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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO XXXVIII.
HERR verbinde unser hertzen immer mehr und mehr in solcher hertzlichem brü-
derlichen liebe unter einander/ lasse auch die jenige/ welche gleich gesinnet sind in
CHRJSTO JESU/ von allen orten je mehr und mehr einander offenbahr
und bekant werden/ welches ein vortreffliches mittel seyn wird solcher gnauen ver-
knüpffung: So lasse er uns rechtschaffen seyn und werden in der liebe dadurch so
viel mehrere mögen befördert werden/ zu wachsen in allen stücken an dem/ der das
haupt ist/ CHRJSTUS. Wir haben so vielmehr ursach zu solcher verbin-
dung/ als mehr wir sehen/ daß in der welt/ die dero liebe und eitelkeit ergeben sind
sich alles fleisses mit losen stricken unrecht zu thun und mit wagenseilen zu sündigen
zu sammen koppelen/ damit sie so viel stärcker werden/ das böse auszuführen/ oder
auch die Gottselige zu unterdrucken. Warum solten wir dann nicht uns eben so
wohl mit fleiß zusammenthun/ die wir ohne das zur liebe beruffen sind/ und unsere
verbindung in nichts verdächtigs noch unrechts bestehet/ oder zu leiblicher gewalt
angesehen ist/ sondern bestehet allein in geistlicher vereinignug der hertzen gegen ein
ander/ in erkantnüß deß guten/ welches der HErr in jeglichen geleget hat/ in gemein-
schafftlichen gebet und danck vor die güter in dero gemeinen besitz wir neben
einander stehen und in auffmunterung unter einander unserm treusten Hey-
land treu zu bleiben/ um dermahleins in der offenbahrung unserer herrlichkeit sol-
ches reich und erbe mit einander völlig anzutretten. Welches lauter dergleichen
dinge sind/ da wider nichts sagen kan wer nur den nahmen eines Christen träget/
daraus auch weder trennung noch absonderung oder einige sonderlichkeit folget/ da
vor wir uns sonsten zu hüten haben. Nun der HErr der GOTT unsers HEr-
ren JESU CHRJSTJ/ der Vater der herrlichkeit gebe uns zu erhaltung sol-
ches zwecks den Geist weißheit u. der offenbahrung zu seiner selbst erkäntnüß und er-
leuchtete augen unseres verständnüß daß wir erkennen mögen welche da seye die
hoffnung unsers beruffs/ und welcher da seye der reichthum seines heiligen erbes an
seinen heiligen/ und welche da seye die überschwengliche grösse seiner krafft an uns/
die wir glauben nach der würckung seiner mächtigen stärcke. Erhalten wir dieses/
wie wirs mit andächtigen gebet gewiß erhalten werden (dann wir beten ja darinnen
nach seinen willen) so haben wir alles/ so wird damit der glaube/ als eine wurtzel
alles guten bey uns gestärcket (dann derselbe hat nichts anders vor sich/ und ergreif-
fet nichts anders/ als die in CHRJSTO uns geschenckte gnade/ ja bereits
würcklich ertheilte seligkeit/ welche wir in der tauff empfangen haben/ ihrer nach
den maß des zustandes zu geniessen/ und noch auff die völlige offenbahrung dero-
selben warten) die liebe wird gegen die mitgenossen solches herrlichen erbes immer
brünstiger/ und die danckbahre begierde dem allerliebsten Vater hin wider auch zu
ehren und gefallen zu leben wird auch stäts eiffriger. Wie hingegen aller mangel
in dem geistlichen daher kommet/ daß es sehr fehlet an der rechten lebendigen er-
käntnüß der so trefflicher himmlischer schätze: als dabey es gemeiniglich bey einer

buch-
Ppp

ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO XXXVIII.
