Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.ARTIC. II. SECTIO XXXII. er wiesen würde/ die gantze sache sehr graviren solte/ so hat doch GOTT gnadegegeben/ daß abermal in dieser inquisition dergleichen sich nicht hervor gethan hat/ sondern die beschuldigte ohne schuld befunden worden sind. Vielmehr fin- den sich zeugnüssen des gegentheils/ wie Vol. f. 74. einer bekant/ dieses könne er wol mit warheit sagen/ er habe die predigten nie mit solcher auffmerck- samkeit angehöret/ als nach dem er in diesen versamlungen gewesen: und einanderer Vol. f. 6. dieses kan ich vielmehr nicht verschweigen/ daß ein jeder unter uns niemal lieber/ und freudiger/ den öffentlichen GOttesdienst und pregigten besucht/ als seit dem wir mit diesen Studenten umgan- gen: nochmal einanderer Vol. f. 25. er habe nichts gehöret/ daß etwas gelehrt worden--was etwa zu verachtung des predigamts oder hindansetzung öffentlichen Gottesdiensts gereichen könte/ vielmehr würden die zuhörer ermahnet/ sich in die kirchen zu denen predigtenfleißig einzufinden/ (dergleichen auch f. 39. 40. zu lesen) wie dann auch er mit warheitsagen könte/ daß er niemals die predigt mit mehrere attentation angehöret/ als nachdem er in bemeldeter versammlung gewesen. Dazu auch komt/ das nach der zeugen beständiger aussage die colle- gia allezeit erst nach geendigten öffentlichen GOttesdienst/ um dessen zuschohnen/ angegangen sind/ und wo einige etwa platzes wegen/ sich zeitlicher eingefunden/ darüber geeyffert worden ist. Dem kan nun nicht mit fug entgegen gehalten oder ein wiedriges daraus geschlossen werden/ wann einige den nutzen aus solchen pri- vat-zusammen künfften sonderlich gerühmet haben: als wen eben in gedachter aussage Vol. f. 25. b. stehet: daß er die in solcher versamlung geschehene außlegung besser verstehen und fassen könne/ als bey der öffentlichen pre- digt/ die darinnen vorkommende general erinnerungen: zwahr wurde diesen leuten schuld gegeben/ ob sagten sie/ man könte aus einer solchen versamlung mehr lernen als aus den predigten/ oder wol 10. predigten: es haben aber die zeugen wi- dersprochen. Vol. f. 56. 62. Auß deme ersten aber folget nichts wider die würde des predigamts oder der predigten; ob wol nicht geleugnet werden kan/ ich mich auch selbs auff eigne erfahrung beruffen möchte/ daß offt aus familiar vorträgen/ wo alles kürtzer und vertraulicher gefast wird/ mehr gelernet worden/ und solches zu hertzen dringen könne/ als in formlichen langen und an einander hangenden reden: dann solches aus der art des vortrags entspringet: also daß auch D. Johann. Be- nedict. Carpz. in seinen tugend-sprüchen. 23. p. 448. zu schreiben sich nicht ent- blödet: Es ist nicht zusagen/ was dieselben (die erbauliche gespräch und hei- lige reden der Christen) für nutzen bringen/ absonderllch wannzuhörer sich mit ihren lehrern also besprechen/ da gewißlich ein gemeiner maun in ei- ner stunde mehr/ als sonst auß zehen predigten lernet. Womit gleichwol den öffentlichen predigten nichts zunahe geredet wird/ wie ja auch in solchen worten von diesem Theologo denselben nicht wird zu nahe geredet haben werden wollen. Fer- Kkkkk 3
