Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.
Das siebende Capitel. wir leicht ein schisma unter uns selbs, und erlangen jene aufs wenigste denumtritt ein und anderer, den rest nachmal so viel leichter zu unterdrucken, auch dessen speciosen titul zu haben, daß man zu keinen heilsamen und rai- sonablen vorschlägen (wie diese und jene gethan) sich verstehen wolte, und al- so auf andere art nun tractirt werden müsste. Meines wenigen ermessens ist in aller solcher sache unter beyden parteyen allzumercklicher unterscheid, und können in solchen tractaten sich die Römische nichts zu nachtheil praejudi- ciren, in dem alles zugegebene zu seiner zeit (solte es auch schon nicht von dem Papst allein geschehen, jedoch durch ein von ihm nach seinem willen for- mirtes concilium) retractirt werden kan, und in dem einigen punct der autorität der kirchen virtualiter mit begrieffen ist, was sie verlangen können: Wir aber haben allzu grosses praejudiz dabey, und lässt sich ohne schaden kein tritt mehr alsdann zurück thun, den wir einmal gethan: so gar daß ich sorge, auch nur einige einlassung in tractaten habe bereits etwas solcher natur. Eure Excellenz bemercken hochvernünfftig, daß sehr möge gezweif- felt werden, ob das jenige, was der Bischoff gleichsam anpraesentirt von seinen eigenen nachmal werde angenommen und praest[i]rt werden: welches auch also zu gedencken seine wichtige ursachen hat. Jch bekenne aber, daß in fernerem nachsinnen davor gehalten, wo ich die art der leute und des Römischen staats, auch einige derselbigen nicht so gar heimlich haltende hypotheses, erwege, es seye wol müglich, daß man zu Rom dasjenige/ was der Bischoff bey mir sagte, auf gewisse weise accordiren dörffte. Jn dem zwar einige sind, so scheinen wider dero übrigen maximen und interesse zu seyn: es ersetzet sich aber solcher scheinender verlust reichlich wieder, wann so viele lande unter den gehorsam des Päbstlichen stuls quo- cunque modo kommen, welcher seine mittel gnug hat, zu seiner zeit allge- mach alles zu redressiren, wie es sein interesse erfordert, in welcher hoffnung sie eine zeitlang temporisiren können: da darf man sich nicht so leicht mehr förchten vor einem neuen ausbrechenden schismate, sondern weiß derselben gefahr, nachdem man einmal klüger worden, leichter vorzubeugen, als den längst erlittenen verlust auf immer zu verschmertzen. Jch sehe mich um wo ich will, so finde nichts, worauf nur einige hoffnung etwas guten gründen könte. Wir sollen so zu reden zum voraus, auf einige declarationes gewisser articul (die doch meistens endlich dahinaus lauffen würden, daß wir bis daher mit ungleichen auflagen der catholischen kirchen unrecht gethan hät- ten, und also die schuld auf uns und unsern voreltern ersitzen blibe) so dann concessionem calicis, matrimonii clericorum und dergleichen catholisch werden, das ist uns unter den völligen gehorsam der kirchen (da wir aber wol wissen, was solches wort heisse) begeben, und auf das nechste conci- lium
