Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.Das sechste Capitel. Lutheri schrifften auch noch frembd waren/ so viel absonderliche erkäntniß da-von nicht gehabt. Es begab sich aber daß in dem Conventu alhier/ da ich mein ampt angetreten/ mir aufgetragen wurde/ nebens noch 2 Collegis, einem stu- dioso zuzusprechen/ wegen meine predigt/ welche er gehalten/ und man einige bedencken darüber gehabt/ daher seine erklärung über einige dinge nötig erachtet. Es kam aber incidenter auch vor/ daß jemand aus den Collegis meldete/ er ginge auch mit einigen büchern umb/ die nicht richtig sondern verdächtig wä- ren/ und wurde also des Statii schatzkammer gedacht. Als ich nun nach haben- der meiner commission mit ihm geredet/ so fügte auch dieses letztere bey/ daß ich von dergleichen gehöret; zwar weder Authorem noch buch kennete/ daher auch davon nicht selbst urtheilen könte/ als daß davon von den Hhr. Collegis ge- höret/ daß einiger verdacht darein gesetzt würde/ jedoch ohne benennung/ worin ein solches bestünde. Er entschuldigte sich/ hätte nichts anders als göttlichem wort und der orthodoxiae gemäß darinnen angetroffen/ bote mir das büch- lein zulesen selbst an/ wo ihn einiges ungleiches gezeigt würde/ wolte er sich gern vorsehen. Jch hatte aber damahl die zeit nicht es zulesen. Nach sol- chen brachte mir einer meiner Hhr. Collegarum dasselbige und zeigte mir an/ daß er in einigen etwas anstoß finde. Darüber ich solche loca laß/ aber alsobalden des authoris christliche meinung erkante/ und damit gelegenheit und trieb bekam/ das gantze Tractätlein mit fleiß zu lesen so auch mit grossem ver- gnügen von mir geschehen ist. Also daß ich nicht leugne/ solche heilige und treff- liche lehre/ dero grund ohne das durch göttliche gnad gehabt/ daraus so viel klärer eingesehen zu haben so mich niemahl reuen wird; Jch bin auch damit in Lutheri schrifften weiter eingewiesen worden/ die ich mir folgendes so viel emsi- ger zu lesen habe angelegen seyn lassen. Jch fande doch/ wie ich solches nicht leugne/ einige ort/ welche ich einiger gütiger erklärung nötig zu haben erkante/ sonderlich einen/ der es vor andern bedurffte. Habe auch nicht bedenckens ge- habt (noch habe es jetzo.) das büchlein einigen frommen seelen/ die aufgemun- dert und aus der schwermuth zu einer glaubens freudigkeit aufgerichtet zu wer- den bedörffen/ zu recommendiren. Jch hatte aber verlangen/ Steph. Praetorii eigene bücher/ aus dem ich Statii arbeit extrahiret zu sein sahe/ selbst zu lesen/ die ich endlich auch bekommen/ damit ich de sensu Statii aus dem brunnen selbst/ so viel besser urtheilen könte. Als ich solche schrifften erlangt/ habe so viel mühe angewandt/ weil die edition anders war/ als des Statii allegirte/ daß alle ort in dem Praetorio/ nachgesucht/ und dero anfang und ende in meinem exem- plar gezeichnet/ damit ich sehen möchte/ was Statius irgent ausgelassen. Diese Collation hat mir gewiesen wie einmahl der liebe Statius mit grosser fürsichtig- keit seine excerpta gemacht/ und einige dinge/ die anstößig sein/ weg gelassen/ hingegen dasjenige gesetzt/ daran ein Christlicher leser nicht ursach hat sich zu- stos-
