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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. III. SECTIO XI.
ben gebrauch so bald das angefangene gute selbs wiederum verstöret. Wo
demnach GOTT von uns erfordert/ daß wir den Sabbath/ und also jetzt un-
seren Sonntag heiligen sollen/ so fordert er/ daß wir ihn also zu seinem dienst
von den andern tagen absondern sollen/ daß wir an demselben ihm allein dienen/
und damit wir ihm dienen mögen/ seine mittel/ durch die er uns heiligen/ und
also zu seinem dienst tüchtig machen will/ also gebrauchen sollen/ daß er dadurch
in uns wircken möge/ was ihm gefällig ist. Daher bestehet die feyer des lieben Sonn-
tags nicht nur/ ob zwar vornemlich/ darinnen/ daß eine Christliche gemeinde zu ge-
wisser zeit morgens zusammen komme/ und insgesamt GOttes wort höre/ mit
einander bete und singe/ und also ein oder zwey stunden zubringe. Denn der je-
nige muß die untüchtigkeit des menschlichen hertzens nicht genugsam erkennen/
welcher davor hält/ daß das hertz/ so die gantze woche mit meistens lauter zeit-
lichen sorgen und geschäfften umgegangen/ und sich nicht also zu GOtt erschwin-
gen hat können/ wie billich seyn solte/ in einer stunde von solchen sorgen und ge-
dancken befreyet/ zu dem dienst GOttes tüchtig gemacht/ und alles das jenige dar-
innen gewircket werden könte/ so zu GOttes heiligem dienst und dem werck unse-
rer heiligung/ die da stets in uns zunehmen und wachsen solte/ erfordert wird.
Sondern da etwa GOtt angefangen des menschen hertz durch das gehör seines
worts zu rühren/ und deswegen der mensch demselben bey sich platz geben solte/ so
wird alle solche wirckung unterbrochen/ und gehet eben damit ohne frucht ab/
wo der mensch wiederum alsobald zu solchen sachen sich wendet/ welche nicht al-
lein zu fortsetzung der angefangenen andacht nicht dienlich sind/ sondern wol gar
derselben stracks entgegen stehen. Man gedencke nur daran/ wo wir in der pre-
digt sind/ ob müglich sey/ daß ein auch aufmercksamer und der sache ohne das
wol verständiger aus der blossen anhörung einer solchen nach einander fliessenden
rede/ wo dieselbe auch aufs beste eingerichtet/ so viel fassen möge/ daß wo er
nach derer anhörung nicht mehr weiter daran gedencket/ sondern alsobalden an-
dern dingen nachhenget/ er nach einiger zeit viel davon wisse/ und nicht vielmehr
alles oder je das meiste ausgeschwitzet seyn werde? Wie viel unfruchtbarer
muß denn solch gehör bey einfältigern seyn/ bey denen es ohne das schwer
hergehet/ etwas zu fassen und zu behalten/ wo sie alles nur aus dem ein-
maligen gehör behalten solten? Und gleichwol ist es noch bey weiten mit
der behaltung oder anfüllung der gedächtnüß mit den concepten/ die man
gehöret/ nicht ausgemacht: Sondern solle das wort GOTTES mit der
geistlichen krafft fruchtbar in denen hertzen seyn/ so muß das gedächtnüß nicht
bloß damit angefüllet/ sondern das angehörte in dem hertzen also überleget und
erwogen werden/ daß man daraus erbauet werde. Hat man eine lehre ge-

höret/
IV. Theil. b b b

ARTIC. III. SECTIO XI.
ben gebrauch ſo bald das angefangene gute ſelbs wiederum verſtoͤret. Wo
demnach GOTT von uns erfordert/ daß wir den Sabbath/ und alſo jetzt un-
ſeren Sonntag heiligen ſollen/ ſo fordert er/ daß wir ihn alſo zu ſeinem dienſt
von den andern tagen abſondern ſollen/ daß wir an demſelben ihm allein dienen/
und damit wir ihm dienen moͤgen/ ſeine mittel/ durch die er uns heiligen/ und
alſo zu ſeinem dienſt tuͤchtig machen will/ alſo gebrauchen ſollen/ daß er dadurch
in uns wircken moͤge/ was ihm gefaͤllig iſt. Daher beſtehet die feyer des lieben Sonn-
tags nicht nur/ ob zwar vornemlich/ darinnen/ daß eine Chriſtliche gemeinde zu ge-
wiſſer zeit morgens zuſammen komme/ und insgeſamt GOttes wort hoͤre/ mit
einander bete und ſinge/ und alſo ein oder zwey ſtunden zubringe. Denn der je-
nige muß die untuͤchtigkeit des menſchlichen hertzens nicht genugſam erkennen/
welcher davor haͤlt/ daß das hertz/ ſo die gantze woche mit meiſtens lauter zeit-
lichen ſorgen und geſchaͤfften umgegangen/ und ſich nicht alſo zu GOtt erſchwin-
gen hat koͤnnen/ wie billich ſeyn ſolte/ in einer ſtunde von ſolchen ſorgen und ge-
dancken befreyet/ zu dem dienſt GOttes tuͤchtig gemacht/ und alles das jenige dar-
innen gewircket werden koͤnte/ ſo zu GOttes heiligem dienſt und dem werck unſe-
rer heiligung/ die da ſtets in uns zunehmen und wachſen ſolte/ erfordert wird.
Sondern da etwa GOtt angefangen des menſchen hertz durch das gehoͤr ſeines
worts zu ruͤhren/ und deswegen der menſch demſelben bey ſich platz geben ſolte/ ſo
wird alle ſolche wirckung unterbrochen/ und gehet eben damit ohne frucht ab/
wo der menſch wiederum alſobald zu ſolchen ſachen ſich wendet/ welche nicht al-
lein zu fortſetzung der angefangenen andacht nicht dienlich ſind/ ſondern wol gar
derſelben ſtracks entgegen ſtehen. Man gedencke nur daran/ wo wir in der pre-
digt ſind/ ob muͤglich ſey/ daß ein auch aufmerckſamer und der ſache ohne das
wol verſtaͤndiger aus der bloſſen anhoͤrung einer ſolchen nach einander flieſſenden
rede/ wo dieſelbe auch aufs beſte eingerichtet/ ſo viel faſſen moͤge/ daß wo er
nach derer anhoͤrung nicht mehr weiter daran gedencket/ ſondern alſobalden an-
dern dingen nachhenget/ er nach einiger zeit viel davon wiſſe/ und nicht vielmehr
alles oder je das meiſte ausgeſchwitzet ſeyn werde? Wie viel unfruchtbarer
muß denn ſolch gehoͤr bey einfaͤltigern ſeyn/ bey denen es ohne das ſchwer
hergehet/ etwas zu faſſen und zu behalten/ wo ſie alles nur aus dem ein-
maligen gehoͤr behalten ſolten? Und gleichwol iſt es noch bey weiten mit
der behaltung oder anfuͤllung der gedaͤchtnuͤß mit den concepten/ die man
gehoͤret/ nicht ausgemacht: Sondern ſolle das wort GOTTES mit der
geiſtlichen krafft fruchtbar in denen hertzen ſeyn/ ſo muß das gedaͤchtnuͤß nicht
bloß damit angefuͤllet/ ſondern das angehoͤrte in dem hertzen alſo uͤberleget und
erwogen werden/ daß man daraus erbauet werde. Hat man eine lehre ge-