ARTIC. II. SECTIO XXXII. er wieſen wuͤrde/ die gantze ſache ſehr graviren ſolte/ ſo hat doch GOTT gnadegegeben/ daß abermal in dieſeꝛ inquiſition dergleichen ſich nicht hervor gethan hat/ ſondern die beſchuldigte ohne ſchuld befunden worden ſind. Vielmehr fin- den ſich zeugnuͤſſen des gegentheils/ wie Vol. ♂ f. 74. einer bekant/ dieſes koͤnne er wol mit warheit ſagen/ er habe die predigten nie mit ſolcher auffmerck- ſamkeit angehoͤret/ als nach dem er in dieſen verſamlungen geweſen: und einanderer Vol. ☿ f. 6. dieſes kan ich vielmehr nicht verſchweigen/ daß ein jeder unter uns niemal lieber/ und freudiger/ den oͤffentlichen GOttesdienſt und pregigten beſucht/ als ſeit dem wir mit dieſen Studenten umgan- gen: nochmal einanderer Vol. ♂ f. 25. er habe nichts gehoͤret/ daß etwas gelehrt worden‒‒was etwa zu verachtung des predigamts oder hindanſetzung oͤffentlichen Gottesdienſts gereichen koͤnte/ vielmehr wuͤrden die zuhoͤrer ermahnet/ ſich in die kirchen zu denen predigtenfleißig einzufinden/ (dergleichen auch f. 39. 40. zu leſen) wie dann auch er mit warheitſagen koͤnte/ daß er niemals die predigt mit mehrere attentation angehoͤret/ als nachdem er in bemeldeter verſammlung geweſen. Dazu auch komt/ das nach der zeugen beſtaͤndiger auſſage die colle- gia allezeit erſt nach geendigten oͤffentlichen GOttesdienſt/ um deſſen zuſchohnen/ angegangen ſind/ und wo einige etwa platzes wegen/ ſich zeitlicher eingefunden/ daruͤber geeyffert worden iſt. Dem kan nun nicht mit fug entgegen gehalten oder ein wiedriges daraus geſchloſſen werden/ wann einige den nutzen aus ſolchen pri- vat-zuſammen kuͤnfften ſonderlich geruͤhmet haben: als wen eben in gedachter auſſage Vol. ♂ f. 25. b. ſtehet: daß er die in ſolcher verſamlung geſchehene außlegung beſſer verſtehen und faſſen koͤnne/ als bey der oͤffentlichen pre- digt/ die darinnen vorkommende general erinnerungen: zwahr wurde dieſen leuten ſchuld gegeben/ ob ſagten ſie/ man koͤnte aus einer ſolchen verſamlung mehr lernen als aus den predigten/ oder wol 10. predigten: es haben aber die zeugen wi- derſprochen. Vol. ♂ f. 56. 62. Auß deme erſten aber folget nichts wider die wuͤrde des predigamts oder der predigten; ob wol nicht geleugnet werden kan/ ich mich auch ſelbs auff eigne erfahrung beruffen moͤchte/ daß offt aus familiar vortraͤgen/ wo alles kuͤrtzer und vertraulicher gefaſt wird/ mehr gelernet worden/ und ſolches zu hertzen dꝛingen koͤnne/ als in foꝛmlichen langen und an einander hangenden reden: dann ſolches aus der art des vortrags entſpringet: alſo daß auch D. Johann. Be- nedict. Carpz. in ſeinen tugend-ſpruͤchen. 23. p. 448. zu ſchreiben ſich nicht ent- bloͤdet: Es iſt nicht zuſagen/ was dieſelben (die erbauliche geſpraͤch und hei- lige reden der Chriſten) fuͤr nutzen bringen/ abſonderllch wannzuhoͤrer ſich mit ihren lehrern alſo beſprechen/ da gewißlich ein gemeiner maun in ei- ner ſtunde mehr/ als ſonſt auß zehen predigten lernet. Womit gleichwol den oͤffentlichen predigten nichts zunahe geredet wird/ wie ja auch in ſolchen worten von dieſem Theologo denſelben nicht wird zu nahe geredet haben werden wollen. Fer- Kkkkk 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0831" n="813"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">ARTIC. II. SECTIO XXXII.</hi></hi></fw><lb/> er wieſen wuͤrde/ die gantze ſache ſehr <hi rendition="#aq">graviren</hi> ſolte/ ſo hat doch GOTT gnade<lb/> gegeben/ daß abermal in dieſeꝛ <hi rendition="#aq">inquiſition</hi> dergleichen ſich nicht hervor gethan<lb/> hat/ ſondern die beſchuldigte ohne ſchuld befunden worden ſind. Vielmehr fin-<lb/> den ſich zeugnuͤſſen des gegentheils/ wie <hi rendition="#aq">Vol. ♂ f. 74.</hi> einer bekant/ dieſes koͤnne er<lb/><hi rendition="#fr">wol mit warheit ſagen/ er habe die predigten nie mit ſolcher auffmerck-<lb/> ſamkeit angehoͤret/ als nach dem er in dieſen verſamlungen geweſen:</hi> und<lb/> einanderer <hi rendition="#aq">Vol. ☿ f. 6.