Das ſiebende Capitel. wir leicht ein ſchiſma unter uns ſelbs, und erlangen jene aufs wenigſte denumtritt ein und anderer, den reſt nachmal ſo viel leichter zu unterdrucken, auch deſſen ſpecioſen titul zu haben, daß man zu keinen heilſamen und rai- ſonablen vorſchlaͤgen (wie dieſe und jene gethan) ſich verſtehen wolte, und al- ſo auf andere art nun tractirt werden muͤſſte. Meines wenigen ermeſſens iſt in aller ſolcher ſache unter beyden parteyen allzumercklicher unterſcheid, und koͤnnen in ſolchen tractaten ſich die Roͤmiſche nichts zu nachtheil præjudi- ciren, in dem alles zugegebene zu ſeiner zeit (ſolte es auch ſchon nicht von dem Papſt allein geſchehen, jedoch durch ein von ihm nach ſeinem willen for- mirtes concilium) retractirt werden kan, und in dem einigen punct der autoritaͤt der kirchen virtualiter mit begrieffen iſt, was ſie verlangen koͤnnen: Wir aber haben allzu groſſes præjudiz dabey, und laͤſſt ſich ohne ſchaden kein tritt mehr alsdann zuruͤck thun, den wir einmal gethan: ſo gar daß ich ſorge, auch nur einige einlaſſung in tractaten habe bereits etwas ſolcher natur. Eure Excellenz bemercken hochvernuͤnfftig, daß ſehr moͤge gezweif- felt werden, ob das jenige, was der Biſchoff gleichſam anpræſentirt von ſeinen eigenen nachmal werde angenommen und præſt[i]rt werden: welches auch alſo zu gedencken ſeine wichtige urſachen hat. Jch bekenne aber, daß in fernerem nachſinnen davor gehalten, wo ich die art der leute und des Roͤmiſchen ſtaats, auch einige derſelbigen nicht ſo gar heimlich haltende hypotheſes, erwege, es ſeye wol muͤglich, daß man zu Rom dasjenige/ was der Biſchoff bey mir ſagte, auf gewiſſe weiſe accordiren doͤrffte. Jn dem zwar einige ſind, ſo ſcheinen wider dero uͤbrigen maximen und intereſſe zu ſeyn: es erſetzet ſich aber ſolcher ſcheinender verluſt reichlich wieder, wann ſo viele lande unter den gehorſam des Paͤbſtlichen ſtuls quo- cunque modo kommen, welcher ſeine mittel gnug hat, zu ſeiner zeit allge- mach alles zu redreſſiren, wie es ſein intereſſe erfordert, in welcher hoffnung ſie eine zeitlang temporiſiren koͤnnen: da darf man ſich nicht ſo leicht mehr foͤrchten vor einem neuen ausbrechenden ſchiſmate, ſondern weiß derſelben gefahr, nachdem man einmal kluͤger worden, leichter vorzubeugen, als den laͤngſt erlittenen verluſt auf immer zu verſchmertzen. Jch ſehe mich um wo ich will, ſo finde nichts, worauf nur einige hoffnung etwas guten gruͤnden koͤnte. Wir ſollen ſo zu reden zum voraus, auf einige declarationes gewiſſer articul (die doch meiſtens endlich dahinaus lauffen wuͤrden, daß wir bis daher mit ungleichen auflagen der catholiſchen kirchen unrecht gethan haͤt- ten, und alſo die ſchuld auf uns und unſern voreltern erſitzen blibe) ſo dann conceſſionem calicis, matrimonii clericorum und dergleichen catholiſch werden, das iſt uns unter den voͤlligen gehorſam der kirchen (da wir aber wol wiſſen, was ſolches wort heiſſe) begeben, und auf das nechſte conci- lium
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0154" n="142"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das ſiebende Capitel.</hi></fw><lb/> wir leicht ein <hi rendition="#aq">ſchiſma</hi> unter uns ſelbs, und erlangen jene aufs wenigſte den<lb/> umtritt ein und anderer, den reſt nachmal ſo viel leichter zu unterdrucken,<lb/> auch deſſen <hi rendition="#aq">ſpecio</hi>ſen titul zu haben, daß man zu keinen heilſamen und <hi rendition="#aq">rai-<lb/> ſonabl</hi>en vorſchlaͤgen (wie dieſe und jene gethan) ſich verſtehen wolte, und al-<lb/> ſo auf andere art nun <hi rendition="#aq">tracti</hi>rt werden muͤſſte. Meines wenigen ermeſſens<lb/> iſt in aller ſolcher ſache unter beyden parteyen allzumercklicher unterſcheid,<lb/> und koͤnnen in ſolchen <hi rendition="#aq">tractat</hi>en ſich die