vater mit uns alſo handlet/ daß eine auff ihn lauterlich ſehende ſeele ſeinen willen gnugſam erkennen kan. Sonderlich wuͤrde von einem ſolchem erfordert/ und er darnach gepruͤffet muͤſſen werden/ ob er einiges wider das ohn- fehlbahre geſchriebene goͤttliche wort lehrete/ oder auch auſſer demſelben derglei- chen vorgebe/ was darinnen nicht gegruͤndet waͤre. Jndem auch der unmittel- bahre erleuchtete Paulus/ bey ſeinem ſo unfehlbahren beruff dannoch nicht nur den Berrhoenſern geſtattet/ ſeine predigten aus der Schrifft zu pruͤffen/ ſondern ſich mit groſſer freudigkeit darauff beruffet/ daß er nichts gelehret auſſer dem/ was Mo- ſes und die Propheten geſagt haben. Apoſt. Geſch. 26. Wo alſo einer kaͤme/ wel- cher in ſeiner lehr ſchlechter dings mit der heiligen Schrifft uͤbereinkaͤme/ und nur aus der Schrifft zeigte einige erfuͤllung derjenigen dinge/ ſo von unſerer zeit moͤch- ten geweiſſaget ſeyn worden/ zeigte ſie auch alſo/ daß man der wahrheit derſelben erfuͤllung ſo verſichert ſeyn koͤnte/ als Paulus diejenige erwieſe/ ſo wuͤſte ich einen ſolchen nicht zu widerſprechen/ ſondern wuͤrde mit demuth auch das goͤttliche wort aus ſeinem munde annehmen. Ohne dergleichen gewiſſe und unbetruͤgliche zeug- nuͤßen einer unmittelbahren ſendung aber wuͤrde ich mich nicht unternehmen/ einem/ der ſich deroſelben anmaſſen wolte/ beyfall zu geben. Und zwar ſolches alles ge- ſchiehet nicht darum/ welches mir mein gewiſſen zeugnuͤß vor GOTT gibet/ ob ſuchte ich die autoritaͤt der ordenlichen beruffenen diener und Theologorum, und darinnen meine eigene/ feſt zuſetzen/ vor dieſelbe zu ſorgen/ und uns das mono- polium in der kirchen zu zuſchreiben/ welches ſiñes nicht zu ſeyn ich mich hißher ver- hoffentlich in unterſchiedlichem gezeiget habe: Daher ich auch nicht mich der wahr- heit entziehen wuͤrde/ wo ein anderer weltlichen ſtandes (wie man aus mißbrauch zu reden pfleget) und ſolte es von profeſſion ein bauer ſeyn/ ohne ſich eines unmittel- bahren beruffs oder offenbahrung ruͤhmende/ aus der heiligen Schrifft deutlich und zu vergnuͤglicher uͤberzeugung der gewiſſen darthun wuͤrde/ wo wir Theologi biß- her alle geirret haͤtten: als der ich durch GOttes gnade gelernet habe zu gedencken/ non Aa

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/203>, abgerufen am 21.11.2024.