Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.ARTIC. I. DISTINCT. I. SECTIO VII. Christi gesetz aber ist ein sanfftes Joch/ eine leichte last. Seine gebo-te sind nicht schwehr; Gelehrte wissen/ daß im zehenden gebot deß Decalogi wird verbothen die angebohrne sich noch nicht regende erb- lust. Da möchte man wohl sagen/ daß das zehende gebot nicht mit zu Ch risti gebot gehöret. Denn den wie der gebohrnen ist nicht gesagt/ sie solten gar ohne erbsünde seyn/ sondern nur sie nicht lassen herrschen. Nun ists an deme/ daß andere widrige religions-verwandten pflegen diese arthen zu reden zugebrauchen: Bey den Papisten heists in Concilio Trident. Sess. 6. Can. 21. Si quis dixerit, Christum Iesum a Deo hominibus datum fuisse, ut redemtorem cui fidant, non etiam ut legislatorem, cui obediant: ana- thema sit. Solches führet mit mehrern aus der Iesuit Becanus Tom. 3. de le- gib. c. 5. g. 1. Christus instituit novam legem ad Christianos pertinentem, ac proinde non tantum redemtor, sed etiam legislator dicendus est (dazu zeucht er die sprüche Esa. 33. Ioh. 14. und 15. Matth. 28, 1. Cor. 7. und 9. Hebr. 2. ubi confert inter se Christum & Moysen tanquam duos legislatores, alte- rum V. alterum N. Testamenti. Wiederum: Lex Moysis, quia tantum praecipiebat & non juvabat, retinuit nomen legis, lex vero Christi, quia pauca praecipit & plurimum gratiae confert, obtinet nomen gratiae ab effe- ctu magis principali. Daher nennet er auch das Caput de lege nova, seu Ev- angelica. Bey den Photinianern oder Socinianern/ ist auch dieses einer ihrer irrthume. Osterrod. Unterricht von den fürnehmsten Hauptst. c. 22. Gleichwie uns GOTT durch JEsum CHristum die wahrhaffte und vollkommene seligkeit verheissen: Also hat er uns auch durch denselben solche gebot geben/ welche alle da- hin gerichtet/ daß sie eine wahrhaffte und vollkommene gerechtigkeit/ in uns wür- cken und zu wege bringen sollen. Wiederum/ es sind die praecepta moralia (das sind die gebot von der frömmigkeit und gerechtigkeit) durch Christum viel vollkom- mener gemacht/ darum auch der HERR selbs gesagt/ Matth. 5/ 17. daß er nicht kommen das gesetz oder die propheten auffzulösen/ sondern zuerfüllen/ welches er- füllen dann anders nichts ist/ dann vollkommen machen/ oder hinzu thun/ was da mangelt. Abermahl/ das Christus die gebot des gesetzes Mosis sollt vollkommen gemacht haben/ concediret zwar der grosse hauffe der vermeinten Christen nicht; Sondern hält es gäntzlich dafür/ daß uns Christus/ was die sitten betrifft/ nichts neues gebothen habe: Welche meynung so irrig ist/ daß sich einer höchlich verwun- dern muß/ wie verständige leute derselben können beyfall geben. Mit diesem hal- tens/ wie in vielen andern stücken/ auch die Arminianer Apolog. p. 143. Quid est, quod clarius dissertiusque in Evangelio traditur, quam Christum le- gislatorem nostrum esse? An non ipse passim dicit, hoc est mandatum meum, & c. Solte man aber deswegen sagen/ daß Herr Stenger hierinnen Päp- F