Roͤmiſche nichts zu nachtheil <hi rendition="#aq">præjudi-<lb/> ci</hi>ren, in dem alles zugegebene zu ſeiner zeit (ſolte es auch ſchon nicht von<lb/> dem Papſt allein geſchehen, jedoch durch ein von ihm nach ſeinem willen <hi rendition="#aq">for-<lb/> mi</hi>rtes <hi rendition="#aq">concilium</hi>) <hi rendition="#aq">retracti</hi>rt werden kan, und in dem einigen punct der<lb/><hi rendition="#aq">autori</hi>taͤt der kirchen <hi rendition="#aq">virtualiter</hi> mit begrieffen iſt, was ſie verlangen koͤnnen:<lb/> Wir aber haben allzu groſſes <hi rendition="#aq">præjudiz</hi> dabey, und laͤſſt ſich ohne ſchaden<lb/> kein tritt mehr alsdann zuruͤck thun, den wir einmal gethan: ſo gar daß<lb/> ich ſorge, auch nur einige einlaſſung in <hi rendition="#aq">tracta</hi>ten habe bereits etwas ſolcher<lb/> natur. Eure <hi rendition="#aq">Excellenz</hi> bemercken hochvernuͤnfftig, daß ſehr moͤge gezweif-<lb/> felt werden, ob das jenige, was der Biſchoff gleichſam an<hi rendition="#aq">præſenti</hi>rt von<lb/> ſeinen eigenen nachmal werde angenommen und <hi rendition="#aq">præſt<supplied>i</supplied></hi>rt werden: welches<lb/> auch alſo zu gedencken ſeine wichtige urſachen hat. Jch bekenne aber, daß<lb/> in fernerem nachſinnen davor gehalten, wo ich die art der leute und des<lb/> Roͤmiſchen ſtaats, auch einige derſelbigen nicht ſo gar heimlich haltende<lb/><hi rendition="#aq">hypotheſes,</hi> erwege, es ſeye wol muͤglich, daß man zu Rom dasjenige/<lb/> was der Biſchoff bey mir ſagte, auf gewiſſe weiſe <hi rendition="#aq">accordi</hi>ren doͤrffte. Jn<lb/> dem zwar einige ſind, ſo ſcheinen wider dero uͤbrigen <hi rendition="#aq">maxim</hi>en und<lb/><hi rendition="#aq">intereſſe</hi> zu ſeyn: es erſetzet ſich aber ſolcher ſcheinender verluſt reichlich<lb/> wieder, wann ſo viele lande unter den gehorſam des Paͤbſtlichen ſtuls <hi rendition="#aq">quo-<lb/> cunque modo</hi> kommen, welcher ſeine mittel gnug hat, zu ſeiner zeit allge-<lb/> mach alles zu <hi rendition="#aq">redreſſi</hi>ren, wie es ſein <hi rendition="#aq">intereſſe</hi> erfordert, in welcher hoffnung<lb/> ſie eine zeitlang <hi rendition="#aq">temporiſi</hi>ren koͤnnen: da darf man ſich nicht ſo leicht mehr<lb/> foͤrchten vor einem neuen ausbrechenden <hi rendition="#aq">ſchiſmate,</hi> ſondern weiß derſelben<lb/> gefahr, nachdem man einmal kluͤger worden, leichter vorzubeugen, als den<lb/> laͤngſt erlittenen verluſt auf immer zu verſchmertzen. Jch ſehe mich um wo<lb/> ich will, ſo finde nichts, worauf nur einige hoffnung etwas guten gruͤnden<lb/> koͤnte. Wir ſollen ſo zu reden zum voraus, auf einige <hi rendition="#aq">declarationes</hi><lb/> gewiſſer <hi rendition="#fr">articul</hi> (die doch meiſtens endlich dahinaus lauffen wuͤrden, daß wir<lb/> bis daher mit ungleichen auflagen der catholiſchen kirchen unrecht gethan haͤt-<lb/> ten, und alſo die ſchuld auf uns und unſern voreltern erſitzen blibe) ſo dann<lb/><hi rendition="#aq">conceſſionem calicis, matrimonii clericorum</hi> und dergleichen catholiſch<lb/> werden, das iſt uns unter den voͤlligen gehorſam <hi rendition="#fr">der kirchen</hi> (da wir aber<lb/> wol wiſſen, was ſolches wort heiſſe) begeben, und auf das nechſte <hi rendition="#aq">conci-</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">lium</hi></fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [142/0154]
Das ſiebende Capitel.
