Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.Das sechste Capitel. tung immer näher zu treten. So müssen wir offt auch mit dem allgemeinenkranckheiten umgehen/ wollen wir etwas auszurichten hoffnung haben. Al- so lässet sichs in derokirchen und sonderlich dero itzigen bewandnüß/ nicht ver- fahren/ wie in einer republica Platonis, oder auch nur wie in der ersten kir- chen. Daher sind nicht allezeit die jenige besserungs mittel die beste/ die der gleichen lob sonsten an sich verdienten/ sondern die diesesmal sich am besten und mit nutzen practisiren lassen. So giebets hindernüssen und steine/ die wir eine weil auf eine seite nicht weltzen können/ sondern annoch ligen lassen müssen/ aber daher neben wege umher suchen müssen/ daß wir doch dahin kommen wo wir sollen. Da bleiben meine regeln 1. et- was wahrhafftig böses darff ich nimmermehr aus einigen vorwand thun. 2. Das gute/ so bloßdahin nothwendig/ darff auch nicht unterlassen werden. 3. Was aber die dinge anlangt/ die an sich zwar gut und nützlich/ nicht aber bloß nothwendig sind/ haben wir nicht wo wir mehr böses darauß zu sorgen/ eine weile zu unterlassen/ oder auff besser gelegenheit zu verschieben: oder nicht eben auff die sonst beste art/ sondern wie man itzo am bestem und un- gehindertsten durchdringen kan/ zu bewerckstelligen. 4. Die hindernüssen/ die über alle unsere kräfften in dem gegenwärtigen gehen/ und wir solches nach Gottseliger überlegung und mit gebet angestellter prüffung finden/ ha- ben wir nicht mit gewalt vergeblich anzugreiffen/ sondern dahin zu trachten/ daß wir deroselben mehrern schaden allgemach abwenden. 5. Ob wir das böse noch nicht bey seit räumen können/ ist GOtt schon davor zu dancken/ wo es nur erst in engere schrancken gebracht/ und allgemach praeparatoria gema- chet werden/ daß man denselben immer näher kommen/ und es kräfftiger an- greiffen könne. An diese regeln halte mich/ und achte sie nicht ohne nutzen/ auch bin versichert/ daß auff diesem langsamen weg mit der zeit unvermerckt mehr außgerichtet werde/ als wo man stets gern zu fahren will/ und aber damitoffte nicht nur im gegenwärtigen nichts außrichtet/ sondern auch auffs künfftige alles verderbet. Der HErr aber gebe uns allen selbs die weißheit/ die auß ihm ist/ und weise uns seinen willen: auch lasse er uns nicht durch eigene weißheit/ da sie der seinigen entgegen/ betrogen werden. Daß mein Hochg. Hr. nunmehr aus gelegenheit des Consistorii die wahr- heit/ der von Christlichen männern bißher geführter wehmütiger klagen im- mer mehr erfahre/ glaube ich wol/ und weiß es auß gleicher erfahrung. Es ist freylich leider dahin kommen/ daß ich dem verderben zu wehren alle menschl. consilia viel zu schwach erkenne/ und alleine auff den HERRN meine au- gen wegen besserung wenden muß: aber sehr sorge: diese werde schwerlich anders geschehen/ als durch die niederschmeissung des gantzen hauses/ daß sich nicht flicken lässet/ daß ers neue aufführe. So gehöret das schreckliche ärgernüß/ daß die Wittenbergische und zum theil Leipzigische Theologi mit ih-
Das ſechſte Capitel. tung immer naͤher zu treten. So muͤſſen wir offt auch mit dem allgemeinenkranckheiten umgehen/ wollen wir etwas auszurichten hoffnung haben. Al- ſo laͤſſet ſichs in derokirchen uñ ſonderlich dero itzigen bewandnuͤß/ nicht ver- fahren/ wie in einer republica Platonis, oder auch nur wie in der erſten kir- chen. Daher ſind nicht allezeit die jenige beſſerungs mittel die beſte/ die der gleichen lob ſonſten an ſich verdienten/ ſondern die dieſesmal ſich am beſten und mit nutzen practiſiren laſſen. So giebets hindernuͤſſen und ſteine/ die wir eine weil auf eine ſeite nicht weltzen koͤnnen/ ſondern annoch ligen laſſen muͤſſen/ aber daher neben wege umher ſuchen muͤſſen/ daß wir doch dahin kommen wo wir ſollen. Da bleiben meine regeln 1. et- was wahrhafftig boͤſes darff ich nimmermehr aus einigen vorwand thun. 2. Das gute/ ſo bloßdahin nothwendig/ darff auch nicht unterlaſſen werden. 3. Was aber die dinge anlangt/ die an ſich zwar gut und nuͤtzlich/ nicht aber bloß nothwendig ſind/ haben wir nicht wo wir mehr boͤſes darauß zu ſorgen/ eine weile zu unterlaſſen/ oder auff beſſer gelegenheit zu verſchieben: oder nicht eben auff die ſonſt beſte art/ ſondern wie man itzo am beſtem und un- gehindertſten durchdringen kan/ zu bewerckſtelligen. 4. Die hindernuͤſſen/ die uͤber alle unſere kraͤfften in dem gegenwaͤrtigen gehen/ und wir ſolches nach Gottſeliger uͤberlegung und mit gebet angeſtellter pruͤffung finden/ ha- ben wir nicht mit gewalt vergeblich anzugreiffen/ ſondern dahin zu trachten/ daß wir deroſelben mehrern ſchaden allgemach abwenden. 