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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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buß/ und wo ich gelegenheit finde. Weilen dann durch den glauben solche wie-
dergebeburt geschiehet/ so trachte nach der gnade/ die mir GOTT giebet/ die lehre
alle dahin einzurichten/ damit ein rechter lebendiger glaube durch das wort des le-
bens/ recht vorgetragen/ gewürcket werde/ als wo mit der gantze mensch wird zu
einen andern menschen werden/ und wo er rechtschaffen erkant/ die unaussprech-
liche liebe seines GOttes gegen sich/ die theure güter/ die er empfangen und noch
zu erwarten habe/ die vortrefflichkeit und süßigkeit des rechtschaffenen wesens in
CHRJSTO/ kans nicht wohl fehlen/ daß die liebe der welt und anders/ so den
übrigen göttlichen würckungen gemeiniglich in dem weg zu stehen pfleget/ muß ab-
sterben. Und damit ist ein rechter grund tieff geleget zu einen rechtschaffenen
Christenthum/ daß alsdann alles leben eusserlich aus der innern göttlichen glaubens
krafft gehe: Jn dem der mensch nicht mehr wircket aus zwang und noth/ sondern
aus liebe zu seinem GOTT und Heyland/ so sein gantzes hertz geändert hat. Was
das zweyte anlangt wegen Babel/ so werden wir vielleicht nicht so weit von einan-
der seyn/ wo wir einander recht verstehen; Wo ich sage/ daß wir und unsere kir-
che nicht mit zu Babel gehöre/ so rede ich davon/ wie in der Offenbahrung Johan-
nis das wort gebraucht wird/ wo ich nicht sehe/ wie wir einige gemeinde unter sol-
chen nahmen ziehen mögen/ welche dem ohne zweiffel daselbsten verstandenen Rom
entgegen und in offentlicher feindschafft dawider ist. Will man aber das wort
Babel beylegen allem dem/ was nicht in rechter ordnung sondern in einiger verwir-
rung nach der deutung des nahmens ist/ so dörfften wir wohl etwas von solchem
nahmen mit bekommen/ in dem ich nicht leugnen kan/ daß auch nicht wenig verwir-
rung sich bey uns befinde. Es stehet aber dahin/ und gebe ich es Gottseligen her-
tzen zu fernerem bedencken/ ob wir wohl thun/ wo wir wollen ausser der Schrifft und
des heiligen Geistes sprach dergleichen wort nach eigenen gutdüncken extendiren.
Was den nahmen Antichrist anlanget/ hat es damit eine andre bewandnüß/ dann
ob wir wohl denselben mit sonderbahren vorzug auch pflegen den Papst zu geben/
so stehet doch 1. Joh. 2. austrücklich/ daß der Antichristen viel seyen/ und habe ich
also die freyheit/ das wort in der weitläufftigkeit zu brauchen/ wie der heilige Geist
selbs thut. Weswegen ich wohl gelten lasse/ daß in solchem verstand wir auch in
unserer kirchen Antichristen antreffen werden/ als welche sich der ehre und werck
CHristi entgegen setzen. Daher sich auch ziemlich offenbahr hervor thun/ daß
man sehen könne/ wer sie seyen. Jch lasse auch wohl gelten/ daß nicht nur der
grosse Antichrist zu Rom/ sondern viele andere kleine Antichristen aus GOttes ver-
hängnüß gegen die heilige biß zu seiner zeit viel macht haben und üben werden: Dar-
auff man sich zu schicken hat. Jch gehe zu dem tritten und letzten/ wo der unge-
nandte freund davor hält/ ich sehe mit dem grossen hauffen mehr auff die titul/ als
auff die krafft des geistes CHRJSTJ. Hoffe aber/ wo mich der liebe mann
besser kennen wird/ wird etwas von dieser meinung bey ihm fallen. Dann ich ha-