</hi> <hi rendition="#fr">dieſes kan ich vielmehr nicht verſchweigen/ daß ein<lb/> jeder unter uns niemal lieber/ und freudiger/ den oͤffentlichen GOttesdienſt<lb/> und pregigten beſucht/ als ſeit dem wir mit dieſen</hi> <hi rendition="#aq">Student</hi>en <hi rendition="#fr">umgan-<lb/> gen:</hi> nochmal einanderer <hi rendition="#aq">Vol. ♂ f. 25.</hi> er habe nichts gehoͤret/ daß etwas gelehrt<lb/> worden‒‒was etwa zu verachtung des predigamts oder hindanſetzung oͤffentlichen<lb/> Gottesdienſts gereichen koͤnte/ vielmehr wuͤrden die zuhoͤrer ermahnet/ ſich in die<lb/> kirchen zu denen predigtenfleißig einzufinden/ (dergleichen auch <hi rendition="#aq">f. 39. 40.</hi><lb/> zu leſen) wie dann auch er mit warheitſagen koͤnte/ daß er niemals die predigt<lb/> mit mehrere <hi rendition="#aq">attentation</hi> angehoͤret/ als nachdem er in bemeldeter verſammlung<lb/> geweſen. Dazu auch komt/ das nach der zeugen beſtaͤndiger auſſage die <hi rendition="#aq">colle-<lb/> gia</hi> allezeit erſt nach geendigten oͤffentlichen GOttesdienſt/ um deſſen zuſchohnen/<lb/> angegangen ſind/ und wo einige etwa platzes wegen/ ſich zeitlicher eingefunden/<lb/> daruͤber geeyffert worden iſt. Dem kan nun nicht mit fug entgegen gehalten oder<lb/> ein wiedriges daraus geſchloſſen werden/ wann einige den nutzen aus ſolchen <hi rendition="#aq">pri-<lb/> vat-</hi>zuſammen kuͤnfften ſonderlich geruͤhmet haben: als wen eben in gedachter<lb/> auſſage <hi rendition="#aq">Vol. ♂ f. 25. b.</hi> ſtehet: <hi rendition="#fr">daß er die in ſolcher verſamlung geſchehene<lb/> außlegung beſſer verſtehen und faſſen koͤnne/ als bey der oͤffentlichen pre-<lb/> digt/ die darinnen vorkommende</hi> <hi rendition="#aq">general</hi> <hi rendition="#fr">erinnerungen:</hi> zwahr wurde dieſen<lb/> leuten ſchuld gegeben/ ob ſagten ſie/ man koͤnte aus einer ſolchen verſamlung mehr<lb/> lernen als aus den predigten/ oder wol 10. predigten: es haben aber die zeugen wi-<lb/> derſprochen. <hi rendition="#aq">Vol. ♂ f. 56. 62.</hi> Auß deme erſten aber folget nichts wider die wuͤrde<lb/> des predigamts oder der predigten; ob wol nicht geleugnet werden kan/ ich mich<lb/> auch ſelbs auff eigne erfahrung beruffen moͤchte/ daß offt aus <hi rendition="#aq">familiar</hi> vortraͤgen/<lb/> wo alles kuͤrtzer und vertraulicher gefaſt wird/ mehr gelernet worden/ und ſolches<lb/> zu hertzen dꝛingen koͤnne/ als in foꝛmlichen langen und an einander hangenden reden:<lb/> dann ſolches aus der art des vortrags entſpringet: alſo daß auch <hi rendition="#aq">D. Johann. Be-<lb/> nedict. Carpz.</hi> in ſeinen tugend-ſpruͤchen. <hi rendition="#aq">23. p. 448.</hi> zu ſchreiben ſich nicht ent-<lb/> bloͤdet: <hi rendition="#fr">Es iſt nicht zuſagen/ was dieſelben</hi> (die erbauliche geſpraͤch und hei-<lb/> lige reden der Chriſten) <hi rendition="#fr">fuͤr nutzen bringen/ abſonderllch wannzuhoͤrer ſich<lb/> mit ihren lehrern alſo beſprechen/ da gewißlich ein gemeiner maun in ei-<lb/> ner ſtunde mehr/ als ſonſt auß zehen predigten lernet.</hi> Womit gleichwol den<lb/> oͤffentlichen predigten nichts zunahe geredet wird/ wie ja auch in ſolchen worten<lb/> von dieſem <hi rendition="#aq">Theologo</hi> denſelben nicht wird zu nahe geredet haben werden wollen.<lb/> <fw place="bottom" type="sig">Kkkkk 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Fer-</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [813/0831]
ARTIC. II. SECTIO XXXII.
