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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
frage ist/ nicht dazu gehalten werden mögen/ sondern wo sonsten ihre busse zur
gnüge erhellet/ von ihren beicht-vätern ohne verletzung des gewissens zu der
absolution und communion mögen gelassen werden.
Der HERR gebe allen/ und auch diesen gefallenen/ die wahre
hertzens-buß und demuth vor GOTT und menschen/ uns aber weißheit/
wie mit jeglichem zum besten ihrer seelen zu handeln seye. Er reinige auch
seine kirche je mehr und mehr von allen in deroselben obschwebenden ärger-
nüssen/ und zeige die weise/ wie dieselbe am besten nach seiner ordnung davon
gereiniget werden möge/ daß sie ihre alte gestalt wieder bekomme/ und die al-
ten mittel wiederum heilsamlich gebraucht werden können/ um seiner ehre
willen.
SECTIO XXXII.
Von beförderung der wiederkehr der abgefalle-
nen. Ob man an orten/ da die gefahr des verlusts der
gantzen kirchen darauf stehet/ den abgefallenen/ wo
sie gern wiederkehren wolten/ den geistlichen
zuspruch versagen könte.

WEgen der an einiger rück-kehr gedenckender apostatarum will den
vorschlag versuchen. Bekenne zwar/ daß mir die zeit wegen des
anderen in der druckerey starck fortgehenden wercks enge zusam-
men gehe/ daß auch von andern geschäfften und ansprüchen eine weil befreyet
zu seyn/ und also ungehinderter an jenem arbeiten zu können/ 2. wochen
(ohne die samstag und sonntag in der kirchen offentlich habende verrichtun-
gen) aus meinem hauß gegangen/ jedoch will die noth solcher leute erfor-
deren/ daß man nach vermögen ihnen zu helffen suche. Der HERR gebe
nur darzu die nöthige weißheit und kraft seines heiligen Geistes/ ohne
dessen gnade und liecht wir nichts vermögen. Was die vorgelegte frage
anlangt/ ob man den abgefallenen den zuspruch der prediger/ wel-
chen sie verlangen/ versagen dörffte/
bekenne ich/ daß mich kaum auf
eine oder andere seite resolviren kan. Jedoch in denen mir etwas bekanten
umständen wolte ich endlich lieber auf die affirmativam mich wenden/ daß
man solches begehren abweisen müste. Die dazu nöthigende ursach ist/
nicht so wohl der befehl oder verbot der höchsten Obrigkeit (welcher knote
Apost. Gesch. 4. und 5. aufgelöset ist) noch auch die gefahr eines predigers/
dessen leben gegen erhaltung oder gewinnung einer Seelen nicht eben so
theuer geachtet werden möchte/ noch auch die gefahr der collusion und

be-
Das ſiebende Capitel.
frage iſt/ nicht dazu gehalten werden moͤgen/ ſondern wo ſonſten ihre buſſe zur
gnuͤge erhellet/ von ihren beicht-vaͤtern ohne verletzung des gewiſſens zu der
abſolution und communion moͤgen gelaſſen werden.
Der HERR gebe allen/ und auch dieſen gefallenen/ die wahre
hertzens-buß und demuth vor GOTT und menſchen/ uns aber weißheit/
wie mit jeglichem zum beſten ihrer ſeelen zu handeln ſeye. Er reinige auch
ſeine kirche je mehr und mehr von allen in deroſelben obſchwebenden aͤrger-
nuͤſſen/ und zeige die weiſe/ wie dieſelbe am beſten nach ſeiner ordnung davon
gereiniget werden moͤge/ daß ſie ihre alte geſtalt wieder bekomme/ und die al-
ten mittel wiederum heilſamlich gebraucht werden koͤnnen/ um ſeiner ehre
willen.
SECTIO XXXII.
Von befoͤrderung der wiederkehr der abgefalle-
nen. Ob man an orten/ da die gefahr des verluſts der
gantzen kirchen darauf ſtehet/ den abgefallenen/ wo
ſie gern wiederkehren wolten/ den geiſtlichen
zuſpruch verſagen koͤnte.