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buß/ und wo ich gelegenheit finde. Weilen dann durch den glauben ſolche wie-
dergebeburt geſchiehet/ ſo trachte nach der gnade/ die mir GOTT giebet/ die lehre
alle dahin einzurichten/ damit ein rechter lebendiger glaube durch das wort des le-
bens/ recht vorgetragen/ gewuͤrcket werde/ als wo mit der gantze menſch wird zu
einen andern menſchen werden/ und wo er rechtſchaffen erkant/ die unausſprech-
liche liebe ſeines GOttes gegen ſich/ die theure guͤter/ die er empfangen und noch
zu erwarten habe/ die vortrefflichkeit und ſuͤßigkeit des rechtſchaffenen weſens in
CHRJSTO/ kans nicht wohl fehlen/ daß die liebe der welt und anders/ ſo den
uͤbrigen goͤttlichen wuͤrckungen gemeiniglich in dem weg zu ſtehen pfleget/ muß ab-
ſterben. Und damit iſt ein rechter grund tieff geleget zu einen rechtſchaffenen
Chriſtenthum/ daß alsdann alles leben euſſerlich aus der innern goͤttlichen glaubens
krafft gehe: Jn dem der menſch nicht mehr wircket aus zwang und noth/ ſondern
aus liebe zu ſeinem GOTT und Heyland/ ſo ſein gantzes hertz geaͤndert hat. Was
das zweyte anlangt wegen Babel/ ſo werden wir vielleicht nicht ſo weit von einan-
der ſeyn/ wo wir einander recht verſtehen; Wo ich ſage/ daß wir und unſere kir-
che nicht mit zu Babel gehoͤre/ ſo rede ich davon/ wie in der Offenbahrung Johan-
nis das wort gebraucht wird/ wo ich nicht ſehe/ wie wir einige gemeinde unter ſol-
chen nahmen ziehen moͤgen/ welche dem ohne zweiffel daſelbſten verſtandenen Rom
entgegen und in offentlicher feindſchafft dawider iſt. Will man aber das wort
Babel beylegen allem dem/ was nicht in rechter ordnung ſondern in einiger verwir-
rung nach der deutung des nahmens iſt/ ſo doͤrfften wir wohl etwas von ſolchem
nahmen mit bekommen/ in dem ich nicht leugnen kan/ daß auch nicht wenig verwir-
rung ſich bey uns befinde. Es ſtehet aber dahin/ und gebe ich es Gottſeligen her-
tzen zu fernerem bedencken/ ob wir wohl thun/ wo wir wollen auſſer der Schrifft und
des heiligen Geiſtes ſprach dergleichen wort nach eigenen gutduͤncken extendiren.
Was den nahmen Antichriſt anlanget/ hat es damit eine andre bewandnuͤß/ dañ
ob wir wohl denſelben mit ſonderbahren vorzug auch pflegen den Papſt zu geben/
ſo ſtehet doch 1. Joh. 2. austruͤcklich/ daß der Antichriſten viel ſeyen/ und habe ich
alſo die freyheit/ das wort in der weitlaͤufftigkeit zu brauchen/ wie der heilige Geiſt
ſelbs thut. Weswegen ich wohl gelten laſſe/ daß in ſolchem verſtand wir auch in
unſerer kirchen Antichriſten antreffen werden/ als welche ſich der ehre und werck
CHriſti entgegen ſetzen. Daher ſich auch ziemlich offenbahr hervor thun/ daß
man ſehen koͤnne/ wer ſie ſeyen. Jch laſſe auch wohl gelten/ daß nicht nur der
groſſe Antichriſt zu Rom/ ſondern viele andere kleine Antichriſten aus GOttes ver-
haͤngnuͤß gegen die heilige biß zu ſeiner zeit viel macht haben und uͤben werdẽ: Dar-
auff man ſich zu ſchicken hat. Jch gehe zu dem tritten und letzten/ wo der unge-
nandte freund davor haͤlt/ ich ſehe mit dem groſſen hauffen mehr auff die titul/ als
auff die krafft des geiſtes CHRJSTJ. Hoffe aber/ wo mich der liebe mann
beſſer kennen wird/ wird etwas von dieſer meinung bey ihm fallen. Dann ich ha-