Das ſechſte Capitel. Lutheri ſchrifften auch noch frembd waren/ ſo viel abſonderliche erkaͤntniß da-von nicht gehabt. Es begab ſich aber daß in dem Conventu alhier/ da ich mein ampt angetreten/ mir aufgetragen wurde/ nebens noch 2 Collegis, einem ſtu- dioſo zuzuſprechen/ wegen meine predigt/ welche er gehalten/ und man einige bedencken daruͤber gehabt/ daher ſeine erklaͤrung uͤber einige dinge noͤtig erachtet. Es kam aber incidenter auch vor/ daß jemand aus den Collegis meldete/ er ginge auch mit einigen buͤchern umb/ die nicht richtig ſondern verdaͤchtig waͤ- ren/ und wurde alſo des Statii ſchatzkammer gedacht. Als ich nun nach haben- der meiner commiſſion mit ihm geredet/ ſo fuͤgte auch dieſes letztere bey/ daß ich von dergleichen gehoͤret; zwar weder Authorem noch buch kennete/ daher auch davon nicht ſelbſt urtheilen koͤnte/ als daß davon von den Hhr. Collegis ge- hoͤret/ daß einiger verdacht darein geſetzt wuͤrde/ jedoch ohne benennung/ worin ein ſolches beſtuͤnde. Er entſchuldigte ſich/ haͤtte nichts anders als goͤttlichem wort und der orthodoxiæ gemaͤß darinnen angetroffen/ bote mir das buͤch- lein zuleſen ſelbſt an/ wo ihn einiges ungleiches gezeigt wuͤrde/ wolte er ſich gern vorſehen. Jch hatte aber damahl die zeit nicht es zuleſen. Nach ſol- chen brachte mir einer meiner Hhr. Collegarum daſſelbige und zeigte mir an/ daß er in einigen etwas anſtoß finde. Daruͤber ich ſolche loca laß/ aber alſobalden des authoris chriſtliche meinung erkante/ und damit gelegenheit und trieb bekam/ das gantze Tractaͤtlein mit fleiß zu leſen ſo auch mit groſſem ver- gnuͤgen von mir geſchehen iſt. Alſo daß ich nicht leugne/ ſolche heilige und treff- liche lehre/ dero grund ohne das durch goͤttliche gnad gehabt/ daraus ſo viel klaͤrer eingeſehen zu haben ſo mich niemahl reuen wird; Jch bin auch damit in Lutheri ſchrifften weiter eingewieſen worden/ die ich mir folgendes ſo viel emſi- ger zu leſen habe angelegen ſeyn laſſen. Jch fande doch/ wie ich ſolches nicht leugne/ einige ort/ welche ich einiger guͤtiger erklaͤrung noͤtig zu haben erkante/ ſonderlich einen/ der es vor andern bedurffte. Habe auch nicht bedenckens ge- habt (noch habe es jetzo.) das buͤchlein einigen frommen ſeelen/ die aufgemun- dert und aus der ſchwermuth zu einer glaubens freudigkeit aufgerichtet zu wer- den bedoͤrffen/ zu recommendiren. Jch hatte aber verlangen/ Steph. Prætorii eigene buͤcher/ aus dem ich Statii arbeit extrahiret zu ſein ſahe/ ſelbſt zu leſen/ die ich endlich auch bekommen/ damit ich de ſenſu Statii aus dem brunnen ſelbſt/ ſo viel beſſer urtheilen koͤnte. Als ich ſolche ſchrifften erlangt/ habe ſo viel muͤhe angewandt/ weil die edition anders war/ als des Statii allegirte/ daß alle ort in dem Prætorio/ nachgeſucht/ und dero anfang und ende in meinem exem- plar gezeichnet/ damit ich ſehen moͤchte/ was Statius irgent ausgelaſſen. Dieſe Collation hat mir gewieſen wie einmahl der liebe Statius mit groſſer fuͤrſichtig- keit ſeine excerpta gemacht/ und einige dinge/ die anſtoͤßig ſein/ weg gelaſſen/ hingegen dasjenige geſetzt/ daran ein Chriſtlicher leſer nicht urſach hat ſich zu- ſtoſ-
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Das ſechſte Capitel.