WEgen der an einiger ruͤck-kehr gedenckender apoſtatarum will den
vorſchlag verſuchen. Bekenne zwar/ daß mir die zeit wegen des
anderen in der druckerey ſtarck fortgehenden wercks enge zuſam-
men gehe/ daß auch von andern geſchaͤfften und anſpruͤchen eine weil befreyet
zu ſeyn/ und alſo ungehinderter an jenem arbeiten zu koͤnnen/ 2. wochen
(ohne die ſamſtag und ſonntag in der kirchen offentlich habende verrichtun-
gen) aus meinem hauß gegangen/ jedoch will die noth ſolcher leute erfor-
deren/ daß man nach vermoͤgen ihnen zu helffen ſuche. Der HERR gebe
nur darzu die noͤthige weißheit und kraft ſeines heiligen Geiſtes/ ohne
deſſen gnade und liecht wir nichts vermoͤgen. Was die vorgelegte frage
anlangt/ ob man den abgefallenen den zuſpruch der prediger/ wel-
chen ſie verlangen/ verſagen doͤrffte/
bekenne ich/ daß mich kaum auf
eine oder andere ſeite reſolviren kan. Jedoch in denen mir etwas bekanten
umſtaͤnden wolte ich endlich lieber auf die affirmativam mich wenden/ daß
man ſolches begehren abweiſen muͤſte. Die dazu noͤthigende urſach iſt/
nicht ſo wohl der befehl oder verbot der hoͤchſten Obrigkeit (welcher knote
Apoſt. Geſch. 4. und 5. aufgeloͤſet iſt) noch auch die gefahr eines predigers/
deſſen leben gegen erhaltung oder gewinnung einer Seelen nicht eben ſo
theuer geachtet werden moͤchte/ noch auch die gefahr der colluſion und

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[302/0314] Das ſiebende Capitel. frage iſt/ nicht dazu gehalten werden moͤgen/ ſondern wo ſonſten ihre buſſe zur gnuͤge erhellet/ von ihren beicht-vaͤtern ohne verletzung des gewiſſens zu der abſolution und communion moͤgen gelaſſen werden. Der HERR gebe allen/ und auch dieſen gefallenen/ die wahre hertzens-buß und demuth vor GOTT und menſchen/ uns aber weißheit/ wie mit jeglichem zum beſten ihrer ſeelen zu handeln ſeye. Er reinige auch ſeine kirche je mehr und mehr von allen in deroſelben obſchwebenden aͤrger- nuͤſſen/ und zeige die weiſe/ wie dieſelbe am beſten nach ſeiner ordnung davon gereiniget werden moͤge/ daß ſie ihre alte geſtalt wieder bekomme/ und die al- ten mittel wiederum heilſamlich gebraucht werden koͤnnen/ um ſeiner ehre willen. 1686. SECTIO XXXII. Von befoͤrderung der wiederkehr der abgefalle- nen. Ob man an orten/ da die gefahr des verluſts der gantzen kirchen darauf ſtehet/ den abgefallenen/ wo ſie gern wiederkehren wolten/ den geiſtlichen zuſpruch verſagen koͤnte. WEgen der an einiger ruͤck-kehr gedenckender apoſtatarum will den vorſchlag verſuchen. Bekenne zwar/ daß mir die zeit wegen des anderen in der druckerey ſtarck fortgehenden wercks enge zuſam- men gehe/ daß auch von andern geſchaͤfften und anſpruͤchen eine weil befreyet zu ſeyn/ und alſo ungehinderter an jenem arbeiten zu koͤnnen/ 2. wochen (ohne die ſamſtag und ſonntag in der kirchen offentlich habende verrichtun- gen) aus meinem hauß gegangen/ jedoch will die noth ſolcher leute erfor- deren/ daß man nach vermoͤgen ihnen zu helffen ſuche. Der HERR gebe nur darzu die noͤthige weißheit und kraft ſeines heiligen Geiſtes/ ohne deſſen gnade und liecht wir nichts vermoͤgen. Was die vorgelegte frage anlangt/ ob man den abgefallenen den zuſpruch der prediger/ wel- chen ſie verlangen/ verſagen doͤrffte/ bekenne ich/ daß mich kaum auf eine oder andere ſeite reſolviren kan. Jedoch in denen mir etwas bekanten umſtaͤnden wolte ich endlich lieber auf die affirmativam mich wenden/ daß man ſolches begehren abweiſen muͤſte. Die dazu noͤthigende urſach iſt/ nicht ſo wohl der befehl oder verbot der hoͤchſten Obrigkeit (welcher knote Apoſt. Geſch. 4. und 5. aufgeloͤſet iſt) noch auch die gefahr eines predigers/ deſſen leben gegen erhaltung oder gewinnung einer Seelen nicht eben ſo theuer geachtet werden moͤchte/ noch auch die gefahr der colluſion und be-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/314>, abgerufen am 22.11.2024.