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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
zu gehen/ damit sie wissen/ wo sie die kinder hinschicken können: nicht aber jemanden
darzu zu nöthigen/ der selbs an seinen kindern was nöthig ist/ auszurichten getrau-
et/ oder aber andere anstalten vor die seinige/ es seye durch privat-praeceptores
oder gemeinschafftliche unterrichtung ihrer mehreren/ wissende/ sich dieselbe vor-
träglicher achtet. Daher solchen eltern/ die ihrer freyheit sich gebrauchen wollen/
aus redlichen ursachen ihre kinder ausser der allgemeinen schulen zu erziehen/ mit
guten anstalten an hand zu gehen/ kan nicht anders als gut seyn/ und ist der allge-
meine liebes beruff. Hingegen diejenige/ so die ihrige den verordneten praecepto-
ribus
übergeben/ beruffen dieselbe zu solcher privat-schul durch übertragung eines
gewissen stücks ihres elterlichen beruffs/ so wohl als die Obrigkeit als allgemeine
väter publica autoritate einige zu den gemeinen schulen beruffen.
4. Das einige möchte mit meistem schein entgegen gehalten werden/ daß man
dardurch denjenigen/ die zu den öffentlichen schulen beruffen sind/ schaden und ab-
bruch thue. Es ist aber 1. bereits erinnert/ daß der öffentliche beruff zu den schu-
len/ die beruffene zu aller treu an denen/ welche ihnen gegeben werden/ verbinde/
hingegen ohne sonderbares gesetz oder verbot anderer anstalten/ die eltern nicht e-
ben an jene binde. 2. Da man den eltern die freyheit lässet/ ihre kinder privatim
unterrichten zu lassen/ oder sie in fremde schulen zu schicken/ in welchem fall die
einheimische schulen von solchen personen auch keinen zugang haben/ so ist dieser vor-
wendung auch keine gnugsame ursach/ warum privat-schulen deswegen solten ver-
boten seyn. 3. Wo auch/ die es macht haben/ der öffentlichen schulen mehr an-
ordnen/ gehet so fern jeglicher an der frequenz und einkünfften etwas ab/ und wird
solches doch nicht vor unrecht gehalten. 4. Wo es auf solche klage ankommt/
möchte von den obern etwa verordnet werden/ daß diejenige/ welche die ihre in
privat-anstalten erziehen lassen/ um des vortheils willen/ den sie darvon hoffen/
zur erkäntlichkeit auch etwas gewisses zu der unterhaltung der öffentlichen beytra-
gen: so auf einer ziemlichen billigkeit beruhet. 5. Die offentlichen schulen sind
wegen ihrer vielen mängel selbs schuld/ daß einige an solche privat-anstalten geden-
cken/ und haben also den schaden sich ziemlichen theils zuzuschreiben.
5. Solle aber keine rechtmäßige klage über dergleichen privata paedagogia
geführet werden/ sind die sie anstellen/ und darinnen informiren/ doch schul-
dig/ sich der oberaufsicht jedes orts Obrigkeit und Predigsamts willig zu unter-
geben/ als denen zukommt/ auf alles unter denen/ die ihnen unterworffen sind/
acht zu geben/ daß nichts auch in dergleichen besonderen anstalten vorgehe/ das
im geist-oder weltlichen dem gemeinen besten nachtheilig seye/ welches sonderlich
in zweyerley geschehen könte/ wo nehmlich entweder die jugend schändlich versäu-
met/ oder ihnen böses an stat gutes beygebracht würde: wo hingegen diese In-
spection
darzukommt/ und nicht gescheuet wird/ wird wohl nichts erhebliches
gegen
Das ſiebende Capitel.
