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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
höret/ daß man dieselbe also fasse/ daß man sich auch ins künfftige darinnen schicken
könne/ daß man sehe/ wie solche lehre in göttlichem wort gegründet seye/ und wir
sie etwa auf die allgemeineste und allen bekante einfältigste glaubens-gründe/ die
wir in dem Catechismo pflegen zu lernen/ sich beziehe. Jsts eine vermahnung ge-
wesen/ daß man nachdencke/ wie man derselben bedürfftig seye; wie man etwa
bisher auch in dem guten/ welchen von uns erfordert und GOttes wille darüber uns
vorgeleget worden/ säumig gewesen; wie wir etwa die sünden auch begangen/ die
gestraffet werden; wie man sich am besten dafür hüten könne: Um durch solche
betrachtung die hertzliche busse zu befördern/ und alsdenn mit neuem vorsatz sich ins
künfftige zu wapnen; damit also solche vermahnung nicht in den ohren bleibe/ son-
dern das hertz kräfftig damit bewogen werde. Dazu gleichwol erfordert wird/ daß
man nicht nur vergebens oder gleichsam im flug die wort angehöret habe (siehe Ja-
cob. 1/ 23. 24.
) Jst von trost gehandelt worden/ daß man denselben auch recht
lerne verstehen/ in was ordnung man desselben fähig seye; Wie man sich damit in
dieser und jener noth aufrichten wolte. Gewißlich wo dem göttlichen wort nicht
mit solcher nachbetrachtung (welche in aller einfalt geschehen mag/ und nur solche
hertzen erfodert/ die das gehörte auf sich zu appliciren begehren) platz gelassen wird/
und es seine krafft in uns erweise/ wo wir die himmlische speise nicht wiederkäuen/
so psiegts/ wie wir leider vor augen sehen/ täglich zu geschehen/ daß manche leute
viel hundert predigten nach einander hören/ und gleichwol nicht eine einige die
krafft gehabt/ sie zu bessern: nicht ob wäre das wort an sich heut zu tage nicht kräf-
tig genug/ die hertzen zu bewegen und zu ändern/ sondern weil sie demselben zu sei-
ner wirckung den raum nicht lassen: Sondern so zu reden das pflaster in dem au-
genblick wieder abthun/ ehe es anfängt etwas zu wircken. Wenn wir denn sehen
daß die anhörung göttliches worts uns noch nicht also heilige/ daß wir der krafft
desselben gnugsam theilhafftig würden/ zu GOttes preiß und unserer besserung/ es
sey denn daß auch der gute in der kirchen gemachte anfang zu hause forgesetzet wer-
de: So wird mir verhoffentlich ein gottseliger Christ nicht in abrede seyn können/
daß man die erforderte heiligung des Sabbaths (als welche darinnen bestehet/ daß
wir geheiliget werden/ um GOTT heilig zu dienen) nicht bloß in der stunde er-
füllet werde/ die man in der kirche zugebracht/ sondern es gehören noch weitere hei-
lige übungen darzu/ damit das gehör nicht unfruchtbar seye. Wie auch die alte
kirche es gehalten/ als davon zeugen die worte Apollonii (wie sie Palladius in sei-
nem leben aufgezeichnet) Die Dominica nihil aliud agendum est, nisi DEO
vacandum. Nulla operatio in illa die sancta
agarur, nisi tantum hymnis
& psalmis & canticis spiritualibus dies illa transigatur
. Sonntags soll
man nichts anders thun, als GOTT abwarten. Rein werck soll man an
solchem heiligen tage verrichten, als daß man nur denselben zubringe mit
lob-gesängen/ psalmen, und geistlichen liedern.
Und Augustinus serm.

251.