HERR verbinde unſer hertzen immer mehr und mehr in ſolcher hertzlichem bruͤ-
derlichen liebe unter einander/ laſſe auch die jenige/ welche gleich geſinnet ſind in
CHRJSTO JESU/ von allen orten je mehr und mehr einander offenbahr
und bekant werden/ welches ein vortreffliches mittel ſeyn wird ſolcher gnauen ver-
knuͤpffung: So laſſe er uns rechtſchaffen ſeyn und werden in der liebe dadurch ſo
viel mehrere moͤgen befoͤrdert werden/ zu wachſen in allen ſtuͤcken an dem/ der das
haupt iſt/ CHRJSTUS. Wir haben ſo vielmehr urſach zu ſolcher verbin-
dung/ als mehr wir ſehen/ daß in der welt/ die dero liebe und eitelkeit ergeben ſind
ſich alles fleiſſes mit loſen ſtricken unrecht zu thun und mit wagenſeilen zu ſuͤndigen
zu ſammen koppelen/ damit ſie ſo viel ſtaͤrcker werden/ das boͤſe auszufuͤhren/ oder
auch die Gottſelige zu unterdrucken. Warum ſolten wir dann nicht uns eben ſo
wohl mit fleiß zuſammenthun/ die wir ohne das zur liebe beruffen ſind/ und unſere
verbindung in nichts verdaͤchtigs noch unrechts beſtehet/ oder zu leiblicher gewalt
angeſehen iſt/ ſondern beſtehet allein in geiſtlicher vereinignug der hertzen gegen ein
ander/ in erkantnuͤß deß guten/ welches der HErr in jeglichen geleget hat/ in gemein-
ſchafftlichen gebet und danck vor die guͤter in dero gemeinen beſitz wir neben
einander ſtehen und in auffmunterung unter einander unſerm treuſten Hey-
land treu zu bleiben/ um dermahleins in der offenbahrung unſerer herrlichkeit ſol-
ches reich und erbe mit einander voͤllig anzutretten. Welches lauter dergleichen
dinge ſind/ da wider nichts ſagen kan wer nur den nahmen eines Chriſten traͤget/
daraus auch weder trennung noch abſonderung oder einige ſonderlichkeit folget/ da
vor wir uns ſonſten zu huͤten haben. Nun der HErr der GOTT unſers HEr-
ren JESU CHRJSTJ/ der Vater der herrlichkeit gebe uns zu erhaltung ſol-
ches zwecks den Geiſt weißheit u. der offenbahrung zu ſeiner ſelbſt erkaͤntnuͤß und er-
leuchtete augen unſeres verſtaͤndnuͤß daß wir erkennen moͤgen welche da ſeye die
hoffnung unſers beruffs/ und welcher da ſeye der reichthum ſeines heiligen erbes an
ſeinen heiligen/ und welche da ſeye die uͤberſchwengliche groͤſſe ſeiner krafft an uns/
die wir glauben nach der wuͤrckung ſeiner maͤchtigen ſtaͤrcke. Erhalten wir dieſes/
wie wirs mit andaͤchtigen gebet gewiß erhalten werden (dann wir beten ja darinnen
nach ſeinen willen) ſo haben wir alles/ ſo wird damit der glaube/ als eine wurtzel
alles guten bey uns geſtaͤrcket (dann derſelbe hat nichts anders vor ſich/ und ergreif-
fet nichts anders/ als die in CHRJSTO uns geſchenckte gnade/ ja bereits
wuͤrcklich ertheilte ſeligkeit/ welche wir in der tauff empfangen haben/ ihrer nach
den maß des zuſtandes zu genieſſen/ und noch auff die voͤllige offenbahrung dero-
ſelben warten) die liebe wird gegen die mitgenoſſen ſolches herrlichen erbes immer
bruͤnſtiger/ und die danckbahre begierde dem allerliebſten Vater hin wider auch zu
ehren und gefallen zu leben wird auch ſtaͤts eiffriger. Wie hingegen aller mangel
in dem geiſtlichen daher kommet/ daß es ſehr fehlet an der rechten lebendigen er-
kaͤntnuͤß der ſo trefflicher himmliſcher ſchaͤtze: als dabey es gemeiniglich bey einer

buch-
Ppp