er wieſen wuͤrde/ die gantze ſache ſehr graviren ſolte/ ſo hat doch GOTT gnade
gegeben/ daß abermal in dieſeꝛ inquiſition dergleichen ſich nicht hervor gethan
hat/ ſondern die beſchuldigte ohne ſchuld befunden worden ſind. Vielmehr fin-
den ſich zeugnuͤſſen des gegentheils/ wie Vol. ♂ f. 74. einer bekant/ dieſes koͤnne er
wol mit warheit ſagen/ er habe die predigten nie mit ſolcher auffmerck-
ſamkeit angehoͤret/ als nach dem er in dieſen verſamlungen geweſen: und
einanderer Vol. ☿ f. 6. dieſes kan ich vielmehr nicht verſchweigen/ daß ein
jeder unter uns niemal lieber/ und freudiger/ den oͤffentlichen GOttesdienſt
und pregigten beſucht/ als ſeit dem wir mit dieſen Studenten umgan-
gen: nochmal einanderer Vol. ♂ f. 25. er habe nichts gehoͤret/ daß etwas gelehrt
worden‒‒was etwa zu verachtung des predigamts oder hindanſetzung oͤffentlichen
Gottesdienſts gereichen koͤnte/ vielmehr wuͤrden die zuhoͤrer ermahnet/ ſich in die
kirchen zu denen predigtenfleißig einzufinden/ (dergleichen auch f. 39. 40.
zu leſen) wie dann auch er mit warheitſagen koͤnte/ daß er niemals die predigt
mit mehrere attentation angehoͤret/ als nachdem er in bemeldeter verſammlung
geweſen. Dazu auch komt/ das nach der zeugen beſtaͤndiger auſſage die colle-
gia allezeit erſt nach geendigten oͤffentlichen GOttesdienſt/ um deſſen zuſchohnen/
angegangen ſind/ und wo einige etwa platzes wegen/ ſich zeitlicher eingefunden/
daruͤber geeyffert worden iſt. Dem kan nun nicht mit fug entgegen gehalten oder
ein wiedriges daraus geſchloſſen werden/ wann einige den nutzen aus ſolchen pri-
vat-zuſammen kuͤnfften ſonderlich geruͤhmet haben: als wen eben in gedachter
auſſage Vol. ♂ f. 25. b. ſtehet: daß er die in ſolcher verſamlung geſchehene
außlegung beſſer verſtehen und faſſen koͤnne/ als bey der oͤffentlichen pre-
digt/ die darinnen vorkommende general erinnerungen: zwahr wurde dieſen
leuten ſchuld gegeben/ ob ſagten ſie/ man koͤnte aus einer ſolchen verſamlung mehr
lernen als aus den predigten/ oder wol 10. predigten: es haben aber die zeugen wi-
derſprochen. Vol. ♂ f. 56. 62. Auß deme erſten aber folget nichts wider die wuͤrde
des predigamts oder der predigten; ob wol nicht geleugnet werden kan/ ich mich
auch ſelbs auff eigne erfahrung beruffen moͤchte/ daß offt aus familiar vortraͤgen/
wo alles kuͤrtzer und vertraulicher gefaſt wird/ mehr gelernet worden/ und ſolches
zu hertzen dꝛingen koͤnne/ als in foꝛmlichen langen und an einander hangenden reden:
dann ſolches aus der art des vortrags entſpringet: alſo daß auch D. Johann. Be-
nedict. Carpz. in ſeinen tugend-ſpruͤchen. 23. p. 448. zu ſchreiben ſich nicht ent-
bloͤdet: Es iſt nicht zuſagen/ was dieſelben (die erbauliche geſpraͤch und hei-
lige reden der Chriſten) fuͤr nutzen bringen/ abſonderllch wannzuhoͤrer ſich
mit ihren lehrern alſo beſprechen/ da gewißlich ein gemeiner maun in ei-
ner ſtunde mehr/ als ſonſt auß zehen predigten lernet. Womit gleichwol den
oͤffentlichen predigten nichts zunahe geredet wird/ wie ja auch in ſolchen worten
von dieſem Theologo denſelben nicht wird zu nahe geredet haben werden wollen.
Fer-
Kkkkk 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/831 |
Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 813. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/831>, abgerufen am 01.07.2024. |