Das ſiebende Capitel.
hoͤret/ daß man dieſelbe alſo faſſe/ daß man ſich auch ins kuͤnfftige darinnen ſchicken
koͤnne/ daß man ſehe/ wie ſolche lehre in goͤttlichem wort gegruͤndet ſeye/ und wir
ſie etwa auf die allgemeineſte und allen bekante einfaͤltigſte glaubens-gruͤnde/ die
wir in dem Catechismo pflegen zu lernen/ ſich beziehe. Jſts eine vermahnung ge-
weſen/ daß man nachdencke/ wie man derſelben beduͤrfftig ſeye; wie man etwa
bisher auch in dem guten/ welchen von uns erfordert und GOttes wille daruͤber uns
vorgeleget worden/ ſaͤumig geweſen; wie wir etwa die ſuͤnden auch begangen/ die
geſtraffet werden; wie man ſich am beſten dafuͤr huͤten koͤnne: Um durch ſolche
betrachtung die hertzliche buſſe zu befoͤrdern/ und alsdenn mit neuem vorſatz ſich ins
kuͤnfftige zu wapnen; damit alſo ſolche vermahnung nicht in den ohren bleibe/ ſon-
dern das hertz kraͤfftig damit bewogen werde. Dazu gleichwol erfordert wird/ daß
man nicht nur vergebens oder gleichſam im flug die wort angehoͤret habe (ſiehe Ja-
cob. 1/ 23. 24.
) Jſt von troſt gehandelt worden/ daß man denſelben auch recht
lerne verſtehen/ in was ordnung man deſſelben faͤhig ſeye; Wie man ſich damit in
dieſer und jener noth aufrichten wolte. Gewißlich wo dem goͤttlichen wort nicht
mit ſolcher nachbetrachtung (welche in aller einfalt geſchehen mag/ und nur ſolche
hertzen erfodert/ die das gehoͤrte auf ſich zu appliciren begehren) platz gelaſſen wird/
und es ſeine krafft in uns erweiſe/ wo wir die himmliſche ſpeiſe nicht wiederkaͤuen/
ſo pſiegts/ wie wir leider vor augen ſehen/ taͤglich zu geſchehen/ daß manche leute
viel hundert predigten nach einander hoͤren/ und gleichwol nicht eine einige die
krafft gehabt/ ſie zu beſſern: nicht ob waͤre das wort an ſich heut zu tage nicht kraͤf-
tig genug/ die hertzen zu bewegen und zu aͤndern/ ſondern weil ſie demſelben zu ſei-
ner wirckung den raum nicht laſſen: Sondern ſo zu reden das pflaſter in dem au-
genblick wieder abthun/ ehe es anfaͤngt etwas zu wircken. Wenn wir denn ſehen
daß die anhoͤrung goͤttliches worts uns noch nicht alſo heilige/ daß wir der krafft
deſſelben gnugſam theilhafftig wuͤrden/ zu GOttes preiß und unſerer beſſerung/ es
ſey denn daß auch der gute in der kirchen gemachte anfang zu hauſe forgeſetzet wer-
de: So wird mir verhoffentlich ein gottſeliger Chriſt nicht in abrede ſeyn koͤnnen/
daß man die erforderte heiligung des Sabbaths (als welche darinnen beſtehet/ daß
wir geheiliget werden/ um GOTT heilig zu dienen) nicht bloß in der ſtunde er-
fuͤllet werde/ die man in der kirche zugebracht/ ſondern es gehoͤren noch weitere hei-
lige uͤbungen darzu/ damit das gehoͤr nicht unfruchtbar ſeye. Wie auch die alte
kirche es gehalten/ als davon zeugen die worte Apollonii (wie ſie Palladius in ſei-
nem leben aufgezeichnet) Die Dominica nihil aliud agendum eſt, niſi DEO
vacandum. Nulla operatio in illa die ſancta
agarur, niſi tantum hymnis
& pſalmis & canticis ſpiritualibus dies illa tranſigatur
. Sonntags ſoll
man nichts anders thun, als GOTT abwarten. Rein werck ſoll man an
ſolchem heiligen tage verrichten, als daß man nur denſelben zubringe mit
lob-geſaͤngen/ pſalmen, und geiſtlichen liedern.
Und Auguſtinus ſerm.

251.