5. Ob wir das boͤſe noch nicht bey ſeit raͤumen koͤnnen/ iſt GOtt ſchon davor zu dancken/ wo es nur erſt in engere ſchrancken gebracht/ und allgemach præparatoria gema- chet werden/ daß man denſelben immer naͤher kommen/ und es kraͤfftiger an- greiffen koͤnne. An dieſe regeln halte mich/ und achte ſie nicht ohne nutzen/ auch bin verſichert/ daß auff dieſem langſamen weg mit der zeit unvermerckt mehr außgerichtet werde/ als wo man ſtets gern zu fahren will/ und aber damitoffte nicht nur im gegenwaͤrtigen nichts außrichtet/ ſondern auch auffs kuͤnfftige alles verderbet. Der HErr aber gebe uns allen ſelbs die weißheit/ die auß ihm iſt/ und weiſe uns ſeinen willen: auch laſſe er uns nicht durch eigene weißheit/ da ſie der ſeinigen entgegen/ betrogen werden. Daß mein Hochg. Hr. nunmehr aus gelegenheit des Conſiſtorii die wahr- heit/ der von Chriſtlichen maͤnnern bißher gefuͤhrter wehmuͤtiger klagen im- mer mehr erfahre/ glaube ich wol/ und weiß es auß gleicher erfahrung. Es iſt freylich leider dahin kommen/ daß ich dem verderben zu wehren alle menſchl. conſilia viel zu ſchwach erkenne/ und alleine auff den HERRN meine au- gen wegen beſſerung wenden muß: aber ſehr ſorge: dieſe werde ſchwerlich anders geſchehen/ als durch die niederſchmeiſſung des gantzen hauſes/ daß ſich nicht flicken laͤſſet/ daß ers neue auffuͤhre. So gehoͤret das ſchreckliche aͤrgernuͤß/ daß die Wittenbergiſche und zum theil Leipzigiſche Theologi mit ih-
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tung immer naͤher zu treten. So muͤſſen wir offt auch mit dem allgemeinen
kranckheiten umgehen/ wollen wir etwas auszurichten hoffnung haben. Al-
ſo laͤſſet ſichs in derokirchen uñ ſonderlich dero itzigen bewandnuͤß/ nicht ver-
fahren/ wie in einer republica Platonis, oder auch nur wie in der erſten kir-
chen. Daher ſind nicht allezeit die jenige beſſerungs mittel die beſte/ die der
gleichen lob ſonſten an ſich verdienten/ ſondern die dieſesmal ſich am beſten
und mit nutzen practiſiren laſſen. So giebets hindernuͤſſen und ſteine/ die
wir eine weil auf eine ſeite nicht weltzen koͤnnen/ ſondern annoch ligen laſſen
muͤſſen/ aber daher neben wege umher ſuchen muͤſſen/ daß wir doch
dahin kommen wo wir ſollen. Da bleiben meine regeln 1. et-
was wahrhafftig boͤſes darff ich nimmermehr aus einigen vorwand thun. 2.
Das gute/ ſo bloßdahin nothwendig/ darff auch nicht unterlaſſen werden.
3. Was aber die dinge anlangt/ die an ſich zwar gut und nuͤtzlich/ nicht aber
bloß nothwendig ſind/ haben wir nicht wo wir mehr boͤſes darauß zu ſorgen/
eine weile zu unterlaſſen/ oder auff beſſer gelegenheit zu verſchieben: oder
nicht eben auff die ſonſt beſte art/ ſondern wie man itzo am beſtem und un-
gehindertſten durchdringen kan/ zu bewerckſtelligen. 4. Die hindernuͤſſen/
die uͤber alle unſere kraͤfften in dem gegenwaͤrtigen gehen/ und wir ſolches
nach Gottſeliger uͤberlegung und mit gebet angeſtellter pruͤffung finden/ ha-
ben wir nicht mit gewalt vergeblich anzugreiffen/ ſondern dahin zu trachten/
daß wir deroſelben mehrern ſchaden allgemach abwenden. 5. Ob wir das
boͤſe noch nicht bey ſeit raͤumen koͤnnen/ iſt GOtt ſchon davor zu dancken/ wo
es nur erſt in engere ſchrancken gebracht/ und allgemach præparatoria gema-
chet werden/ daß man denſelben immer naͤher kommen/ und es kraͤfftiger an-
greiffen koͤnne. An dieſe regeln halte mich/ und achte ſie nicht ohne nutzen/
auch bin verſichert/ daß auff dieſem langſamen weg mit der zeit unvermerckt
mehr außgerichtet werde/ als wo man ſtets gern zu fahren will/ und aber
damitoffte nicht nur im gegenwaͤrtigen nichts außrichtet/ ſondern auch
auffs kuͤnfftige alles verderbet. Der HErr aber gebe uns allen ſelbs die
weißheit/ die auß ihm iſt/ und weiſe uns ſeinen willen: auch laſſe er uns
nicht durch eigene weißheit/ da ſie der ſeinigen entgegen/ betrogen werden.
Daß mein Hochg. Hr. nunmehr aus gelegenheit des Conſiſtorii die wahr-
heit/ der von Chriſtlichen maͤnnern bißher gefuͤhrter wehmuͤtiger klagen im-
mer mehr erfahre/ glaube ich wol/ und weiß es auß gleicher erfahrung. Es iſt
freylich leider dahin kommen/ daß ich dem verderben zu wehren alle menſchl.
conſilia viel zu ſchwach erkenne/ und alleine auff den HERRN meine au-
gen wegen beſſerung wenden muß: aber ſehr ſorge: dieſe werde ſchwerlich
anders geſchehen/ als durch die niederſchmeiſſung des gantzen hauſes/ daß
ſich nicht flicken laͤſſet/ daß ers neue auffuͤhre. So gehoͤret das ſchreckliche
aͤrgernuͤß/ daß die Wittenbergiſche und zum theil Leipzigiſche Theologi mit
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