Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.ARTIC. I. DISTINCTIO I. SECTIO VII. wir bey der sonst gewöhnlichen abtheilung in die drey stück gerne bleiben; Also findenwir doch nicht gnugsam ursach in angezogenem verstande/ wo einer das eine stück noch weiter abtheilen will/ solche theilung zuverwerffen; Aber dieses möchten wir wünschen/ daß der Autor/ wo er die zwey zur seligkeit nöthige stücke/ wie p. 56. 288. und offter ers geschicht/ anzeiget/ und zuerst die reue damit austruckt/ allen vorsatz muthwilliger s[ü]nde abgeleget zu haben/ das andere aber den glauben also beschrei- bet/ ein sehnlich verlangen nach der gnade JESU CHRJSTJ haben/ daß er an statt dieses verlangens vielmehr der zuversicht oder vertrauens ge- dacht hätte. Dann ob zwar es um der ursach willen wird geschehen seyn/ denjenigen damit den trost zulassen/ welche in anfechtung und bey ihren schwachen glauben denselben nicht bey sich fühlen/ und nur alleine an dem verlangen gleichsam hangen müssen bleiben/ daß er nur des verlangens gedencket. So wäre gleichwohl erstlich um derselben/ und zwar nur einiger zeit willen/ da sie in ihrer schwachheit ihren glauben nicht recht spühren/ weil solches das ungewohnlichere/ der glaube davon nicht zu benennen gewesen/ sondern von seinem edelsten actu dem vertrauen. Son- derlich weil auchzum andern selbst bey dergleichen schwachgläubigen und angefoch- tenen eben so wohl das vertrauen auff nicht nur hoffende sondern annehmende gna- de sich befindet/ ob sie schon dasselbe nicht fühlen oder gewahr werden. Weil ja das fühlen auch den übrigen stücken des glaubens nicht schlechter dinge zum glauben nothwendig ist; Wie wir an dem exempel junger kinder und auch anderer glau- bigen/ da sie zum exempel in dem schlaff nichts actu reflexo gedencken/ und gleich- wohl auch zu solcher zeit den glauben thätlich haben/ erkennen mögen. Auch kans nicht anders seyn; dann das verlangen selbst erlangt göttliche gnade nicht/ als welches durch eine ergreiffung und zueignung geschehen muß: Darzu gehört das vertrauen/ welches sich deswegen von dem glauben nicht scheiden; hingegen auch mit dem fühlen desselben/ und der empfindlichen ruhe der seelen/ die darauff folget/ nicht confundiren lässet. Welche stücke dann von dem Autore an gedachtem orth/ ob er wohl exprofesso davon handelt/ doch nicht deutlich gnug erklähret sind; daß aber zuweilen wir den angefochtenen alleine auff sein verlangen weisen/ geschiehet nicht darum/ gleich ob wäre solches schon gnug zum glauben/ sondern dieweil bey ermanglender fühlung der übrigen dieses so sie fühlen gleichwohl ein zeugnüß der göttlichen würckung bey ihnen ist/ welche auch das vertrauen in ihren hertzen gewürcket hat/ ob sie schon solches nicht spüren. 12. Jst dieses eine arth zu reden/ welche wir vor andern bedencklich achten abspei-
ARTIC. I. DISTINCTIO I. SECTIO VII. wir bey der ſonſt gewoͤhnlichen abtheilung in die drey ſtuͤck gerne bleiben; Alſo findenwir doch nicht gnugſam urſach in angezogenem verſtande/ wo einer das eine ſtuͤck noch weiter abtheilen will/ ſolche theilung zuverwerffen; Aber dieſes moͤchten wir wuͤnſchen/ daß der Autor/ wo er die zwey zur ſeligkeit noͤthige ſtuͤcke/ wie p. 56. 288. und offter ers geſchicht/ anzeiget/ und zuerſt die reue damit austruckt/ allen vorſatz muthwilliger ſ[uͤ]nde abgeleget zu haben/ das andere aber den glauben alſo beſchrei- bet/ ein ſehnlich verlangen nach der gnade JESU CHRJSTJ haben/ daß er an ſtatt dieſes verlangens vielmehr der zuverſicht oder vertrauens ge- dacht haͤtte. Dann ob zwar es um der urſach willen wird geſchehen ſeyn/ denjenigen damit den troſt zulaſſen/ welche in anfechtung und bey ihren ſchwachen glauben denſelben nicht bey ſich fuͤhlen/ und nur alleine an dem verlangen gleichſam hangen muͤſſen bleiben/ daß er nur des verlangens gedencket. So waͤre gleichwohl erſtlich um derſelben/ und zwar nur einiger zeit willen/ da ſie in ihrer ſchwachheit ihren glauben nicht recht ſpuͤhren/ weil ſolches das ungewohnlichere/ der glaube davon nicht zu benennen geweſen/ ſondern von ſeinem edelſten actu dem vertrauen. Son- derlich weil auchzum andern ſelbſt bey dergleichen ſchwachglaͤubigen und angefoch- tenen eben ſo wohl das vertrauen auff nicht nur hoffende ſondern annehmende gna- de ſich befindet/ ob ſie ſchon daſſelbe nicht fuͤhlen oder gewahr werden. Weil ja das fuͤhlen auch den uͤbrigen ſtuͤcken des glaubens nicht ſchlechter dinge zum glauben nothwendig iſt; Wie wir an dem exempel junger kinder und auch anderer glau- bigen/ da ſie zum exempel in dem ſchlaff nichts actu reflexo gedencken/ und gleich- wohl auch zu ſolcher zeit den glauben thaͤtlich haben/ erkennen moͤgen. Auch kans nicht anders ſeyn; dann das verlangen ſelbſt erlangt goͤttliche gnade nicht/ als welches durch eine ergreiffung und zueignung geſchehen muß: Darzu gehoͤrt das vertrauen/ welches ſich deswegen von dem glauben nicht ſcheiden; hingegen auch mit dem fuͤhlen deſſelben/ und der empfindlichen ruhe der ſeelen/ die darauff folget/ nicht confundiren laͤſſet. Welche ſtuͤcke dann von dem Autore an gedachtem orth/ ob er wohl exprofeſſo davon handelt/ doch nicht deutlich gnug erklaͤhret ſind; daß aber zuweilen wir den angefochtenen alleine auff ſein verlangen weiſen/ geſchiehet nicht darum/ gleich ob waͤre ſolches ſchon gnug zum glauben/ ſondern dieweil bey ermanglender fuͤhlung der uͤbrigen dieſes ſo ſie fuͤhlen gleichwohl ein zeugnuͤß der goͤttlichen wuͤrckung bey ihnen iſt/ welche auch das vertrauen in ihren hertzen gewuͤrcket hat/ ob ſie ſchon ſolches nicht ſpuͤren. 12. Jſt dieſes eine arth zu reden/ welche wir vor andern bedencklich achten abſpei-
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ARTIC. I. DISTINCTIO I. SECTIO VII.
