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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC.. III. SECTIO VIII.
lassen. Jch wünsche zuletzt meinem hochgeehrten Herrn solche göttliche gna-
de/ aus und in dero er seine geliebte jugend also in der warheit gründen mö-
ge/ daß sie das fundament des glaubens JEsum Christum ihr lebenlang un-
verruckt behalten/ und darauf vieles gutes bauen/ um auch dorten das ende
des glaubens seliglich davon zu tragen.

SECTIO IIX.
Wegen einer Reformirten Gräfin privat-ex-
ercitio
und communion an Lutheri-
schem ort.

WAs den mir jetzo vorgelegten casum belanget wegen der Reformir-
ten Frau Gräfin achte ich/ die gantze sache beruhe auf den ehe-
pacten/ wo dieselbe ihr diese freyheit einiger übung ihrer religion
auf den fall alters oder schwachheit genommen/ so können wir deroselben
solche nicht versagen: Jndeme auch so gar die gethane versprüche/ die ohne
sunde nicht versprochen worden/ in gewissen stücken uns verbinden kön-
nen. Wie wir das exempel von Josua haben/ der den Gibeonitern die
freyheit versprochen wider dasjenige/ was sonsten GOTT befohlen hatte
mit den verbannten völckern zu thun/ nachdem aber solches geschehen/ nicht
ohne übereilen/ und also daß er von solchen leuten betrogen war worden/ so mu-
sie doch die zusage gehalten werden/ also daß da Saul in einem unbesonnenen
eyffer (vielleicht daß er den vorigen fehler wegen der Amalekiter wolte wie-
der einbringen) sie zu schlagen gesucht/ darüber der zorn GOTTES über
das volck und eine schwere rache über das hauß Sauls gekommen ist. 2.
Sam. 21/ 2. Also stehet uns dasjenige nicht mehr zu retractiren frey/ was
versprochen ist/ obwol in dem verspruch selbs gesündiget worden. Solte
aber auch schon in den ehe-pacten dergleichen nicht versehen seyn/ wüste ich
nicht/ ob nach unserer reichs-verfassung/ die in sothaner materie des exercitii
religionis
maß giebet/ den Herren söhnen schwer gemacht werden könte/ ih-
rer frau mutter diese bitte zu vergönnen. Und ist es herkommens/ daß stands-
personen die freyheit haben/ wo sie sind vor ihr privatum usum sich eines
predigers zu bedienen. Wie dann/ obwol die Reformirte alhier kein exer-
cium publicum
haben/ noch dergleichen ihnen würde gestattet werden/
gleich wol nicht gewehret wird/ wo eine fremde Fürstliche person bey sich
predigen lassen will/ so mehrmal bey der Fürstin von N N. geschehen/ nur daß
so viel geschehen kan/ verhütet wird/ daß nicht andere sich solcher gelegenheit
mit gebrauchen/ das man aber doch nicht verhüten kan. Was nun eine stadt

einer
IV. Theil. a a a

ARTIC.. III. SECTIO VIII.
laſſen. Jch wuͤnſche zuletzt meinem hochgeehrten Herrn ſolche goͤttliche gna-
de/ aus und in dero er ſeine geliebte jugend alſo in der warheit gruͤnden moͤ-
ge/ daß ſie das fundament des glaubens JEſum Chriſtum ihr lebenlang un-
verruckt behalten/ und darauf vieles gutes bauen/ um auch dorten das ende
des glaubens ſeliglich davon zu tragen.

SECTIO IIX.
Wegen einer Reformirten Graͤfin privat-ex-
ercitio
und communion an Lutheri-
ſchem ort.