ARTIC. I. DISTINCT. I. SECTIO VII. Chriſti geſetz aber iſt ein ſanfftes Joch/ eine leichte laſt. Seine gebo-te ſind nicht ſchwehr; Gelehrte wiſſen/ daß im zehenden gebot deß Decalogi wird verbothen die angebohrne ſich noch nicht regende erb- luſt. Da moͤchte man wohl ſagen/ daß das zehende gebot nicht mit zu Ch riſti gebot gehoͤret. Denn den wie der gebohrnen iſt nicht geſagt/ ſie ſolten gar ohne erbſuͤnde ſeyn/ ſondeꝛn nur ſie nicht laſſen heꝛꝛſchen. Nun iſts an deme/ daß andere widrige religions-verwandten pflegen dieſe arthen zu reden zugebrauchen: Bey den Papiſten heiſts in Concilio Trident. Seſſ. 6. Can. 21. Si quis dixerit, Chriſtum Ieſum à Deo hominibus datum fuiſſe, ut redemtorem cui fidant, non etiam ut legislatorem, cui obediant: ana- thema ſit. Solches fuͤhret mit mehrern aus der Ieſuit Becanus Tom. 3. de le- gib. c. 5. g. 1. Chriſtus inſtituit novam legem ad Chriſtianos pertinentem, ac proinde non tantum redemtor, ſed etiam legislator dicendus eſt (dazu zeucht er die ſpruͤche Eſa. 33. Ioh. 14. und 15. Matth. 28, 1. Cor. 7. und 9. Hebr. 2. ubi confert inter ſe Chriſtum & Moyſen tanquam duos legislatores, alte- rum V. alterum N. Teſtamenti. Wiederum: Lex Moyſis, quia tantum præcipiebat & non juvabat, retinuit nomen legis, lex vero Chriſti, quia pauca præcipit & plurimum gratiæ confert, obtinet nomen gratiæ ab effe- ctu magis principali. Daher nennet er auch das Caput de lege nova, ſeu Ev- angelica. Bey den Photinianern oder Socinianern/ iſt auch dieſes einer ihrer irrthume. Oſterrod. Unterricht von den fuͤrnehmſten Hauptſt. c. 22. Gleichwie uns GOTT durch JEſum CHriſtum die wahrhaffte und vollkommene ſeligkeit verheiſſen: Alſo hat er uns auch durch denſelben ſolche gebot geben/ welche alle da- hin gerichtet/ daß ſie eine wahrhaffte und vollkommene gerechtigkeit/ in uns wuͤr- cken und zu wege bringen ſollen. Wiederum/ es ſind die præcepta moralia (das ſind die gebot von der froͤmmigkeit und gerechtigkeit) durch Chriſtum viel vollkom- mener gemacht/ darum auch der HERR ſelbs geſagt/ Matth. 5/ 17. daß er nicht kommen das geſetz oder die propheten auffzuloͤſen/ ſondern zuerfuͤllen/ welches er- fuͤllen dann anders nichts iſt/ dann vollkommen machen/ oder hinzu thun/ was da mangelt. Abermahl/ das Chriſtus die gebot des geſetzes Moſis ſollt vollkommen gemacht haben/ concediret zwar der groſſe hauffe der vermeinten Chriſten nicht; Sondern haͤlt es gaͤntzlich dafuͤr/ daß uns Chriſtus/ was die ſitten betrifft/ nichts neues gebothen habe: Welche meynung ſo irrig iſt/ daß ſich einer hoͤchlich verwun- dern muß/ wie verſtaͤndige leute derſelben koͤnnen beyfall geben. Mit dieſem hal- tens/ wie in vielen andern ſtuͤcken/ auch die Arminianer Apolog. p. 143. Quid eſt, quod clarius diſſertiusque in Evangelio traditur, quam Chriſtum le- gislatorem noſtrum eſſe? An non ipſe paſſim dicit, hoc eſt mandatum meum, & c. Solte man aber deswegen ſagen/ daß Herr Stenger hierinnen Paͤp- F
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ARTIC. I. DISTINCT. I. SECTIO VII.
