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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
allerseits reich werden. Was hingegen von dem zustand ihres lieben Schlesien (des-
sen auch vor Gott täglich gedencke, angehenget, war hingegen so viel betrüblicher, ob
mich zwar darüber nichts verwundere, denn es ist leider die allgemeine klage, und wie
ein teufel ist, welcher aller orten dem reich Christi sich widersetzet, also sind auch seine
anschläge aller orten zu einem zweck gerichtet. Wolte GOtt aber, sie richteten nicht
an allen orten auch einerley aus, welches wir gleichwol leider klagen müssen, daß
was das verderben der kirchen anlangt, dasselbe aller orten einerley seye, nur daß die
boßheit an einem ort verdeckter, an dem andern ort offenbarer ist, u. nach der äusser-
lichen bewandnüß jedes orts, dessen verfassung und personen, an einem ort in diesem,
an anderm in andern stücken, deutlicher ausbricht. Wie einerley gift in unterschied-
lichen leibern nach dero bewandnüß unterschiedliche, ob wol alle tödtliche sympto-
mata
wircket. Also müssen wir uns in diese zeiten des gerichts schicken lernen; wel-
ches gericht gewißlich nicht nur in der gewalt, so den feinden äusserlich gegen uns ge-
stattet wird, bestehet, sondern auch darinnen, daß der feind alles in dem heiligthum
selbs verdorben, und es dazu kommen ist, daß keine heilsame consilia anschlagen wol-
len, sondern uns Gott selbsten also ein bronn, der nicht quellen will, Jer. 15, 18. worden
zu seyn scheinet. Es bestehet aber das schrecken in solcher zeit darinnen, daß wir weder
wider die heilige verhängnüß GOttes murren, noch wegen nicht folgenden verlang-
ten nachdrucks in unsrer arbeit müde werden und nachlassen, vielweniger mit der
welt, weil doch wider sie nichts auszurichten, selbs mitzumachen anfangen: sondern
daß wir desto ernstlicher beten, so viel treulicher unsre arbeit fortsetzen, und der hülffe
des HERRN zu ihm bekanter und bestimter zeit mit gedult erwarten. Ach der
HERR wircke solches in uns allen! Daß auch die welt denen, die ihrer art
nicht sind, nicht eben die angenehmste titul giebet, ist die alte deroselben gewohn-
heit, nur daß die namen nach zeit, ort und gelegenheit abwechseln. Daß man
aber von Spenerianern redet (welcher name leider nicht nur bey ihm, sondern
noch an vielen orten in und ausser Teutschland gehöret worden) hätte ursach mich
zu betrüben, wo einige gelegenheit dazu gegeben hätte, indessen venerire die gött-
liche verhängnüß, so über meinen namen dergleichen ergehen läßt, und mich da-
durch demüthiget. Die sache aber selbs anlangend, hoffe, daß jederman, so
mich kennet, mich also finden werde/ daß ich vielmehr alle secten abgestellt, und
alles zu der wahren einigkeit, die eine in CHristo JESU ist, wieder gebracht
zu werden verlangte, als daß ich einige neue secte, wie mein name mißbrauchet
wird, anzufangen muth hätte. So ists ja seltsam, da alle secten ihre gewisse leh-
ren und irrthume haben, die ihnen eigen sind, und sie gleichsam sich damit be-
zeichnen lassen, daß dann meine so genante secte keine besondere articul hat, da-
mit sie von andern unterschieden wäre. Wolte man zwar diejenige lehren ausdru-
cken, um welcher willen ich finde, daß ich so andern also sonderlich die unsers ordens
sind, ein dorn in den augen bin, und die sie gern nicht so eifrig getrieben zu werden

ver-

Das ſiebende Capitel.