wir bey der ſonſt gewoͤhnlichen abtheilung in die drey ſtuͤck gerne bleiben; Alſo finden
wir doch nicht gnugſam urſach in angezogenem verſtande/ wo einer das eine ſtuͤck
noch weiter abtheilen will/ ſolche theilung zuverwerffen; Aber dieſes moͤchten wir
wuͤnſchen/ daß der Autor/ wo er die zwey zur ſeligkeit noͤthige ſtuͤcke/ wie p. 56. 288.
und offter ers geſchicht/ anzeiget/ und zuerſt die reue damit austruckt/ allen vorſatz
muthwilliger ſuͤnde abgeleget zu haben/ das andere aber den glauben alſo beſchrei-
bet/ ein ſehnlich verlangen nach der gnade JESU CHRJSTJ haben/
daß er an ſtatt dieſes verlangens vielmehr der zuverſicht oder vertrauens ge-
dacht haͤtte. Dann ob zwar es um der urſach willen wird geſchehen ſeyn/ denjenigen
damit den troſt zulaſſen/ welche in anfechtung und bey ihren ſchwachen glauben
denſelben nicht bey ſich fuͤhlen/ und nur alleine an dem verlangen gleichſam hangen
muͤſſen bleiben/ daß er nur des verlangens gedencket. So waͤre gleichwohl erſtlich
um derſelben/ und zwar nur einiger zeit willen/ da ſie in ihrer ſchwachheit ihren
glauben nicht recht ſpuͤhren/ weil ſolches das ungewohnlichere/ der glaube davon
nicht zu benennen geweſen/ ſondern von ſeinem edelſten actu dem vertrauen. Son-
derlich weil auchzum andern ſelbſt bey dergleichen ſchwachglaͤubigen und angefoch-
tenen eben ſo wohl das vertrauen auff nicht nur hoffende ſondern annehmende gna-
de ſich befindet/ ob ſie ſchon daſſelbe nicht fuͤhlen oder gewahr werden. Weil ja
das fuͤhlen auch den uͤbrigen ſtuͤcken des glaubens nicht ſchlechter dinge zum glauben
nothwendig iſt; Wie wir an dem exempel junger kinder und auch anderer glau-
bigen/ da ſie zum exempel in dem ſchlaff nichts actu reflexo gedencken/ und gleich-
wohl auch zu ſolcher zeit den glauben thaͤtlich haben/ erkennen moͤgen. Auch kans
nicht anders ſeyn; dann das verlangen ſelbſt erlangt goͤttliche gnade nicht/ als
welches durch eine ergreiffung und zueignung geſchehen muß: Darzu gehoͤrt das
vertrauen/ welches ſich deswegen von dem glauben nicht ſcheiden; hingegen auch
mit dem fuͤhlen deſſelben/ und der empfindlichen ruhe der ſeelen/ die darauff folget/
nicht confundiren laͤſſet. Welche ſtuͤcke dann von dem Autore an gedachtem
orth/ ob er wohl exprofeſſo davon handelt/ doch nicht deutlich gnug erklaͤhret
ſind; daß aber zuweilen wir den angefochtenen alleine auff ſein verlangen weiſen/
geſchiehet nicht darum/ gleich ob waͤre ſolches ſchon gnug zum glauben/ ſondern
dieweil bey ermanglender fuͤhlung der uͤbrigen dieſes ſo ſie fuͤhlen gleichwohl ein
zeugnuͤß der goͤttlichen wuͤrckung bey ihnen iſt/ welche auch das vertrauen in ihren
hertzen gewuͤrcket hat/ ob ſie ſchon ſolches nicht ſpuͤren.
12. Jſt dieſes eine arth zu reden/ welche wir vor andern bedencklich achten
zuſeyn/ daß ſo offt in dieſen ſchrifften Moſis und Chriſti geſetz/ einander entgegen
geſetzt/ und von einander unterſchieden werden. Wir wiſſen und findens wohl/
daß Herrn Stengers meinung nichtboͤſe/ ſondern allein dieſe ſey/ daß das geſetz/
welches er Moſis geſetz nennet/ einen vollkommenen gehorſam von uns erfordere/
und ſich mit demjenigen/ was wir hie in der ſchwachheit zu thun vermoͤgen/ nicht
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Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/57>, abgerufen am 18.06.2024. |