Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Natur und Gnade. Frankfurt (Main), 1687.

Bild:
<< vorherige Seite

Wir haben aber etwas weiter die art solcher
brüderlichen liebe zu betrachten; so gehet sie
nun/ wo sie rechtschaffen ist/ gegen alle kinder
GOttes ohne unterscheid. Wo man die je-
nige liebet/ mit denen wir bekant sind/
dero lieblicher und erbaulicher umgang uns
erfreuet und nutzet/ und wir also auch so
bald ihre sonderbahre liebe gegen uns sehen/
und davon etwas hoffen können/ so ist
zwar solches von der brüderlichen liebe nicht
auszuschliessen/ sondern gehöret freylich
dazu/ es ist aber noch kein solch unfehlbar es
zeugniß/ wo es nur dahey bliebe: Hinge-
gen wo ich alle/ die ich sehe/ oder von denen
ich höre/ daß sie kinder GOttes seyen/ innig-
lich zu lieben bey mir befinde/ mag dieses
allein eine unfehlbare versicherung geben.
Denn so sind die rechtschaffenene kinder
GOttes gesinnet/ wo sie nur von brüdern
und schwestern hören/ die sie dem fleisch
nach niemal gekant/ noch auch in der welt
werden kennen lernen (daher sie keinen ab-
sonderlichen nutzen/ auch nicht einmahl in
dem geistlichen/ durch liebes-pflichten oder
sonderbares gebet/ von ihnen erwarten kön-
nen) so neiget sich stracks ihr hertz gegen sie/
und wil sich im Geist mit ihnen verbinden-se-

hen
H 3

Wir haben aber etwas weiter die art ſolcher
brüderlichen liebe zu betrachten; ſo gehet ſie
nun/ wo ſie rechtſchaffen iſt/ gegen alle kinder
GOttes ohne unterſcheid. Wo man die je-
nige liebet/ mit denen wir bekant ſind/
dero lieblicher und erbaulicher umgang uns
erfreuet und nutzet/ und wir alſo auch ſo
bald ihre ſonderbahre liebe gegen uns ſehen/
und davon etwas hoffen koͤnnen/ ſo iſt
zwar ſolches von der brüderlichen liebe nicht
auszuſchlieſſen/ ſondern gehoͤret freylich
dazu/ es iſt aber noch kein ſolch unfehlbar es
zeugniß/ wo es nur dahey bliebe: Hinge-
gen wo ich alle/ die ich ſehe/ oder von denen
ich hoͤre/ daß ſie kinder GOttes ſeyen/ innig-
lich zu lieben bey mir befinde/ mag dieſes
allein eine unfehlbare verſicherung geben.
Denn ſo ſind die rechtſchaffenene kinder
GOttes geſinnet/ wo ſie nur von brüdern
und ſchweſtern hoͤren/ die ſie dem fleiſch
nach niemal gekant/ noch auch in der welt
werden kennen lernen (daher ſie keinen ab-
ſonderlichen nutzen/ auch nicht einmahl in
dem geiſtlichen/ durch liebes-pflichten oder
ſonderbares gebet/ von ihnen erwarten koͤn-
nen) ſo neiget ſich ſtracks ihr hertz gegen ſie/
uñ wil ſich im Geiſt mit ihnen verbinden-ſe-

hen
H 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0235" n="173"/>
Wir haben aber etwas weiter die art &#x017F;olcher<lb/>
brüderlichen liebe zu betrachten; &#x017F;o gehet &#x017F;ie<lb/>
nun/ wo &#x017F;ie recht&#x017F;chaffen i&#x017F;t/ gegen alle kinder<lb/>
GOttes ohne unter&#x017F;cheid. Wo man die je-<lb/>
nige liebet/ mit denen wir bekant &#x017F;ind/<lb/>
dero lieblicher und erbaulicher umgang uns<lb/>
erfreuet und nutzet/ und wir al&#x017F;o auch &#x017F;o<lb/>
bald ihre &#x017F;onderbahre liebe gegen uns &#x017F;ehen/<lb/>
und davon etwas hoffen ko&#x0364;nnen/ &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
zwar &#x017F;olches von der brüderlichen liebe nicht<lb/>
auszu&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en/ &#x017F;ondern geho&#x0364;ret freylich<lb/>
dazu/ es i&#x017F;t aber noch kein &#x017F;olch unfehlbar es<lb/>
zeugniß/ wo es nur dahey bliebe: Hinge-<lb/>
gen wo ich alle/ die ich &#x017F;ehe/ oder von denen<lb/>
ich ho&#x0364;re/ daß &#x017F;ie kinder GOttes &#x017F;eyen/ innig-<lb/>
lich zu lieben bey mir befinde/ mag die&#x017F;es<lb/>
allein eine unfehlbare ver&#x017F;icherung geben.<lb/>
Denn &#x017F;o &#x017F;ind die recht&#x017F;chaffenene kinder<lb/>
GOttes ge&#x017F;innet/ wo &#x017F;ie nur von brüdern<lb/>
und &#x017F;chwe&#x017F;tern ho&#x0364;ren/ die &#x017F;ie dem flei&#x017F;ch<lb/>
nach niemal gekant/ noch auch in der welt<lb/>
werden kennen lernen (daher &#x017F;ie keinen ab-<lb/>
&#x017F;onderlichen nutzen/ auch nicht einmahl in<lb/>
dem gei&#x017F;tlichen/ durch liebes-pflichten oder<lb/>
&#x017F;onderbares gebet/ von ihnen erwarten ko&#x0364;n-<lb/>
nen) &#x017F;o neiget &#x017F;ich &#x017F;tracks ihr hertz gegen &#x017F;ie/<lb/>
uñ wil &#x017F;ich im Gei&#x017F;t mit ihnen verbinden-&#x017F;e-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">H 3</fw><fw place="bottom" type="catch">hen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[173/0235] Wir haben aber etwas weiter die art ſolcher brüderlichen liebe zu betrachten; ſo gehet ſie nun/ wo ſie rechtſchaffen iſt/ gegen alle kinder GOttes ohne unterſcheid. Wo man die je- nige liebet/ mit denen wir bekant ſind/ dero lieblicher und erbaulicher umgang uns erfreuet und nutzet/ und wir alſo auch ſo bald ihre ſonderbahre liebe gegen uns ſehen/ und davon etwas hoffen koͤnnen/ ſo iſt zwar ſolches von der brüderlichen liebe nicht auszuſchlieſſen/ ſondern gehoͤret freylich dazu/ es iſt aber noch kein ſolch unfehlbar es zeugniß/ wo es nur dahey bliebe: Hinge- gen wo ich alle/ die ich ſehe/ oder von denen ich hoͤre/ daß ſie kinder GOttes ſeyen/ innig- lich zu lieben bey mir befinde/ mag dieſes allein eine unfehlbare verſicherung geben. Denn ſo ſind die rechtſchaffenene kinder GOttes geſinnet/ wo ſie nur von brüdern und ſchweſtern hoͤren/ die ſie dem fleiſch nach niemal gekant/ noch auch in der welt werden kennen lernen (daher ſie keinen ab- ſonderlichen nutzen/ auch nicht einmahl in dem geiſtlichen/ durch liebes-pflichten oder ſonderbares gebet/ von ihnen erwarten koͤn- nen) ſo neiget ſich ſtracks ihr hertz gegen ſie/ uñ wil ſich im Geiſt mit ihnen verbinden-ſe- hen H 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_natur_1687
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_natur_1687/235
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Natur und Gnade. Frankfurt (Main), 1687, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_natur_1687/235>, abgerufen am 21.11.2024.