Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.ARTIC. III. SECTIO VI. wordurch aber ich sorge/ daß der lauff der gottseligkeit mehr gehindert alsgefordert worden: Daher ich die anlaß genommen/ das tractätlein zu schreiben von der klagen über das verdorbene Christenthum rechtem gebrauch und mißbrauch. Nun sehe aus dessen briefen nicht gern/ daß eben dergleichen scrupel auch ihres orts bey einigen ansetzet/ und sor- ge/ daß dem werck des HERRN in beforderung des rechtschaffenen wesens in Christo JESU leicht dadurch einiger anstoß gemacht werden könne/ so der HERR in gnaden abwenden wolle. Daher auf die frage: Ob ein Christ GOttes ehre was vergebe/ wenn er von einem prediger/ der nicht in der rechtschaffenen erkäntnüß Christi stehet/ das abend- mahl empfähet/ und ob er dadurch sich der sünden des predigers theilhafftig mache? gantz wol von demselben geantwortet zu seyn glau- be. Wie denn kein eintziges der angeführten argumenten ist/ so ich nicht allerdings bündig und kräfftig zu seyn glaubte/ auch wol alle hie und dor- ten in dem gedachten tractat berühret haben mag. Einmal die trennung und daher entstehendes ärgernüß ist ein so grosses übel/ das nimmermehr durch den verhofften nutzen/ da man sein mißfallen an den bösen predigern durch das enthalten bezeugen wolte/ wieder ersetzet werden kan; Wie ich vielleicht selbst aus der erfahrung genug gelernet habe/ und desto hertz- licher aller orten davor warne; deßwegen sorge/ obwol aus gutmeynen- dem eyfer einige Christliche seelen solche ärgernüssen veranlassen/ daß sie doch/ da sie dergleichen vorsehen können/ ein grosses theil der sünden/ die daher entstehen/ mit auf ihre verantwortung vor GOTT laden. Das füh- rende argument von dem unterscheid/ den man zu machen habe unter per- son und amt/ ist kräfftig/ und dieser unterscheid nicht ein gesuchter ausflucht/ sondern in der wahrheit gegründet und in der schrifft bestätiget. Wir wissen/ was es mit den priestern in dem alten Testament zu den zeiten Je- remiä/ und nachmal Christi/ vor eine bewandnüß gehabt/ wie nemlich kaum ein stand in so schwerer verderbnüß gestanden als eben der ihrige/ wie deswegen auch Jeremias/ Johannes der täuffer und Christus ihrer nicht geschonet/ sondern ihre laster und böse führung ihres amts hefftig gestraf- fet/ niemal aber die leute von ihrem amte abgezogen haben; Wie denn dessen nicht das geringste vestigium zu finden wäre: ja wo unser Heyland und die propheten davor gehalten hätten/ daß man sich der gottlosen prie- ster amts/ um der ehre GOTTes nichts zu begeben/ und sich ihrer sün- de nicht theilhafftig zu machen/ entziehen solte/ würden sie selbst nicht ein- mal in den Tempel gekommen seyn/ als in dem alle hauptverrichtungen des GOttesdienstes bey den priestern stunden. So halte ich/ es wer- de IV. Theil. x x
ARTIC. III. SECTIO VI. wordurch aber ich ſorge/ daß der lauff der gottſeligkeit mehr gehindert alsgefordert worden: Daher ich die anlaß genommen/ das tractaͤtlein zu ſchreiben von der klagen uͤber das verdorbene Chriſtenthum rechtem gebrauch und mißbrauch. Nun ſehe aus deſſen briefen nicht gern/ daß eben dergleichen ſcrupel auch ihres orts bey einigen anſetzet/ und ſor- ge/ daß dem werck des HERRN in beforderung des rechtſchaffenen weſens in Chriſto JESU leicht dadurch einiger anſtoß gemacht werden koͤnne/ ſo der HERR in gnaden abwenden wolle. Daher auf die frage: Ob ein Chriſt GOttes ehre was vergebe/ wenn er von einem prediger/ der nicht in der rechtſchaffenen erkaͤntnuͤß Chriſti ſtehet/ das abend- mahl empfaͤhet/ und ob er dadurch ſich der ſuͤnden des predigers theilhafftig mache? gantz wol von demſelben geantwortet zu ſeyn glau- be. Wie denn kein eintziges der angefuͤhrten argumenten iſt/ ſo ich nicht allerdings buͤndig und kraͤfftig zu ſeyn glaubte/ auch wol alle hie und dor- ten in dem gedachten tractat beruͤhret haben mag. Einmal die trennung und daher entſtehendes aͤrgernuͤß iſt ein ſo groſſes uͤbel/ das nimmermehr durch den verhofften nutzen/ da man ſein mißfallen an den boͤſen predigern durch das enthalten bezeugen wolte/ wieder erſetzet werden kan; Wie ich vielleicht ſelbſt aus der erfahrung genug gelernet habe/ und deſto hertz- licher