zu gehen/ damit ſie wiſſen/ wo ſie die kinder hinſchicken koͤnnen: nicht aber jemanden
darzu zu noͤthigen/ der ſelbs an ſeinen kindern was noͤthig iſt/ auszurichten getrau-
et/ oder aber andere anſtalten vor die ſeinige/ es ſeye durch privat-præceptores
oder gemeinſchafftliche unterrichtung ihrer mehreren/ wiſſende/ ſich dieſelbe vor-
traͤglicher achtet. Daher ſolchen eltern/ die ihrer freyheit ſich gebrauchen wollen/
aus redlichen urſachen ihre kinder auſſer der allgemeinen ſchulen zu erziehen/ mit
guten anſtalten an hand zu gehen/ kan nicht anders als gut ſeyn/ und iſt der allge-
meine liebes beruff. Hingegen diejenige/ ſo die ihrige den verordneten præcepto-
ribus
uͤbergeben/ beruffen dieſelbe zu ſolcher privat-ſchul durch uͤbertragung eines
gewiſſen ſtuͤcks ihres elterlichen beruffs/ ſo wohl als die Obrigkeit als allgemeine
vaͤter publica autoritate einige zu den gemeinen ſchulen beruffen.
4. Das einige moͤchte mit meiſtem ſchein entgegen gehalten werden/ daß man
dardurch denjenigen/ die zu den oͤffentlichen ſchulen beruffen ſind/ ſchaden und ab-
bruch thue. Es iſt aber 1. bereits erinnert/ daß der oͤffentliche beruff zu den ſchu-
len/ die beruffene zu aller treu an denen/ welche ihnen gegeben werden/ verbinde/
hingegen ohne ſonderbares geſetz oder verbot anderer anſtalten/ die eltern nicht e-
ben an jene binde. 2. Da man den eltern die freyheit laͤſſet/ ihre kinder privatim
unterrichten zu laſſen/ oder ſie in fremde ſchulen zu ſchicken/ in welchem fall die
einheimiſche ſchulen von ſolchen perſonen auch keinen zugang haben/ ſo iſt dieſer vor-
wendung auch keine gnugſame urſach/ warum privat-ſchulen deswegen ſolten ver-
boten ſeyn. 3. Wo auch/ die es macht haben/ der oͤffentlichen ſchulen mehr an-
ordnen/ gehet ſo fern jeglicher an der frequenz und einkuͤnfften etwas ab/ und wird
ſolches doch nicht vor unrecht gehalten. 4. Wo es auf ſolche klage ankommt/
moͤchte von den obern etwa verordnet werden/ daß diejenige/ welche die ihre in
privat-anſtalten erziehen laſſen/ um des vortheils willen/ den ſie darvon hoffen/
zur erkaͤntlichkeit auch etwas gewiſſes zu der unterhaltung der oͤffentlichen beytra-
gen: ſo auf einer ziemlichen billigkeit beruhet. 5. Die offentlichen ſchulen ſind
wegen ihrer vielen maͤngel ſelbs ſchuld/ daß einige an ſolche privat-anſtalten geden-
cken/ und haben alſo den ſchaden ſich ziemlichen theils zuzuſchreiben.