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[187/0205] ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO XI. buß/ und wo ich gelegenheit finde. Weilen dann durch den glauben ſolche wie- dergebeburt geſchiehet/ ſo trachte nach der gnade/ die mir GOTT giebet/ die lehre alle dahin einzurichten/ damit ein rechter lebendiger glaube durch das wort des le- bens/ recht vorgetragen/ gewuͤrcket werde/ als wo mit der gantze menſch wird zu einen andern menſchen werden/ und wo er rechtſchaffen erkant/ die unausſprech- liche liebe ſeines GOttes gegen ſich/ die theure guͤter/ die er empfangen und noch zu erwarten habe/ die vortrefflichkeit und ſuͤßigkeit des rechtſchaffenen weſens in CHRJSTO/ kans nicht wohl fehlen/ daß die liebe der welt und anders/ ſo den uͤbrigen goͤttlichen wuͤrckungen gemeiniglich in dem weg zu ſtehen pfleget/ muß ab- ſterben. Und damit iſt ein rechter grund tieff geleget zu einen rechtſchaffenen Chriſtenthum/ daß alsdann alles leben euſſerlich aus der innern goͤttlichen glaubens krafft gehe: Jn dem der menſch nicht mehr wircket aus zwang und noth/ ſondern aus liebe zu ſeinem GOTT und Heyland/ ſo ſein gantzes hertz geaͤndert hat. Was das zweyte anlangt wegen Babel/ ſo werden wir vielleicht nicht ſo weit von einan- der ſeyn/ wo wir einander recht verſtehen; Wo ich ſage/ daß wir und unſere kir- che nicht mit zu Babel gehoͤre/ ſo rede ich davon/ wie in der Offenbahrung Johan- nis das wort gebraucht wird/ wo ich nicht ſehe/ wie wir einige gemeinde unter ſol- chen nahmen ziehen moͤgen/ welche dem ohne zweiffel daſelbſten verſtandenen Rom entgegen und in offentlicher feindſchafft dawider iſt. Will man aber das wort Babel beylegen allem dem/ was nicht in rechter ordnung ſondern in einiger verwir- rung nach der deutung des nahmens iſt/ ſo doͤrfften wir wohl etwas von ſolchem nahmen mit bekommen/ in dem ich nicht leugnen kan/ daß auch nicht wenig verwir- rung ſich bey uns befinde. Es ſtehet aber dahin/ und gebe ich es Gottſeligen her- tzen zu fernerem bedencken/ ob wir wohl thun/ wo wir wollen auſſer der Schrifft und des heiligen Geiſtes ſprach dergleichen wort nach eigenen gutduͤncken extendiren. Was den nahmen Antichriſt anlanget/ hat es damit eine andre bewandnuͤß/ dañ ob wir wohl denſelben mit ſonderbahren vorzug auch pflegen den Papſt zu geben/ ſo ſtehet doch 1. Joh. 2. austruͤcklich/ daß der Antichriſten viel ſeyen/ und habe ich alſo die freyheit/ das wort in der weitlaͤufftigkeit zu brauchen/ wie der heilige Geiſt ſelbs thut. Weswegen ich wohl gelten laſſe/ daß in ſolchem verſtand wir auch in unſerer kirchen Antichriſten antreffen werden/ als welche ſich der ehre und werck CHriſti entgegen ſetzen. Daher ſich auch ziemlich offenbahr hervor thun/ daß man ſehen koͤnne/ wer ſie ſeyen. Jch laſſe auch wohl gelten/ daß nicht nur der groſſe Antichriſt zu Rom/ ſondern viele andere kleine Antichriſten aus GOttes ver- haͤngnuͤß gegen die heilige biß zu ſeiner zeit viel macht haben und uͤben werdẽ: Dar- auff man ſich zu ſchicken hat. Jch gehe zu dem tritten und letzten/ wo der unge- nandte freund davor haͤlt/ ich ſehe mit dem groſſen hauffen mehr auff die titul/ als auff die krafft des geiſtes CHRJSTJ. Hoffe aber/ wo mich der liebe mann beſſer kennen wird/ wird etwas von dieſer meinung bey ihm fallen. Dann ich ha- be Aa 2

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/205>, abgerufen am 21.11.2024.