aller orten davor warne; deßwegen ſorge/ obwol aus gutmeynen- dem eyfer einige Chriſtliche ſeelen ſolche aͤrgernuͤſſen veranlaſſen/ daß ſie doch/ da ſie dergleichen vorſehen koͤnnen/ ein groſſes theil der ſuͤnden/ die daher entſtehen/ mit auf ihre verantwortung vor GOTT laden. Das fuͤh- rende argument von dem unterſcheid/ den man zu machen habe unter per- ſon und amt/ iſt kraͤfftig/ und dieſer unterſcheid nicht ein geſuchter ausflucht/ ſondern in der wahrheit gegruͤndet und in der ſchrifft beſtaͤtiget. Wir wiſſen/ was es mit den prieſtern in dem alten Teſtament zu den zeiten Je- remiaͤ/ und nachmal Chriſti/ vor eine bewandnuͤß gehabt/ wie nemlich kaum ein ſtand in ſo ſchwerer verderbnuͤß geſtanden als eben der ihrige/ wie deswegen auch Jeremias/ Johannes der taͤuffer und Chriſtus ihrer nicht geſchonet/ ſondern ihre laſter und boͤſe fuͤhrung ihres amts hefftig geſtraf- fet/ niemal aber die leute von ihrem amte abgezogen haben; Wie denn deſſen nicht das geringſte veſtigium zu finden waͤre: ja wo unſer Heyland und die propheten davor gehalten haͤtten/ daß man ſich der gottloſen prie- ſter amts/ um der ehre GOTTes nichts zu begeben/ und ſich ihrer ſuͤn- de nicht theilhafftig zu machen/ entziehen ſolte/ wuͤrden ſie ſelbſt nicht ein- mal in den Tempel gekommen ſeyn/ als in dem alle hauptverrichtungen des GOttesdienſtes bey den prieſtern ſtunden. So halte ich/ es wer- de IV. Theil. x x
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gefordert worden: Daher ich die anlaß genommen/ das tractaͤtlein zu
ſchreiben von der klagen uͤber das verdorbene Chriſtenthum rechtem
gebrauch und mißbrauch. Nun ſehe aus deſſen briefen nicht gern/
daß eben dergleichen ſcrupel auch ihres orts bey einigen anſetzet/ und ſor-
ge/ daß dem werck des HERRN in beforderung des rechtſchaffenen weſens
in Chriſto JESU leicht dadurch einiger anſtoß gemacht werden koͤnne/ ſo
der HERR in gnaden abwenden wolle. Daher auf die frage: Ob ein
Chriſt GOttes ehre was vergebe/ wenn er von einem prediger/
der nicht in der rechtſchaffenen erkaͤntnuͤß Chriſti ſtehet/ das abend-
mahl empfaͤhet/ und ob er dadurch ſich der ſuͤnden des predigers
theilhafftig mache? gantz wol von demſelben geantwortet zu ſeyn glau-
be. Wie denn kein eintziges der angefuͤhrten argumenten iſt/ ſo ich nicht
allerdings buͤndig und kraͤfftig zu ſeyn glaubte/ auch wol alle hie und dor-
ten in dem gedachten tractat beruͤhret haben mag. Einmal die trennung
und daher entſtehendes aͤrgernuͤß iſt ein ſo groſſes uͤbel/ das nimmermehr
durch den verhofften nutzen/ da man ſein mißfallen an den boͤſen predigern
durch das enthalten bezeugen wolte/ wieder erſetzet werden kan; Wie ich
vielleicht ſelbſt aus der erfahrung genug gelernet habe/ und deſto hertz-
licher aller orten davor warne; deßwegen ſorge/ obwol aus gutmeynen-
dem eyfer einige Chriſtliche ſeelen ſolche aͤrgernuͤſſen veranlaſſen/ daß ſie
doch/ da ſie dergleichen vorſehen koͤnnen/ ein groſſes theil der ſuͤnden/ die
daher entſtehen/ mit auf ihre verantwortung vor GOTT laden. Das fuͤh-
rende argument von dem unterſcheid/ den man zu machen habe unter per-
ſon und amt/ iſt kraͤfftig/ und dieſer unterſcheid nicht ein geſuchter ausflucht/
ſondern in der wahrheit gegruͤndet und in der ſchrifft beſtaͤtiget. Wir
wiſſen/ was es mit den prieſtern in dem alten Teſtament zu den zeiten Je-
remiaͤ/ und nachmal Chriſti/ vor eine bewandnuͤß gehabt/ wie nemlich
kaum ein ſtand in ſo ſchwerer verderbnuͤß geſtanden als eben der ihrige/ wie
deswegen auch Jeremias/ Johannes der taͤuffer und Chriſtus ihrer nicht
geſchonet/ ſondern ihre laſter und boͤſe fuͤhrung ihres amts hefftig geſtraf-
fet/ niemal aber die leute von ihrem amte abgezogen haben; Wie denn
deſſen nicht das geringſte veſtigium zu finden waͤre: ja wo unſer Heyland
und die propheten davor gehalten haͤtten/ daß man ſich der gottloſen prie-
ſter amts/ um der ehre GOTTes nichts zu begeben/ und ſich ihrer ſuͤn-
de nicht theilhafftig zu machen/ entziehen ſolte/ wuͤrden ſie ſelbſt nicht ein-
mal in den Tempel gekommen ſeyn/ als in dem alle hauptverrichtungen
des GOttesdienſtes bey den prieſtern ſtunden. So halte ich/ es wer-
de
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