allerſeits reich werden. Was hingegen von dem zuſtand ihres lieben Schleſien (deſ-
ſen auch vor Gott taͤglich gedencke, angehenget, war hingegen ſo viel betruͤblicher, ob
mich zwar daruͤber nichts verwundeꝛe, denn es iſt leideꝛ die allgemeine klage, und wie
ein teufel iſt, welcher aller orten dem reich Chriſti ſich widerſetzet, alſo ſind auch ſeine
anſchlaͤge aller orten zu einem zweck gerichtet. Wolte GOtt aber, ſie richteten nicht
an allen orten auch einerley aus, welches wir gleichwol leider klagen muͤſſen, daß
was das verderben der kirchen anlangt, daſſelbe aller orten einerley ſeye, nur daß die
boßheit an einem ort verdeckter, an dem andern ort offenbarer iſt, u. nach der aͤuſſeꝛ-
lichen bewandnuͤß jedes orts, deſſen verfaſſung und perſonen, an einem ort in dieſem,
an anderm in andern ſtuͤcken, deutlicher ausbricht. Wie einerley gift in unterſchied-
lichen leibern nach dero bewandnuͤß unterſchiedliche, ob wol alle toͤdtliche ſympto-
mata
wircket. Alſo muͤſſen wir uns in dieſe zeiten des gerichts ſchicken lernen; wel-
ches gericht gewißlich nicht nur in der gewalt, ſo den feinden aͤuſſerlich gegen uns ge-
ſtattet wird, beſtehet, ſondern auch darinnen, daß der feind alles in dem heiligthum
ſelbs veꝛdoꝛben, und es dazu kommen iſt, daß keine heilſame conſilia anſchlagen wol-
len, ſondern uns Gott ſelbſten alſo ein bronn, der nicht quellen will, Jer. 15, 18. worden
zu ſeyn ſcheinet. Es beſtehet aber das ſchrecken in ſolcher zeit darinnen, daß wir weder
wider die heilige verhaͤngnuͤß GOttes murren, noch wegen nicht folgenden verlang-
ten nachdrucks in unſrer arbeit muͤde werden und nachlaſſen, vielweniger mit der
welt, weil doch wider ſie nichts auszurichten, ſelbs mitzumachen anfangen: ſondern
daß wir deſto ernſtlicher beten, ſo viel treulicher unſre arbeit fortſetzen, und der huͤlffe
des HERRN zu ihm bekanter und beſtimter zeit mit gedult erwarten. Ach der
HERR wircke ſolches in uns allen! Daß auch die welt denen, die ihrer art
nicht ſind, nicht eben die angenehmſte titul giebet, iſt die alte deroſelben gewohn-
heit, nur daß die namen nach zeit, ort und gelegenheit abwechſeln. Daß man
aber von Spenerianern redet (welcher name leider nicht nur bey ihm, ſondern
noch an vielen orten in und auſſer Teutſchland gehoͤret worden) haͤtte urſach mich
zu betruͤben, wo einige gelegenheit dazu gegeben haͤtte, indeſſen venerire die goͤtt-
liche verhaͤngnuͤß, ſo uͤber meinen namen dergleichen ergehen laͤßt, und mich da-
durch demuͤthiget. Die ſache aber ſelbs anlangend, hoffe, daß jederman, ſo
mich kennet, mich alſo finden werde/ daß ich vielmehr alle ſecten abgeſtellt, und
alles zu der wahren einigkeit, die eine in CHriſto JESU iſt, wieder gebracht
zu werden verlangte, als daß ich einige neue ſecte, wie mein name mißbrauchet
wird, anzufangen muth haͤtte. So iſts ja ſeltſam, da alle ſecten ihre gewiſſe leh-
ren und irrthume haben, die ihnen eigen ſind, und ſie gleichſam ſich damit be-
zeichnen laſſen, daß dann meine ſo genante ſecte keine beſondere articul hat, da-
mit ſie von andern unterſchieden waͤre. Wolte man zwar diejenige lehren ausdru-
cken, um welcher willen ich finde, daß ich ſo andern alſo ſonderlich die unſers ordens
ſind, ein dorn in den augen bin, und die ſie gern nicht ſo eifrig getrieben zu werden