WAs den mir jetzo vorgelegten caſum belanget wegen der Reformir-
ten Frau Graͤfin achte ich/ die gantze ſache beruhe auf den ehe-
pacten/ wo dieſelbe ihr dieſe freyheit einiger uͤbung ihrer religion
auf den fall alters oder ſchwachheit genommen/ ſo koͤnnen wir deroſelben
ſolche nicht verſagen: Jndeme auch ſo gar die gethane verſpruͤche/ die ohne
ſunde nicht verſprochen worden/ in gewiſſen ſtuͤcken uns verbinden koͤn-
nen. Wie wir das exempel von Joſua haben/ der den Gibeonitern die
freyheit verſprochen wider dasjenige/ was ſonſten GOTT befohlen hatte
mit den verbannten voͤlckern zu thun/ nachdem aber ſolches geſchehen/ nicht
ohne uͤbereilen/ und alſo daß er von ſolchen leuten betrogen war worden/ ſo mu-
ſie doch die zuſage gehalten werden/ alſo daß da Saul in einem unbeſonnenen
eyffer (vielleicht daß er den vorigen fehler wegen der Amalekiter wolte wie-
der einbringen) ſie zu ſchlagen geſucht/ daruͤber der zorn GOTTES uͤber
das volck und eine ſchwere rache uͤber das hauß Sauls gekommen iſt. 2.
Sam. 21/ 2. Alſo ſtehet uns dasjenige nicht mehr zu retractiren frey/ was
verſprochen iſt/ obwol in dem verſpruch ſelbs geſuͤndiget worden. Solte
aber auch ſchon in den ehe-pacten dergleichen nicht verſehen ſeyn/ wuͤſte ich
nicht/ ob nach unſerer reichs-verfaſſung/ die in ſothaner materie des exercitii
religionis
maß giebet/ den Herren ſoͤhnen ſchwer gemacht werden koͤnte/ ih-
rer frau mutter dieſe bitte zu vergoͤnnen. Und iſt es herkommens/ daß ſtands-
perſonen die freyheit haben/ wo ſie ſind vor ihr privatum uſum ſich eines
predigers zu bedienen. Wie dann/ obwol die Reformirte alhier kein exer-
cium publicum
haben/ noch dergleichen ihnen wuͤrde geſtattet werden/
gleich wol nicht gewehret wird/ wo eine fremde Fuͤrſtliche perſon bey ſich
predigen laſſen will/ ſo mehrmal bey der Fuͤrſtin von N N. geſchehen/ nur daß
ſo viel geſchehen kan/ verhuͤtet wird/ daß nicht andere ſich ſolcher gelegenheit
mit gebrauchen/ das man aber doch nicht verhuͤten kan. Was nun eine ſtadt

einer
IV. Theil. a a a
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[369/0381] ARTIC.. III. SECTIO VIII. laſſen. Jch wuͤnſche zuletzt meinem hochgeehrten Herrn ſolche goͤttliche gna- de/ aus und in dero er ſeine geliebte jugend alſo in der warheit gruͤnden moͤ- ge/ daß ſie das fundament des glaubens JEſum Chriſtum ihr lebenlang un- verruckt behalten/ und darauf vieles gutes bauen/ um auch dorten das ende des glaubens ſeliglich davon zu tragen. 1680. SECTIO IIX. Wegen einer Reformirten Graͤfin privat-ex- ercitio und communion an Lutheri- ſchem ort. WAs den mir jetzo vorgelegten caſum belanget wegen der Reformir- ten Frau Graͤfin achte ich/ die gantze ſache beruhe auf den ehe- pacten/ wo dieſelbe ihr dieſe freyheit einiger uͤbung ihrer religion auf den fall alters oder ſchwachheit genommen/ ſo koͤnnen wir deroſelben ſolche nicht verſagen: Jndeme auch ſo gar die gethane verſpruͤche/ die ohne ſunde nicht verſprochen worden/ in gewiſſen ſtuͤcken uns verbinden koͤn- nen. Wie wir das exempel von Joſua haben/ der den Gibeonitern die freyheit verſprochen wider dasjenige/ was ſonſten GOTT befohlen hatte mit den verbannten voͤlckern zu thun/ nachdem aber ſolches geſchehen/ nicht ohne uͤbereilen/ und alſo daß er von ſolchen leuten betrogen war worden/ ſo mu- ſie doch die zuſage gehalten werden/ alſo daß da Saul in einem unbeſonnenen eyffer (vielleicht daß er den vorigen fehler wegen der Amalekiter wolte wie- der einbringen) ſie zu ſchlagen geſucht/ daruͤber der zorn GOTTES uͤber das volck und eine ſchwere rache uͤber das hauß Sauls gekommen iſt. 2. Sam. 21/ 2. Alſo ſtehet uns dasjenige nicht mehr zu retractiren frey/ was verſprochen iſt/ obwol in dem verſpruch ſelbs geſuͤndiget worden. Solte aber auch ſchon in den ehe-pacten dergleichen nicht verſehen ſeyn/ wuͤſte ich nicht/ ob nach unſerer reichs-verfaſſung/ die in ſothaner materie des exercitii religionis maß giebet/ den Herren ſoͤhnen ſchwer gemacht werden koͤnte/ ih- rer frau mutter dieſe bitte zu vergoͤnnen. Und iſt es herkommens/ daß ſtands- perſonen die freyheit haben/ wo ſie ſind vor ihr privatum uſum ſich eines predigers zu bedienen. Wie dann/ obwol die Reformirte alhier kein exer- cium publicum haben/ noch dergleichen ihnen wuͤrde geſtattet werden/ gleich wol nicht gewehret wird/ wo eine fremde Fuͤrſtliche perſon bey ſich predigen laſſen will/ ſo mehrmal bey der Fuͤrſtin von N N. geſchehen/ nur daß ſo viel geſchehen kan/ verhuͤtet wird/ daß nicht andere ſich ſolcher gelegenheit mit gebrauchen/ das man aber doch nicht verhuͤten kan. Was nun eine ſtadt einer IV. Theil. a a a

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/381>, abgerufen am 22.11.2024.