Chriſti geſetz aber iſt ein ſanfftes Joch/ eine leichte laſt. Seine gebo-
te ſind nicht ſchwehr; Gelehrte wiſſen/ daß im zehenden gebot deß
Decalogi wird verbothen die angebohrne ſich noch nicht regende erb-
luſt. Da moͤchte man wohl ſagen/ daß das zehende gebot nicht mit
zu Ch riſti gebot gehoͤret. Denn den wie der gebohrnen iſt nicht geſagt/
ſie ſolten gar ohne erbſuͤnde ſeyn/ ſondeꝛn nur ſie nicht laſſen heꝛꝛſchen.
Nun iſts an deme/ daß andere widrige religions-verwandten pflegen dieſe arthen
zu reden zugebrauchen: Bey den Papiſten heiſts in Concilio Trident. Seſſ. 6.
Can. 21. Si quis dixerit, Chriſtum Ieſum à Deo hominibus datum fuiſſe,
ut redemtorem cui fidant, non etiam ut legislatorem, cui obediant: ana-
thema ſit. Solches fuͤhret mit mehrern aus der Ieſuit Becanus Tom. 3. de le-
gib. c. 5. g. 1. Chriſtus inſtituit novam legem ad Chriſtianos pertinentem,
ac proinde non tantum redemtor, ſed etiam legislator dicendus eſt (dazu
zeucht er die ſpruͤche Eſa. 33. Ioh. 14. und 15. Matth. 28, 1. Cor. 7. und 9. Hebr. 2.
ubi confert inter ſe Chriſtum & Moyſen tanquam duos legislatores, alte-
rum V. alterum N. Teſtamenti. Wiederum: Lex Moyſis, quia tantum
præcipiebat & non juvabat, retinuit nomen legis, lex vero Chriſti, quia
pauca præcipit & plurimum gratiæ confert, obtinet nomen gratiæ ab effe-
ctu magis principali. Daher nennet er auch das Caput de lege nova, ſeu Ev-
angelica. Bey den Photinianern oder Socinianern/ iſt auch dieſes einer ihrer
irrthume. Oſterrod. Unterricht von den fuͤrnehmſten Hauptſt. c. 22. Gleichwie
uns GOTT durch JEſum CHriſtum die wahrhaffte und vollkommene ſeligkeit
verheiſſen: Alſo hat er uns auch durch denſelben ſolche gebot geben/ welche alle da-
hin gerichtet/ daß ſie eine wahrhaffte und vollkommene gerechtigkeit/ in uns wuͤr-
cken und zu wege bringen ſollen. Wiederum/ es ſind die præcepta moralia (das
ſind die gebot von der froͤmmigkeit und gerechtigkeit) durch Chriſtum viel vollkom-
mener gemacht/ darum auch der HERR ſelbs geſagt/ Matth. 5/ 17. daß er nicht
kommen das geſetz oder die propheten auffzuloͤſen/ ſondern zuerfuͤllen/ welches er-
fuͤllen dann anders nichts iſt/ dann vollkommen machen/ oder hinzu thun/ was da
mangelt. Abermahl/ das Chriſtus die gebot des geſetzes Moſis ſollt vollkommen
gemacht haben/ concediret zwar der groſſe hauffe der vermeinten Chriſten nicht;
Sondern haͤlt es gaͤntzlich dafuͤr/ daß uns Chriſtus/ was die ſitten betrifft/ nichts
neues gebothen habe: Welche meynung ſo irrig iſt/ daß ſich einer hoͤchlich verwun-
dern muß/ wie verſtaͤndige leute derſelben koͤnnen beyfall geben. Mit dieſem hal-
tens/ wie in vielen andern ſtuͤcken/ auch die Arminianer Apolog. p. 143. Quid
eſt, quod clarius diſſertiusque in Evangelio traditur, quam Chriſtum le-
gislatorem noſtrum eſſe? An non ipſe paſſim dicit, hoc eſt mandatum
meum, & c. Solte man aber deswegen ſagen/ daß Herr Stenger hierinnen
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