5. Solle aber keine rechtmaͤßige klage uͤber dergleichen privata pædagogia
gefuͤhret werden/ ſind die ſie anſtellen/ und darinnen informiren/ doch ſchul-
dig/ ſich der oberaufſicht jedes orts Obrigkeit und Predigsamts willig zu unter-
geben/ als denen zukommt/ auf alles unter denen/ die ihnen unterworffen ſind/
acht zu geben/ daß nichts auch in dergleichen beſonderen anſtalten vorgehe/ das
im geiſt-oder weltlichen dem gemeinen beſten nachtheilig ſeye/ welches ſonderlich
in zweyerley geſchehen koͤnte/ wo nehmlich entweder die jugend ſchaͤndlich verſaͤu-
met/ oder ihnen boͤſes an ſtat gutes beygebracht wuͤrde: wo hingegen dieſe In-
ſpection
darzukommt/ und nicht geſcheuet wird/ wird wohl nichts erhebliches
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[390/0402] Das ſiebende Capitel. zu gehen/ damit ſie wiſſen/ wo ſie die kinder hinſchicken koͤnnen: nicht aber jemanden darzu zu noͤthigen/ der ſelbs an ſeinen kindern was noͤthig iſt/ auszurichten getrau- et/ oder aber andere anſtalten vor die ſeinige/ es ſeye durch privat-præceptores oder gemeinſchafftliche unterrichtung ihrer mehreren/ wiſſende/ ſich dieſelbe vor- traͤglicher achtet. Daher ſolchen eltern/ die ihrer freyheit ſich gebrauchen wollen/ aus redlichen urſachen ihre kinder auſſer der allgemeinen ſchulen zu erziehen/ mit guten anſtalten an hand zu gehen/ kan nicht anders als gut ſeyn/ und iſt der allge- meine liebes beruff. Hingegen diejenige/ ſo die ihrige den verordneten præcepto- ribus uͤbergeben/ beruffen dieſelbe zu ſolcher privat-ſchul durch uͤbertragung eines gewiſſen ſtuͤcks ihres elterlichen beruffs/ ſo wohl als die Obrigkeit als allgemeine vaͤter publica autoritate einige zu den gemeinen ſchulen beruffen. 4. Das einige moͤchte mit meiſtem ſchein entgegen gehalten werden/ daß man dardurch denjenigen/ die zu den oͤffentlichen ſchulen beruffen ſind/ ſchaden und ab- bruch thue. Es iſt aber 1. bereits erinnert/ daß der oͤffentliche beruff zu den ſchu- len/ die beruffene zu aller treu an denen/ welche ihnen gegeben werden/ verbinde/ hingegen ohne ſonderbares geſetz oder verbot anderer anſtalten/ die eltern nicht e- ben an jene binde. 2. Da man den eltern die freyheit laͤſſet/ ihre kinder privatim unterrichten zu laſſen/ oder ſie in fremde ſchulen zu ſchicken/ in welchem fall die einheimiſche ſchulen von ſolchen perſonen auch keinen zugang haben/ ſo iſt dieſer vor- wendung auch keine gnugſame urſach/ warum privat-ſchulen deswegen ſolten ver- boten ſeyn. 3. Wo auch/ die es macht haben/ der oͤffentlichen ſchulen mehr an- ordnen/ gehet ſo fern jeglicher an der frequenz und einkuͤnfften etwas ab/ und wird ſolches doch nicht vor unrecht gehalten. 4. Wo es auf ſolche klage ankommt/ moͤchte von den obern etwa verordnet werden/ daß diejenige/ welche die ihre in privat-anſtalten erziehen laſſen/ um des vortheils willen/ den ſie darvon hoffen/ zur erkaͤntlichkeit auch etwas gewiſſes zu der unterhaltung der oͤffentlichen beytra- gen: ſo auf einer ziemlichen billigkeit beruhet. 5. Die offentlichen ſchulen ſind wegen ihrer vielen maͤngel ſelbs ſchuld/ daß einige an ſolche privat-anſtalten geden- cken/ und haben alſo den ſchaden ſich ziemlichen theils zuzuſchreiben. 5. Solle aber keine rechtmaͤßige klage uͤber dergleichen privata pædagogia gefuͤhret werden/ ſind die ſie anſtellen/ und darinnen informiren/ doch ſchul- dig/ ſich der oberaufſicht jedes orts Obrigkeit und Predigsamts willig zu unter- geben/ als denen zukommt/ auf alles unter denen/ die ihnen unterworffen ſind/ acht zu geben/ daß nichts auch in dergleichen beſonderen anſtalten vorgehe/ das im geiſt-oder weltlichen dem gemeinen beſten nachtheilig ſeye/ welches ſonderlich in zweyerley geſchehen koͤnte/ wo nehmlich entweder die jugend ſchaͤndlich verſaͤu- met/ oder ihnen boͤſes an ſtat gutes beygebracht wuͤrde: wo hingegen dieſe In- ſpection darzukommt/ und nicht geſcheuet wird/ wird wohl nichts erhebliches gegen

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/402>, abgerufen am 22.11.2024.