hoͤret/
IV. Theil. b b b
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[377/0389] ARTIC. III. SECTIO XI. ben gebrauch ſo bald das angefangene gute ſelbs wiederum verſtoͤret. Wo demnach GOTT von uns erfordert/ daß wir den Sabbath/ und alſo jetzt un- ſeren Sonntag heiligen ſollen/ ſo fordert er/ daß wir ihn alſo zu ſeinem dienſt von den andern tagen abſondern ſollen/ daß wir an demſelben ihm allein dienen/ und damit wir ihm dienen moͤgen/ ſeine mittel/ durch die er uns heiligen/ und alſo zu ſeinem dienſt tuͤchtig machen will/ alſo gebrauchen ſollen/ daß er dadurch in uns wircken moͤge/ was ihm gefaͤllig iſt. Daher beſtehet die feyer des lieben Sonn- tags nicht nur/ ob zwar vornemlich/ darinnen/ daß eine Chriſtliche gemeinde zu ge- wiſſer zeit morgens zuſammen komme/ und insgeſamt GOttes wort hoͤre/ mit einander bete und ſinge/ und alſo ein oder zwey ſtunden zubringe. Denn der je- nige muß die untuͤchtigkeit des menſchlichen hertzens nicht genugſam erkennen/ welcher davor haͤlt/ daß das hertz/ ſo die gantze woche mit meiſtens lauter zeit- lichen ſorgen und geſchaͤfften umgegangen/ und ſich nicht alſo zu GOtt erſchwin- gen hat koͤnnen/ wie billich ſeyn ſolte/ in einer ſtunde von ſolchen ſorgen und ge- dancken befreyet/ zu dem dienſt GOttes tuͤchtig gemacht/ und alles das jenige dar- innen gewircket werden koͤnte/ ſo zu GOttes heiligem dienſt und dem werck unſe- rer heiligung/ die da ſtets in uns zunehmen und wachſen ſolte/ erfordert wird. Sondern da etwa GOtt angefangen des menſchen hertz durch das gehoͤr ſeines worts zu ruͤhren/ und deswegen der menſch demſelben bey ſich platz geben ſolte/ ſo wird alle ſolche wirckung unterbrochen/ und gehet eben damit ohne frucht ab/ wo der menſch wiederum alſobald zu ſolchen ſachen ſich wendet/ welche nicht al- lein zu fortſetzung der angefangenen andacht nicht dienlich ſind/ ſondern wol gar derſelben ſtracks entgegen ſtehen. Man gedencke nur daran/ wo wir in der pre- digt ſind/ ob muͤglich ſey/ daß ein auch aufmerckſamer und der ſache ohne das wol verſtaͤndiger aus der bloſſen anhoͤrung einer ſolchen nach einander flieſſenden rede/ wo dieſelbe auch aufs beſte eingerichtet/ ſo viel faſſen moͤge/ daß wo er nach derer anhoͤrung nicht mehr weiter daran gedencket/ ſondern alſobalden an- dern dingen nachhenget/ er nach einiger zeit viel davon wiſſe/ und nicht vielmehr alles oder je das meiſte ausgeſchwitzet ſeyn werde? Wie viel unfruchtbarer muß denn ſolch gehoͤr bey einfaͤltigern ſeyn/ bey denen es ohne das ſchwer hergehet/ etwas zu faſſen und zu behalten/ wo ſie alles nur aus dem ein- maligen gehoͤr behalten ſolten? Und gleichwol iſt es noch bey weiten mit der behaltung oder anfuͤllung der gedaͤchtnuͤß mit den concepten/ die man gehoͤret/ nicht ausgemacht: Sondern ſolle das wort GOTTES mit der geiſtlichen krafft fruchtbar in denen hertzen ſeyn/ ſo muß das gedaͤchtnuͤß nicht bloß damit angefuͤllet/ ſondern das angehoͤrte in dem hertzen alſo uͤberleget und erwogen werden/ daß man daraus erbauet werde. Hat man eine lehre ge- hoͤret/ IV. Theil. b b b

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/389>, abgerufen am 22.11.2024.