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[378/0390] Das ſiebende Capitel. hoͤret/ daß man dieſelbe alſo faſſe/ daß man ſich auch ins kuͤnfftige darinnen ſchicken koͤnne/ daß man ſehe/ wie ſolche lehre in goͤttlichem wort gegruͤndet ſeye/ und wir ſie etwa auf die allgemeineſte und allen bekante einfaͤltigſte glaubens-gruͤnde/ die wir in dem Catechismo pflegen zu lernen/ ſich beziehe. Jſts eine vermahnung ge- weſen/ daß man nachdencke/ wie man derſelben beduͤrfftig ſeye; wie man etwa bisher auch in dem guten/ welchen von uns erfordert und GOttes wille daruͤber uns vorgeleget worden/ ſaͤumig geweſen; wie wir etwa die ſuͤnden auch begangen/ die geſtraffet werden; wie man ſich am beſten dafuͤr huͤten koͤnne: Um durch ſolche betrachtung die hertzliche buſſe zu befoͤrdern/ und alsdenn mit neuem vorſatz ſich ins kuͤnfftige zu wapnen; damit alſo ſolche vermahnung nicht in den ohren bleibe/ ſon- dern das hertz kraͤfftig damit bewogen werde. Dazu gleichwol erfordert wird/ daß man nicht nur vergebens oder gleichſam im flug die wort angehoͤret habe (ſiehe Ja- cob. 1/ 23. 24.) Jſt von troſt gehandelt worden/ daß man denſelben auch recht lerne verſtehen/ in was ordnung man deſſelben faͤhig ſeye; Wie man ſich damit in dieſer und jener noth aufrichten wolte. Gewißlich wo dem goͤttlichen wort nicht mit ſolcher nachbetrachtung (welche in aller einfalt geſchehen mag/ und nur ſolche hertzen erfodert/ die das gehoͤrte auf ſich zu appliciren begehren) platz gelaſſen wird/ und es ſeine krafft in uns erweiſe/ wo wir die himmliſche ſpeiſe nicht wiederkaͤuen/ ſo pſiegts/ wie wir leider vor augen ſehen/ taͤglich zu geſchehen/ daß manche leute viel hundert predigten nach einander hoͤren/ und gleichwol nicht eine einige die krafft gehabt/ ſie zu beſſern: nicht ob waͤre das wort an ſich heut zu tage nicht kraͤf- tig genug/ die hertzen zu bewegen und zu aͤndern/ ſondern weil ſie demſelben zu ſei- ner wirckung den raum nicht laſſen: Sondern ſo zu reden das pflaſter in dem au- genblick wieder abthun/ ehe es anfaͤngt etwas zu wircken. Wenn wir denn ſehen daß die anhoͤrung goͤttliches worts uns noch nicht alſo heilige/ daß wir der krafft deſſelben gnugſam theilhafftig wuͤrden/ zu GOttes preiß und unſerer beſſerung/ es ſey denn daß auch der gute in der kirchen gemachte anfang zu hauſe forgeſetzet wer- de: So wird mir verhoffentlich ein gottſeliger Chriſt nicht in abrede ſeyn koͤnnen/ daß man die erforderte heiligung des Sabbaths (als welche darinnen beſtehet/ daß wir geheiliget werden/ um GOTT heilig zu dienen) nicht bloß in der ſtunde er- fuͤllet werde/ die man in der kirche zugebracht/ ſondern es gehoͤren noch weitere hei- lige uͤbungen darzu/ damit das gehoͤr nicht unfruchtbar ſeye. Wie auch die alte kirche es gehalten/ als davon zeugen die worte Apollonii (wie ſie Palladius in ſei- nem leben aufgezeichnet) Die Dominica nihil aliud agendum eſt, niſi DEO vacandum. Nulla operatio in illa die ſancta agarur, niſi tantum hymnis & pſalmis & canticis ſpiritualibus dies illa tranſigatur. Sonntags ſoll man nichts anders thun, als GOTT abwarten. Rein werck ſoll man an ſolchem heiligen tage verrichten, als daß man nur denſelben zubringe mit lob-geſaͤngen/ pſalmen, und geiſtlichen liedern. Und Auguſtinus ſerm. 251.

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/390>, abgerufen am 22.11.2024.