Lutheri ſchrifften auch noch frembd waren/ ſo viel abſonderliche erkaͤntniß da-
von nicht gehabt. Es begab ſich aber daß in dem Conventu alhier/ da ich mein
ampt angetreten/ mir aufgetragen wurde/ nebens noch 2 Collegis, einem ſtu-
dioſo zuzuſprechen/ wegen meine predigt/ welche er gehalten/ und man einige
bedencken daruͤber gehabt/ daher ſeine erklaͤrung uͤber einige dinge noͤtig erachtet.
Es kam aber incidenter auch vor/ daß jemand aus den Collegis meldete/ er
ginge auch mit einigen buͤchern umb/ die nicht richtig ſondern verdaͤchtig waͤ-
ren/ und wurde alſo des Statii ſchatzkammer gedacht. Als ich nun nach haben-
der meiner commiſſion mit ihm geredet/ ſo fuͤgte auch dieſes letztere bey/ daß
ich von dergleichen gehoͤret; zwar weder Authorem noch buch kennete/ daher
auch davon nicht ſelbſt urtheilen koͤnte/ als daß davon von den Hhr. Collegis ge-
hoͤret/ daß einiger verdacht darein geſetzt wuͤrde/ jedoch ohne benennung/ worin
ein ſolches beſtuͤnde. Er entſchuldigte ſich/ haͤtte nichts anders als goͤttlichem
wort und der orthodoxiæ gemaͤß darinnen angetroffen/ bote mir das buͤch-
lein zuleſen ſelbſt an/ wo ihn einiges ungleiches gezeigt wuͤrde/ wolte er ſich
gern vorſehen. Jch hatte aber damahl die zeit nicht es zuleſen. Nach ſol-
chen brachte mir einer meiner Hhr. Collegarum daſſelbige und zeigte mir an/
daß er in einigen etwas anſtoß finde. Daruͤber ich ſolche loca laß/ aber
alſobalden des authoris chriſtliche meinung erkante/ und damit gelegenheit und
trieb bekam/ das gantze Tractaͤtlein mit fleiß zu leſen ſo auch mit groſſem ver-
gnuͤgen von mir geſchehen iſt. Alſo daß ich nicht leugne/ ſolche heilige und treff-
liche lehre/ dero grund ohne das durch goͤttliche gnad gehabt/ daraus ſo viel
klaͤrer eingeſehen zu haben ſo mich niemahl reuen wird; Jch bin auch damit in
Lutheri ſchrifften weiter eingewieſen worden/ die ich mir folgendes ſo viel emſi-
ger zu leſen habe angelegen ſeyn laſſen. Jch fande doch/ wie ich ſolches nicht
leugne/ einige ort/ welche ich einiger guͤtiger erklaͤrung noͤtig zu haben erkante/
ſonderlich einen/ der es vor andern bedurffte. Habe auch nicht bedenckens ge-
habt (noch habe es jetzo.) das buͤchlein einigen frommen ſeelen/ die aufgemun-
dert und aus der ſchwermuth zu einer glaubens freudigkeit aufgerichtet zu wer-
den bedoͤrffen/ zu recommendiren. Jch hatte aber verlangen/ Steph. Prætorii
eigene buͤcher/ aus dem ich Statii arbeit extrahiret zu ſein ſahe/ ſelbſt zu leſen/
die ich endlich auch bekommen/ damit ich de ſenſu Statii aus dem brunnen
ſelbſt/ ſo viel beſſer urtheilen koͤnte. Als ich ſolche ſchrifften erlangt/ habe ſo
viel muͤhe angewandt/ weil die edition anders war/ als des Statii allegirte/ daß
alle ort in dem Prætorio/ nachgeſucht/ und dero anfang und ende in meinem exem-
plar gezeichnet/ damit ich ſehen moͤchte/ was Statius irgent ausgelaſſen. Dieſe
Collation hat mir gewieſen wie einmahl der liebe Statius mit groſſer fuͤrſichtig-
keit ſeine excerpta gemacht/ und einige dinge/ die anſtoͤßig ſein/ weg gelaſſen/
hingegen dasjenige geſetzt/ daran ein Chriſtlicher leſer nicht urſach hat ſich zu-
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Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/358>, abgerufen am 26.06.2024. |