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[596/0608] Das ſiebende Capitel. allerſeits reich werden. Was hingegen von dem zuſtand ihres lieben Schleſien (deſ- ſen auch vor Gott taͤglich gedencke, angehenget, war hingegen ſo viel betruͤblicher, ob mich zwar daruͤber nichts verwundeꝛe, denn es iſt leideꝛ die allgemeine klage, und wie ein teufel iſt, welcher aller orten dem reich Chriſti ſich widerſetzet, alſo ſind auch ſeine anſchlaͤge aller orten zu einem zweck gerichtet. Wolte GOtt aber, ſie richteten nicht an allen orten auch einerley aus, welches wir gleichwol leider klagen muͤſſen, daß was das verderben der kirchen anlangt, daſſelbe aller orten einerley ſeye, nur daß die boßheit an einem ort verdeckter, an dem andern ort offenbarer iſt, u. nach der aͤuſſeꝛ- lichen bewandnuͤß jedes orts, deſſen verfaſſung und perſonen, an einem ort in dieſem, an anderm in andern ſtuͤcken, deutlicher ausbricht. Wie einerley gift in unterſchied- lichen leibern nach dero bewandnuͤß unterſchiedliche, ob wol alle toͤdtliche ſympto- mata wircket. Alſo muͤſſen wir uns in dieſe zeiten des gerichts ſchicken lernen; wel- ches gericht gewißlich nicht nur in der gewalt, ſo den feinden aͤuſſerlich gegen uns ge- ſtattet wird, beſtehet, ſondern auch darinnen, daß der feind alles in dem heiligthum ſelbs veꝛdoꝛben, und es dazu kommen iſt, daß keine heilſame conſilia anſchlagen wol- len, ſondern uns Gott ſelbſten alſo ein bronn, der nicht quellen will, Jer. 15, 18. worden zu ſeyn ſcheinet. Es beſtehet aber das ſchrecken in ſolcher zeit darinnen, daß wir weder wider die heilige verhaͤngnuͤß GOttes murren, noch wegen nicht folgenden verlang- ten nachdrucks in unſrer arbeit muͤde werden und nachlaſſen, vielweniger mit der welt, weil doch wider ſie nichts auszurichten, ſelbs mitzumachen anfangen: ſondern daß wir deſto ernſtlicher beten, ſo viel treulicher unſre arbeit fortſetzen, und der huͤlffe des HERRN zu ihm bekanter und beſtimter zeit mit gedult erwarten. Ach der HERR wircke ſolches in uns allen! Daß auch die welt denen, die ihrer art nicht ſind, nicht eben die angenehmſte titul giebet, iſt die alte deroſelben gewohn- heit, nur daß die namen nach zeit, ort und gelegenheit abwechſeln. Daß man aber von Spenerianern redet (welcher name leider nicht nur bey ihm, ſondern noch an vielen orten in und auſſer Teutſchland gehoͤret worden) haͤtte urſach mich zu betruͤben, wo einige gelegenheit dazu gegeben haͤtte, indeſſen venerire die goͤtt- liche verhaͤngnuͤß, ſo uͤber meinen namen dergleichen ergehen laͤßt, und mich da- durch demuͤthiget. Die ſache aber ſelbs anlangend, hoffe, daß jederman, ſo mich kennet, mich alſo finden werde/ daß ich vielmehr alle ſecten abgeſtellt, und alles zu der wahren einigkeit, die eine in CHriſto JESU iſt, wieder gebracht zu werden verlangte, als daß ich einige neue ſecte, wie mein name mißbrauchet wird, anzufangen muth haͤtte. So iſts ja ſeltſam, da alle ſecten ihre gewiſſe leh- ren und irrthume haben, die ihnen eigen ſind, und ſie gleichſam ſich damit be- zeichnen laſſen, daß dann meine ſo genante ſecte keine beſondere articul hat, da- mit ſie von andern unterſchieden waͤre. Wolte man zwar diejenige lehren ausdru- cken, um welcher willen ich finde, daß ich ſo andern alſo ſonderlich die unſers ordens ſind, ein dorn in den augen bin, und die ſie gern nicht ſo eifrig getrieben zu werden ver-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 596. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/608>, abgerufen am 22.11.2024.