wir leicht ein ſchiſma unter uns ſelbs, und erlangen jene aufs wenigſte den
umtritt ein und anderer, den reſt nachmal ſo viel leichter zu unterdrucken,
auch deſſen ſpecioſen titul zu haben, daß man zu keinen heilſamen und rai-
ſonablen vorſchlaͤgen (wie dieſe und jene gethan) ſich verſtehen wolte, und al-
ſo auf andere art nun tractirt werden muͤſſte. Meines wenigen ermeſſens
iſt in aller ſolcher ſache unter beyden parteyen allzumercklicher unterſcheid,
und koͤnnen in ſolchen tractaten ſich die Roͤmiſche nichts zu nachtheil præjudi-
ciren, in dem alles zugegebene zu ſeiner zeit (ſolte es auch ſchon nicht von
dem Papſt allein geſchehen, jedoch durch ein von ihm nach ſeinem willen for-
mirtes concilium) retractirt werden kan, und in dem einigen punct der
autoritaͤt der kirchen virtualiter mit begrieffen iſt, was ſie verlangen koͤnnen:
Wir aber haben allzu groſſes præjudiz dabey, und laͤſſt ſich ohne ſchaden
kein tritt mehr alsdann zuruͤck thun, den wir einmal gethan: ſo gar daß
ich ſorge, auch nur einige einlaſſung in tractaten habe bereits etwas ſolcher
natur. Eure Excellenz bemercken hochvernuͤnfftig, daß ſehr moͤge gezweif-
felt werden, ob das jenige, was der Biſchoff gleichſam anpræſentirt von
ſeinen eigenen nachmal werde angenommen und præſtirt werden: welches
auch alſo zu gedencken ſeine wichtige urſachen hat. Jch bekenne aber, daß
in fernerem nachſinnen davor gehalten, wo ich die art der leute und des
Roͤmiſchen ſtaats, auch einige derſelbigen nicht ſo gar heimlich haltende
hypotheſes, erwege, es ſeye wol muͤglich, daß man zu Rom dasjenige/
was der Biſchoff bey mir ſagte, auf gewiſſe weiſe accordiren doͤrffte. Jn
dem zwar einige ſind, ſo ſcheinen wider dero uͤbrigen maximen und
intereſſe zu ſeyn: es erſetzet ſich aber ſolcher ſcheinender verluſt reichlich
wieder, wann ſo viele lande unter den gehorſam des Paͤbſtlichen ſtuls quo-
cunque modo kommen, welcher ſeine mittel gnug hat, zu ſeiner zeit allge-
mach alles zu redreſſiren, wie es ſein intereſſe erfordert, in welcher hoffnung
ſie eine zeitlang temporiſiren koͤnnen: da darf man ſich nicht ſo leicht mehr
foͤrchten vor einem neuen ausbrechenden ſchiſmate, ſondern weiß derſelben
gefahr, nachdem man einmal kluͤger worden, leichter vorzubeugen, als den
laͤngſt erlittenen verluſt auf immer zu verſchmertzen. Jch ſehe mich um wo
ich will, ſo finde nichts, worauf nur einige hoffnung etwas guten gruͤnden
koͤnte. Wir ſollen ſo zu reden zum voraus, auf einige declarationes
gewiſſer articul (die doch meiſtens endlich dahinaus lauffen wuͤrden, daß wir
bis daher mit ungleichen auflagen der catholiſchen kirchen unrecht gethan haͤt-
ten, und alſo die ſchuld auf uns und unſern voreltern erſitzen blibe) ſo dann
conceſſionem calicis, matrimonii clericorum und dergleichen catholiſch
werden, das iſt uns unter den voͤlligen gehorſam der kirchen (da wir aber
wol wiſſen, was ſolches wort heiſſe) begeben, und auf das nechſte conci-
lium
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
| URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702 |
| URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/154 |
| Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/154>, abgerufen am 24.11.2024. |