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[481/0499] ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO XXXVIII. HERR verbinde unſer hertzen immer mehr und mehr in ſolcher hertzlichem bruͤ- derlichen liebe unter einander/ laſſe auch die jenige/ welche gleich geſinnet ſind in CHRJSTO JESU/ von allen orten je mehr und mehr einander offenbahr und bekant werden/ welches ein vortreffliches mittel ſeyn wird ſolcher gnauen ver- knuͤpffung: So laſſe er uns rechtſchaffen ſeyn und werden in der liebe dadurch ſo viel mehrere moͤgen befoͤrdert werden/ zu wachſen in allen ſtuͤcken an dem/ der das haupt iſt/ CHRJSTUS. Wir haben ſo vielmehr urſach zu ſolcher verbin- dung/ als mehr wir ſehen/ daß in der welt/ die dero liebe und eitelkeit ergeben ſind ſich alles fleiſſes mit loſen ſtricken unrecht zu thun und mit wagenſeilen zu ſuͤndigen zu ſammen koppelen/ damit ſie ſo viel ſtaͤrcker werden/ das boͤſe auszufuͤhren/ oder auch die Gottſelige zu unterdrucken. Warum ſolten wir dann nicht uns eben ſo wohl mit fleiß zuſammenthun/ die wir ohne das zur liebe beruffen ſind/ und unſere verbindung in nichts verdaͤchtigs noch unrechts beſtehet/ oder zu leiblicher gewalt angeſehen iſt/ ſondern beſtehet allein in geiſtlicher vereinignug der hertzen gegen ein ander/ in erkantnuͤß deß guten/ welches der HErr in jeglichen geleget hat/ in gemein- ſchafftlichen gebet und danck vor die guͤter in dero gemeinen beſitz wir neben einander ſtehen und in auffmunterung unter einander unſerm treuſten Hey- land treu zu bleiben/ um dermahleins in der offenbahrung unſerer herrlichkeit ſol- ches reich und erbe mit einander voͤllig anzutretten. Welches lauter dergleichen dinge ſind/ da wider nichts ſagen kan wer nur den nahmen eines Chriſten traͤget/ daraus auch weder trennung noch abſonderung oder einige ſonderlichkeit folget/ da vor wir uns ſonſten zu huͤten haben. Nun der HErr der GOTT unſers HEr- ren JESU CHRJSTJ/ der Vater der herrlichkeit gebe uns zu erhaltung ſol- ches zwecks den Geiſt weißheit u. der offenbahrung zu ſeiner ſelbſt erkaͤntnuͤß und er- leuchtete augen unſeres verſtaͤndnuͤß daß wir erkennen moͤgen welche da ſeye die hoffnung unſers beruffs/ und welcher da ſeye der reichthum ſeines heiligen erbes an ſeinen heiligen/ und welche da ſeye die uͤberſchwengliche groͤſſe ſeiner krafft an uns/ die wir glauben nach der wuͤrckung ſeiner maͤchtigen ſtaͤrcke. Erhalten wir dieſes/ wie wirs mit andaͤchtigen gebet gewiß erhalten werden (dann wir beten ja darinnen nach ſeinen willen) ſo haben wir alles/ ſo wird damit der glaube/ als eine wurtzel alles guten bey uns geſtaͤrcket (dann derſelbe hat nichts anders vor ſich/ und ergreif- fet nichts anders/ als die in CHRJSTO uns geſchenckte gnade/ ja bereits wuͤrcklich ertheilte ſeligkeit/ welche wir in der tauff empfangen haben/ ihrer nach den maß des zuſtandes zu genieſſen/ und noch auff die voͤllige offenbahrung dero- ſelben warten) die liebe wird gegen die mitgenoſſen ſolches herrlichen erbes immer bruͤnſtiger/ und die danckbahre begierde dem allerliebſten Vater hin wider auch zu ehren und gefallen zu leben wird auch ſtaͤts eiffriger. Wie hingegen aller mangel in dem geiſtlichen daher kommet/ daß es ſehr fehlet an der rechten lebendigen er- kaͤntnuͤß der ſo trefflicher himmliſcher ſchaͤtze: als dabey es gemeiniglich bey einer buch- Ppp

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/499>, abgerufen am 22.11.2024.